Arbeitsschutz Blei-Verordnung der EU könnte Aus für Instrumentenbauer im Vogtland bedeuten

15. Mai 2023, 17:48 Uhr

Von einer Bleiwüste spricht man gemeinhin, wenn zu viel Text auf einer Seite steht. Der Musikwinkel im Vogtland könnte zu einer ganz anderen Bleiwüste werden. Eine EU-Verordnung hat die Grenzwerte für Blei am Arbeitsplatz gesenkt. Das würde für viele Instrumentenbauer, die Blei zwingend brauchen, das Aus bedeuten. Sachsen will nun Änderungen der Verordnung erwirken.

Kerstin Voigt, die Chefin der Firma Voigt Meisterinstrumente in Markneukirchen, ist erleichtert. Sie kann sich über einen Etappensieg beim Kampf gegen die neue EU-Richtlinie zur weiteren Reduzierung der Blei-Grenzwerte am Arbeitsplatz freuen. "Sachsen hat einen Antrag im Bundesrat eingebracht, um eine Ausnahmeregelung für den Musikinstrumentenbau zu erwirken und das ist gelungen."

Die Europäische Kommission hatte im April eine Richtlinie beschlossen, mit der die Grenzwerte für Blei am Arbeitsplatz gesenkt werden sollen. Die zulässige sogenannte berufsbedingte Belastung wird von derzeit 0,15 auf 0,03 Milligramm pro Kubikmeter gesenkt. Gleichzeitig soll der biologische Grenzwert von 70 auf 15 Mikrogramm pro 100 Milliliter Blut gesenkt werden. Das entspricht jeweils etwa einem Fünftel der derzeit geltenden Grenzwerte.

Innungs-Chef: Umsetzung der Richtlinie kommt Arbeitsverbot mit Blei gleich

Vor knapp zwei Wochen war das Thema urplötzlich und eher zufällig aufgeploppt, erzählt der Innungsobermeister der Markneukirchner Musikinstrumentenbauer Steffen Meinel. Die Tragweite einer solchen Änderung sei den Politikern offenbar nicht bewusst gewesen. "In bestimmten Bereichen - ich will den Orgelbau, den Klavier- und den Metallblasinstrumentenbau anführen - würde es praktisch einem Arbeitsverbot mit Blei gleichgekommen."

Die Tragweite einer solchen Änderung ist den Politikern offenbar nicht bewusst gewesen.

Steffen Meinel Innungsobermeister der Markneukirchner Musikinstrumentenbauer

Voigt: Blei ist unersetzbar

Für die Herstellung von Metallblasinstrumenten sei Blei seit Jahrhunderten ein unersetzbares Hilfsmittel, erklärt Kerstin Voigt. "Es wird in Metallrohre gefüllt, damit diese beim Biegen ihre Form behalten". Man brauche es, um alte und kaputte Teile zu reproduzieren oder um neue Instrumente zu entwickeln. "In Blei gebogene Instrumente haben andere klangliche Eigenschaften, die den handwerklichen Instrumentenbau ausmachen, ergänzt sie.

"In Blei biegen" Um ein Messingrohr zu biegen, ohne dass es knickt, wird es mit heißem Blei gefüllt. Ist das Blei abgekühlt und erstarrt, wird das Rohr bis zu seiner Endform gebogen und die entstehenden Falten dabei mit dem Hammer verschlagen. Die Struktur des Metalls wird dadurch besonders gleichmäßig bearbeitet. Danach wird das Blei wieder erhitzt und fließt heraus. Abschließend wird das Rohr gefeilt, geschliffen und poliert. Quelle: Matthias Vogt, Instrumentenbaumeister aus Leipzig

Im fertigen Instrument finde sich nahezu kein Blei, sagt Voigt. Auch für die Mitarbeiter bestehe aufgrund der schon jetzt strengen Arbeitsschutzregeln keine Gefahr, betont sie. "Es gab im Orgelbau über Jahrzehnte hinweg regelmäßig Untersuchungen. Man hat dort nie etwas gefunden." Auch aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit sieht die Firmenchefin das neue Gesetz kritisch. "Wir können nicht zu einhundert Prozent sicher sein, dass importierte Billigprodukte unter den gleichen hohen Standards gefertigt wurden." Damit sei eine gewisse Konkurrenzfähigkeit nicht mehr gewährleistet.

Es gab im Orgelbau über Jahrzehnte hinweg regelmäßig Untersuchungen. Man hat dort nie etwas gefunden.

Kerstin Voigt Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumente Markneukirchen

Trotz der möglichen Ausnahmeregelung in der EU werde man das Thema Blei im Blick behalten, sagt Innungsobermeister Steffen Meinel. "Im Metallblasinstrumentenbau laufen auch Forschungen nach alternativen Materialien. Sie sind jedoch noch nicht soweit."

Wirtschaftsminister Dulig: Existenz vieler Betriebe steht auf der Kippe

Nach dem sächsischen Antrag zu Ausnahmen bei der EU-Richtlinie sagte der sächsische Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig, dass er grundsätzlich für einen verbesserten Arbeitsschutz eintrete. Gleichzeitig warnte er vor drastischen Folgen für den Musikinstrumentenbau im Freistaat. "Blei kann negative Folgen für die menschliche Gesundheit haben. Deswegen ist es richtig, dass mit dem Vorschlag der Kommission die geltenden Grenzwerte für Blei überarbeitet werden." Leider gehe der Vorschlag zu weit. "Statt die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zu verbessern, führen die Änderungen zu einer Bedrohung bestehender Arbeitsplätze."

Sollten die Grenzwerte in dem vorgesehenen Umfang angewandt werden, stünde die Existenz vieler Betriebe auf der Kippe, so Dulig weiter. "Unser kulturelles Leben wäre drastisch eingeschränkt: Sinfonieorchester ohne Blechbläser, keine Posaunenchöre beim Kirchentag, Jazzmusik ohne Trompete und Saxophon, Gottesdienste ohne Orgelbegleitung." Auch die Restaurierung alter Instrumente sei nicht mehr möglich.

Falls die Grenzwerte in dem vorgesehenem Umfang angewandt werden, steht die Existenz vieler Betriebe auf der Kippe.

Martin Dulig Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft ,Arbeit und Verkehr

Unabhängig von der möglichen Einigung in Bezug auf die Blei-Grenzwerte kommt auf die Instrumentenbauer bereits der nächste Ärger zu. Die EU-Lösungsmittelrichtlinie soll statt 2030 nun bereits im kommenden Jahr verschärft werden. Dann könnten viele Lacke von heute auf morgen nicht mehr zur Verfügung stehen.

MDR (tfr/bsc)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 15. Mai 2023 | 16:30 Uhr

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