Microchip der Firma TSCM auf einer Leiterplatte
Der taiwanesische Chip-Konzern TSMC ist einer der größten Halbleiterhersteller weltweit. Bildrechte: IMAGO/NurPhoto

Halbleiterproduktion in Sachsen Ifo-Experte Ragnitz: TSMC-Chip-Fabrik in Dresden willkommen, Effekte aber gering

24. April 2023, 12:36 Uhr

Der Chip-Produzent TSMC will möglicherweise eine Produktion in Dresden errichten. Voraussetzung dafür sind allerdings Subventionen. Doch wie viel würde die neue Chip-Fabrik der regionalen Wirtschaft bringen? Die MDR-Wirtschaftsredaktion hat Joachim Ragnitz vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Dresden (Ifo) dazu befragt.

Neues Halbleiterwerk soll in Dresden entstehen

Schon seit einiger Zeit wird darüber spekuliert, dass der taiwanesische Halbleiter-Riese TSMC seine erste europäische Chip-Fabrik in Dresden plant. Trotz positiver Signale blieb eine offizielle Meldung dazu bisher jedoch aus. Unklar ist auch, in welcher Größenordnung der Technologie-Konzern ein Werk in Sachsen bauen will. Ifo-Experte Joachim Ragnitz äußert sich bereits jetzt zurückhaltend zu den Effekten einer möglichen Investition.

Effekte einer neuen Chip-Fabrik auf regionale Wirtschaft gering

Aufgrund der höheren Kosten für eine Chip-Produktion in Deutschland ist zu erwarten, dass der Hersteller TSMC auf staatliche Subventionen drängen wird. Doch welche wirtschaftliche Bedeutung hätte die neue Ansiedlung für die Wirtschaft in Sachsen und Mitteldeutschland?

Joachim Ragnitz ist stellvertretender Leiter des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung in Dresden (Ifo) und Experte für regionale Entwicklung in Ostdeutschland. Er sagt, "dass ein TSMC-Werk die Rolle Sachsens beziehungsweise Dresdens als europaweit führender Standort der Halbleiterindustrie stärken würde, ist unstrittig. Aber man soll sich da auch nichts vormachen: Die Ausstrahleffekte in die Region sind wegen der globalen Verflechtung der Halbleiterbranche gering. Die Produktion ist sehr kapitalintensiv, so dass nur wenige zusätzliche Arbeitsplätze entstehen werden."

Laut Ragnitz dürften nur wenige Unternehmen in der Region als Zulieferer oder Dienstleister für ein solches Unternehmen tätig werden können. Gerade Tochtergesellschaften international tätiger Konzerne brächten ihre Geschäftskontakte mit und würden diese auch weiterhin nutzen. Da die Produktion sehr stark automatisiert sei, würden nur wenige zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Viel wichtiger wäre es dagegen, so Ragnitz weiter, auch Forschungskapazitäten anzusiedeln.

Experten kritisieren Subventionen für deutsche Chip-Produktion

Die TSMC-Ansiedlung wäre das dritte neue Megaprojekt im Bereich der Halbleiterproduktion in Mitteldeutschland nach der Ankündigung des Baus einer Chip-Fabrik von Intel in Magdeburg und eines neuen Infineon-Werkes in Dresden.

Während die geplante Intel-Ansiedlung von der Politik als großer Erfolg gefeiert wird, hatten Wirtschaftswissenschaftler zuletzt deutliche Kritik gegenüber der Milliardenförderung für Halbleiterfabriken in Deutschland formuliert. So äußerte der Ökonom Reint Gropp gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" die Einschätzung, dass das Geld für die Ansiedlung von Chip-Fabriken woanders besser angelegt sei. Nach Meinung des Präsidenten des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung Halle falle auch die öffentliche Förderung für die neue Infineon-Fabrik in Dresden mit einer Milliarde Euro, also eine Million Euro pro entstehenden Arbeitsplatz, zu hoch aus.

Dresden mit besseren Standortvoraussetzungen als Magdeburg

Wirtschaftsexperten des IWH in Halle hatten in den vergangenen Wochen immer wieder die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der beabsichtigten Intel-Großansiedlung in Magdeburg angezweifelt. Konkret ging es darum, dass vor Ort die entsprechenden Arbeitskräfte, eine geeignete Infrastruktur und das soziale Umfeld fehlten, um internationale Fachkräfte anzuziehen. Inwiefern hätte auch Dresden als Standort mit solchen Hürden zu kämpfen?

Dazu erklärt Ifo-Experte Joachim Ragnitz: "Dresden ist mit den großen Fabriken von Infineon, Global Foundries und Bosch schon heute führender Halbleiterstandort. Hinzu kommen die vielen kleineren Unternehmen der Branche und die Forschungseinrichtungen. Das ist also ganz anders als in Magdeburg, wo all das erst noch aufgebaut werden muss. Dresden als Stadt ist allein schon aufgrund seiner Größe besser mit 'weichen' Standortfaktoren ausgestattet, die zuzugsfördernd wirken können."

Wie Lieferketten günstiger abgesichert werden könnten

Um Europa unabhängiger von Chip-Importen aus Asien zu machen, wollen die EU-Staaten über 40 Milliarden Euro bereitstellen. Offenbar herrscht in Brüssel die Sorge, dass es wieder zu Störungen von Lieferketten kommen könnte. Wirtschaftsexperten halten die Milliardenförderung für Halbleiterfabriken in Deutschland jedoch für fragwürdig. "Es ist eine politische Entscheidung der EU, eine europäische Halbleiterindustrie aufzubauen. Ökonomisch lässt sich das nicht begründen", erklärt Ifo-Fachmann Joachim Ragnitz. Der Bedarf an Halbleitern wachse weltweit, so dass die Unternehmen ohnehin einen Anreiz hätten, in neue Produktionsstätten zu investieren. Die Subventionen dienten im Wesentlichen dazu, hohe Kosten in Europa zu kompensieren.

Der Ökonom sieht jedoch alternative Möglichkeiten, um die Chip-Versorgung in Europa sicherzustellen: "Es wäre dann aber doch eigentlich günstiger, für stabile Handelsbeziehungen mit den Lieferländern zu sorgen und nach Möglichkeit Handelsbeziehungen zu verschiedenen Partnerländern aufzubauen. Eine Produktion, die sich nur wegen Subventionen rechnet, ist im Regelfall nicht kostengünstiger und kostet noch dazu Steuergeld."

Es ist eine politische Entscheidung der EU, eine europäische Halbleiterindustrie aufzubauen. Ökonomisch lässt sich das nicht begründen.

Joachim Ragnitz, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Dresden (Ifo)

Forderung nach mehr Förderung

Vor dem Hintergrund gestiegener Bau- und Energiekosten soll die Intel-Führung für den Aufbau der Produktion in Sachsen-Anhalt bereits einen höheren Bedarf bei der Subventionierung angemeldet haben. Werden also auch für die Ansiedlung in Sachsen im Laufe der Zeit die Subventionsforderungen von TSMC steigen?

Ökonom Ragnitz gibt zu bedenken: "Es gibt weltweit einen Subventionswettlauf im Bereich der Chip-Herstellung. Das schwächt die Position der Subventionsgeber. Man weiß zwar nicht, was TSMC fordert, beziehungsweise was ihnen bereits angeboten worden ist. Die Gefahr ist, dass es Nachforderungen gibt, insbesondere wenn die Kosten stärker steigen als ursprünglich erwartet."

Die Gefahr ist, dass es Nachforderungen gibt, insbesondere wenn die Kosten stärker steigen als ursprünglich erwartet,

Joachim Ragnitz, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Dresden (Ifo)

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 06. März 2023 | 19:00 Uhr

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