Digitalisierung Instrumentenbau im Vogtland: Einsatz von Hightech für eine sichere Zukunft?

18. Oktober 2023, 19:11 Uhr

Ob Akkordeons von Weltmeister, Posaunen von Voigt oder Schlagzeugstöcke von Rohema: Der Bau von Musikinstrumenten hat im Vogtland eine lange Tradition. Damit dieser auch in Zeiten von andauernden Krisen erhalten bleiben kann, besteht Handlungsbedarf bei den Unternehmen. Wir werfen einen Blick darauf, wie sich die Musikinstrumentenbauer unter anderem mit der Hilfe von Hightech für die Zukunft aufstellen.

Modernste Technologien, wie zum Beispiel ein Roboter, kommen im Vogtland zum Einsatz. Sie sollen den Instrumentenbauern dabei helfen, ihre Unternehmen zukunftssicher zu machen. Denn neben der Tradition geht es auch um Arbeitsplätze. Eine Abfrage bei der Bundesagentur für Arbeit ergibt, dass in Sachsen 910 Musikinstrumentenbauer und Musikinstrumentenbauerinnen beschäftigt sind, wovon 880 sozialversicherungspflichtig sind (Stand März 2023).

Aber nicht nur die Digitalisierung stellt eine Herausforderung dar. Auch die Globalisierung, der Fachkräftemangel und Einschränkungen der zur Verfügung stehenden Materialien bereiten Probleme im traditionellen Musikinstrumentenbau, heißt es auf der Webseite des Bündnisses von "I-Ma-Tech". Dieses wurde initiiert, um den vielen Betrieben im Vogtland beim Schritt in die Zukunft zu helfen. Es wurde im Zuge des Programms "WIR! – Wandel durch Innovation in der Region" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.

Ein Roboter für den perfekten Klang

Der Familienbetrieb "Rohema" stellt in fünfter Generation Schlagzeugstöcke her. Seit über einem Jahrhundert ist dies das Kerngeschäft des Betriebs. Dabei ist seit einiger Zeit ein besonderer "Mitarbeiter" Teil des Teams. Ein spezieller weltweit einmaliger Roboter sortiert die Hölzer nach ihrer Klangfrequenz.

"Wir messen den Klang beziehungsweise die Eigenfrequenz des Stockes aus. Der wird angeschlagen und abgemessen. Das gibt Rückschluss auf den Klang, der auf dem Becken erzeugt wird. Wir wollen einfach, dass das Paar perfekt zusammenpasst, dass der linke und der rechte Stock die gleichen Sounds auf dem Becken erzeugen", erklärt der Geschäftsführer Maik Hellinger. Das Messverfahren für den Klang der Hölzer wurde zusammen mit dem Institut für Musikinstrumentenbau e.V., einem der Mit-Initiatoren des Projekts "I-Ma-Tech", entwickelt, heißt es auf der Webseite von "Rohema".

Diese Perfektion bis ins kleinste Detail scheint sich auszuzahlen. Denn Rohema produziert seine Stöcke in Massen: 300.000 Schlagzeugstöcke im Jahr entstehen in dem vogtländischen Betrieb. Hinzu kommen 25.000 Taktstöcke und 180.000 Kleinpercussion-Instrumente.

"Wir merken, dass die Marke sich immer mehr verbreitet, Bekanntheit erlangt, die Qualität sehr wertgeschätzt wird und dass dies eigentlich für sich selber spricht. Wir werden viel weiterempfohlen. Mittlerweile haben wir wirklich rund um die Welt Kunden", sagt Maik Hellinger.

Investitionen in die Zukunft scheinen sich demnach zu lohnen. Vor vier Jahren hat Rohema viel Geld in die Hand genommen. Insgesamt 2,4 Millionen Euro wurden in den Betrieb investiert, davon 800.000 Euro für Maschinen. Die anderen 1,6 Millionen Euro sind in das Gebäude geflossen, sodass die Energie- und Wärmeversorgung mittlerweile fast autark funktioniert. Alle Holzabfälle werden gesammelt, gepresst und zum Heizen verbrannt. Dadurch war das Unternehmen fast gar nicht von der Energiekrise betroffen.

Zusätzlich setzt Rohema auch auf Einnahmen durch Produktion für andere Marken. "Man muss wirklich sehr breit aufgestellt sein. Es ist enorm wichtig, vielleicht auch das eigene Ego mal hintenanzustellen und nicht nur für die eigene Marke zu fertigen. Es braucht einfach eine gewisse Größe, um überhaupt solch eine Investition zu stemmen und solch einen Maschinenpark hinzulegen und deswegen müssen wir auch für viele andere produzieren, um die Stückzahl zu schaffen", erklärt Maik Hellinger.

Eigenes Werkzeug mithilfe einer modernen Fräse

Stetige Investitionen in den eigenen Betriebt macht auch die "Jürgen Voigt Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumente". "Wir sind bestrebt, immer neue Technologien und neue Ideen zu haben. Wenn sie früher auf den Messen wie in Frankfurt, die es heute nicht mehr gibt, ohne Neuigkeit angetreten sind, hat niemand zu ihnen hingeschaut", berichtet der Seniorchef Jürgen Voigt. Jeder Euro Gewinn, der übrig bleibt, wird konsequent in Zukunftstechnologie gesteckt. So zum Beispiel in eine hochmoderne Fräse für 250.000 Euro. Sie stellt in der Meisterwerkstatt die Werkzeuge her.

Zudem nutzt das Unternehmen – neben der Herstellung von fertigen Instrumenten – eine weitere Einkommensquelle: die Herstellung von Einzelteilen. Mittlerweile macht die Zulieferung an andere Instrumentenbauer 83 Prozent des Umsatzes aus. "Der globale Markt bedient etwas nicht, was wir ganz besonders gut können: die individuell maßgeschneiderte Fertigung einzelner Teile, Instrumente, Werkzeuge. Das ist etwas, was uns abhebt in diesem großen globalen wirtschaftlichen Weltgeschehen", erläutert Geschäftsführerin Kerstin Voigt.

Dieses Vorgehen scheint sich auszuzahlen, denn die Auftragsbücher sind voll. "Nach zwei sehr harten Jahren Coronapandemie, die zum Teil bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen mit sich gebracht haben, sind wir jetzt glücklicherweise wieder auf einem fast Vor-Corona-Niveau", bestätigt Kerstin Voigt.

Lasercutter für noch mehr Präzision

Geht es nach Geschäftsführer Frank Meltke, sollen auch bei der "Weltmeister Akkordeon Manufaktur GmbH" zukünftig die Arbeitsprozesse digitaler ablaufen. Schon seit drei Jahren kooperiert er mit der "Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur" in Leipzig. Gemeinsam mit Professor Johannes Zentner vom Lehrstuhl für Konstruktion entwickelt er das Akkordeon der Zukunft. 

"Einige dieser 3.500 Teile kann man auch nach außen vergeben, damit sie mit anderen, etwas preiswerteren Fertigungstechnologien hergestellt und dann in das Akkordeon eingebaut werden. Man muss nicht unbedingt jedes Teil tatsächlich selber herstellen", erklärt Johannes Zentner. Noch werden bei "Weltmeister" 3.500 Einzelteile in reinster Handarbeit zusammengebaut. Zuletzt hatte der Betrieb zwar Schlagzeilen gemacht, weil das Unternehmen Insolvenz anmelden musste, hofft aber wieder auf die eigenen Füße zu kommen.

Für die Produktion der Zukunft wird jedes der 3.500 Teile im Computer digital abgebildet. Viele Einzelteile müssen per Hand vermessen werden. Am Ende gibt es von jedem Bauteil einen digitalen Zwilling. Dadurch kann das Akkordeon optimiert werden. "Wir schauen uns tatsächlich jede Baugruppe an und analysieren die Möglichkeiten, die wir dort haben, diese Baugruppen leichter zu gestalten und setzen diese um. Das Bass-Gehäuse haben wir bereits durch eine Kunststoff-Schaum-Konstruktion um rund 44 Prozent reduzieren können", sagt Johannes Zentner.

Das "Akkordeon der Zukunft" wird also deutlich leichter werden und lässt sich dadurch wahrscheinlich besser verkaufen. "Die viele Handarbeit wird weiter da sein. Aber durch zum Beispiel 3D-Druck oder einen Lasercutter, der uns ermöglicht, Dinge zu schneiden und nicht mehr zu stanzen, haben wir eine viel höhere Genauigkeit", ergänzt Frank Meltke, der Geschäftsführer von "Weltmeister". Schon ab Herbst soll ein Lasercutter die Produktion effizienter machen. Die Akkordeons werden dann langfristig auch günstiger.

Wie wichtig der Musikinstrumentenbau und -handel für Sachsen ist, zeigt auch die Studie "Der Wert von Musik – Ökonomische Wirkungsanalyse des Musikökosystems". Laut dieser "ist der Sektor der Musikinstrumente mit 160,2 Mio. Euro der umsatzstärkste Teilbereich des Musikökosystems" im Freistaat im Jahr 2019 gewesen.

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 17. Oktober 2023 | 20:15 Uhr

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