Streife der Polizeibehörde des Ordnungsamtes
Im Stadthallenpark in Chemnitz, der als "gefährlicher Ort" eingestuft ist, gibt es häufig Polizeikontrollen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / HärtelPRESS

Diskriminierung "Gefährliche Orte" in Chemnitz: Einstufung könnte zu rassistischen Polizeikontrollen führen

19. Juli 2024, 13:28 Uhr

An sogenannten "gefährlichen Orten" wie dem Stadthallenpark in Chemnitz darf die Polizei verdachtsunabhängig Personen kontrollieren. Kritisiert wird das vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen, weil es dadurch auch vermehrt zu rassistischen Kontrollen kommen könnte. Der sächsische Landtag hat nun beschlossen, dass Betroffene eine Quittung für eine Kontrolle verlangen können.

  • Im Stadthallenpark in Chemnitz darf die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen, weil es ein "gefährlicher Ort" ist.
  • An "gefährliche Orten" finden laut Polizei viele Straftaten statt.
  • Das Antidiskriminierungsbüro kritisiert, dass die Einstufung "gefährlicher Ort" rassistische Polizeikontrollen begünstigen könnte.

Mittag im Stadthallenpark in Chemnitz: Ein Platz mit Bäumen, Bänken und einem großen Springbrunnen, an dem ein paar sitzen. Gerade ist eine Polizeistreife vorbeigefahren. Die Stimmung ist unaufgeregt.

Aber: Der Stadthallenpark ist ein sogenannter gefährlicher Ort. Das ist ein Bereich, den die Polizei als solchen definiert. Sie kann dort Menschen ohne konkreten Verdacht kontrollieren.

Stadthallenpark Chemnitz
Der Stadthallenpark Chemnitz (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / HärtelPRESS

Körperverletzungen und Diebstähle

Welche Orte als "gefährlich" eingestuft würden, bestimme die Polizei sorgfältig, erklärt die Chemnitzer Polizeisprecherin Jana Ulbricht: "Für uns sind die Anhaltspunkte, dass an diesen Orten im Vergleich zum Umfeld mehr Straftaten passieren oder mehr Hinweise sind, dass dort Straftaten verabredet werden oder Straftäter unterwegs sind."

Im Stadthallenpark gebe es vor allem Probleme mit Körperverletzungen, gewalttätigen Diebstählen und Drogendelikten. Die Einstufung als "gefährlicher Ort" ist laut Ulbricht ein effektives Mittel gegen Kriminalität. So käme es an den Orten zu weniger Gewalt.

Verbessert sich die Situation, könne der Bereich auch wieder aus der Kategorie "gefährlicher Ort" herausfallen. Die Polizei prüfe die Voraussetzungen dafür mindestens alle sechs Monate. Öffentlich macht die Polizei ihre Entscheidungen dabei nicht: "Wenn wir jedem offiziell sagen, dass das der Bereich ist, dann hat jeder genauso die Möglichkeit, sich einfach eine Straße weiterzustellen. Das würde das Problem der Kriminalität nur verschieben", sagt Ulbricht.

Zunahme an Racial Profiling

Kritik an "gefährlichen Orten" kommt von Marleen Täger vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen sowie von Rene Löscher von der Opferberatung RAA. Sie haben ein Bündnis gegen die "gefährlichen Orte" ins Leben gerufen. Das Bündnis kritisiert, dass durch sie sogenanntes Racial Profiling begünstigt würde. Racial Profiling bezeichnet rassistische Kontrollen von Menschen ohne einen konkreten Verdacht, nur wegen ihrer Hautfarbe.

Racial Profiling kann schwere Folgen für Betroffene haben, wie Täger erklärt: "Ich hatte eine Beratung, da ist jemand umgezogen. In einer anderen Beratung hat jemand den Job gewechselt, weil die Pendelstrecke so mit Polizeipräsenz ausgestattet war, dass er regelmäßig zu spät zur Arbeit kam."

Polizeisprecherin Ulbricht sieht keine Beweise für solche Vorwürfe. Betroffene könnten sich beschweren, sagt Ulbricht. In diesem und im vergangenen Jahr sei das aber nicht passiert.

Quittungen für Kontrollen an "gefährlichen Orten"

Löscher hält solche Beschwerden für ungeeignet: "Ich kann mich in den 15 Jahren, in denen ich den Job mache, noch an keine Situation erinnern, wo eine Beschwerde zu einem Eingeständnis oder zu einer Entschuldigung geführt hat." Trotz dieser Kritik betont Löscher aber, dass es einen guten Austausch mit der Polizei gebe. Auf der Leitungs- und Führungsebene der Polizei werde das Problem erkannt und nachvollzogen. "Das führt aber noch nicht zu einer veränderten Kontrollpraxis bei den Beamtinnen und Beamten, die vor Ort sind", sagt Löscher.

Hilfe könnte jetzt vom sächsischen Landtag kommen. Der hat vor kurzem beschlossen, dass Betroffene an "gefährlichen Orten" künftig Quittungen für Kontrollen verlangen können. Täger vom Antidiskriminierungsbüro meint, Betroffene könnten sich damit besser beschweren und Beamte würde für das Thema sensibilisiert. Racial Profiling würde damit zwar nicht verschwinden, aber verringert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. Juli 2024 | 06:47 Uhr

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