
Diskussion um Hauptgebäude Eindrucksvoll und vernachlässigt: Wie weiter mit dem Hauptbahnhof Döbeln?
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22. April 2025, 05:00 Uhr
Mit dem Döbelner Hauptbahnhof ist es wie in Gerhard Schönes Kinderlied von der Jule, die sich nie wäscht: Sieht man das Gebäude, denkt man: Hmm! Kennt man die Geschichte des Eisenbahnknotenpunktes und geht näher ran, sagt man: Ahhh! Doch ist man im Gebäude und riecht es, heißt es: Iiih! So ergeht es vielen Reisenden, die den Wartesaal aufsuchen. Müll, Taubendreck, Vandalismus-Spuren überall und die Toiletten zu. Der Ärger ist groß, aber der Eigentümer winkt ab. Er sieht die Stadt am Zug.
- Fahrgäste und Mitarbeiter gruseln sich im Hauptbahnhofsgebäude in Döbeln.
- Besitzer in Oberbayern will das Gebäude nicht mehr entwickeln, sieht die Stadt in der Pflicht - die widerspricht, sagt: Eigentum verpflichtet.
- Deutsche Bahn plant Frühjahrsputzaktion an den Außenanlagen.
Ein Treffen mit dem Baugutachter Frank Schmidt aus Döbeln mit MDR SACHSEN im Bahnhof der Stadt. Wenn er in den historischen Wartesaal des Hauptbahnhofes geht, ärgert er sich jedes Mal: "Die Halle wirkt versottet. Eine Reinigung erfolgt nicht mehr. Der Eigentümer fühlt sich dafür nicht zuständig", kritisiert Schmidt. Müll, Urinspuren und Vandalismusschäden an Wänden und auf dem Boden, Wasserflecken an der Decke, Toiletten geschlossen. Draußen fallen ihm Taubendreck auf, Wasserschäden, Risse, Putz bröckelt von den Wänden, kaputte Fallrohre.
"Das setzt sich am ganzen Gebäude fort. Mich stimmt das alles sehr traurig. Das Gebäude aus dem Jahr 1870 hat eine bessere Nutzung verdient", sagt der Döbelner, den Hauptbahnhof noch als Kind als lebendigen Knotenpunkt kannte.
Fahrgäste und Einwohner entsetzt
Das Entsetzen ist auch Christoph Saeftel anzusehen, als er in den Warteraum tritt. 25 Minuten Zeit hat er noch, bis ihn die Regionalbahn zurück nach Leipzig fahren soll. Der Rechtsanwalt aus Mannheim sucht einen Kiosk, der Kaffee verkauft, will aber schnell wieder an die Luft. "Der Geruch! Muffig, unsäglich." Sein Fazit: "Hier will man nicht tot überm Zaun hängen." Mit Blick auf den Zustand des Gebäudes sagt er: "Wenn einer meiner Klienten hier etwas auf den Kopf bekäme, würde ich den Eigentümer verklagen."
"Ich gehe da gar nicht rein", erzählt Rentnerin Brigitte Scherf aus Döbeln, die einen Hund am Bahnhof ausführt. Sie freut sich, dass es noch einen Fahrkartenschalter und einen Pizzalieferdienst im Gebäude gibt. Für das Haus an sich hat sie nur einen Satz übrig "Furchtbar, schade, dass es so verfällt."
Vorschläge für Nutzung: Museum, Lese-Café
Das findet auch Genadi Lasinsky. Der Ukraniner fährt oft von Döbeln nach Chemnitz, wo er für Siemens arbeitet. "Die Leute stehen immer draußen, sie sagen, es wär' besser so." Das Bild, das der Hauptbahnhof abgibt, passt für ihn so gar nicht zum Standort Deutschland. Seiner Meinung nach müsste das Denkmal renoviert werden. "Wenn man ein Museum innen einrichten würde, würden das bestimmt viele Leute besuchen."
Es ist eine Schande, dass die Bahn den Bahnhof verkauft hat.
Einen anderen Vorschlag hat eine Mitarbeiterin des Pizza-Lieferdienstes. Sie kann sich ein Lesecafé im Wartesaal vorstellen - nach einer gründlichen Renovierung. Sie ärgert sich, dass der Eigentümer das Gebäude vernachlässige und die Toiletten geschlossen sind. "Die Leute fragen immerzu nach Toiletten. Vollkatatstrophe, dass das denkmalgeschützte Haus so verfällt." In den Wintermonaten findet es die Mitarbeiterin "gruselig im und rings ums Haus". Und: "Es ist eine Schande, dass die Bahn den Bahnhof verkauft hat. Die Stadt müsste dem Eigentümer mehr Druck machen", meint sie.
Eigentümer in Erding hat Ansprüche an Stadt
Eigentümer ist seit 2016 Jahren die Bayerischen Liegenschaften GmbH in Erding bei München. Der Geschäftsführer Maximilian Neumayr sagt MDR SACHSEN auf Nachfrage: "Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass von unserer Seite keine Entwicklung am Gebäude mehr erfolgt, da die Stadt das Gebäude erwerben wird."
Er sieht zudem die Kommune am Ball. "Wir brauchen die Zuarbeit von den Kommunen, wenn so ein Bahnhof vernünftig angegangen werden soll." Mit Zuarbeit seien Mieter gemeint, die das Gebäude beziehen und Miete zahlen. Es sei da mal ein Stadtrat bei ihm gewesen, ansonsten "ist nie Zug dahinter gewesen", meint Neumayr. Außerdem habe sich "die Bahn aus der Sanierungsverpflichtung gestohlen mit dem Verkauf der Liegenschaft".
Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass von unserer Seite keine Entwicklung am Gebäude mehr erfolgt.
Stadtrat und Kommune enttäuscht
Das sieht CDU-Stadtrat Rudolf Lehle ganz anders. Er war im Februar 2020 für Gespräche in Erding, die Stadt habe sich um die Nutzung der Immobilien bemüht. "Mit den Erdinger Eigentümern ergab sich in den vergangenen vier Jahren kein Ergebnis. Ich bin enttäuscht." Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Döbelner Stadtrat vermutet, dass die Oberbayern das Gebäude gewinnbringend verkaufen wollen. "Die Frage ist, zu welchem Preis", so Lehle. Denn: Es gibt einen hohen Investitionsbedarf, Vandalismusschäden, ein undichtes Dach." Über einen Verkaufspreis wollte Geschäftsführer Neumayer in Erding nichts sagen.
Wir werden Lösungen finden müssen.
Das "Tor zur Stadt", wie Stadtrat Lehle den Bahnhof nennt, müsse als architektonische Besonderheit erhalten werden. "Der Hauptbahnhof hat viele Nutzflächen und liegt strategisch günstig an wichtigen Verkehrsflächen."
Stadt kritisiert Besitzer und Deutsche Bahn
Auch die Stadt Döbeln widerspricht der Einschätzung des Hauptbahnhofs-Eigentümers. "In der Vergangenheit haben sich Vertreter der Stadt Döbeln immer wieder mit klaren und kritischen Worten an die Eigentümer des Empfangsgebäudes des Hauptbahnhofes, einem Unternehmen aus Erding, gewandt - leider bisher ohne die gewünschten Ergebnisse", sagt Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU).
Wir können und wollen an der derzeitigen Situation nichts schönreden.
Die Stadt habe sich "da, wo sie Herrin der Flächen ist, in den vergangenen Jahren für ein attraktives Bahnhofsumfeld eingesetzt". Der Bahnhofsvorplatz und angrenzende Flächen seien umfangreich umgestaltet und als Schnittstelle zwischen öffentlichen Nahverkehr und Schienenverkehr gestaltet worden, Grünflächen, Spielplatz, Park- und Fahrradstellplätze ausgebaut worden.
"Hinter dieser Entwicklung bleibt das Bahnhofsgebäude deutlich zurück", konstatiert OB Liebhauser. Anderseits sieht er es auch nicht als kommunale Aufgabe, "dem Eigentümer ein fertiges Konzept vorzulegen. Wir sind da gerne unterstützend tätig, aber Eigentum verpflichtet auch", so Liebhauser. Er fügt hinzu: "Mit der Entscheidung der Bahn zum Verkauf der Bahnhofsgebäude vor Jahrzehnten wurde die heutige Misere ausgelöst. Diese Fehlentscheidung der Bahn hat bis heute gravierende Auswirkungen."
Deutsche Bahn: Mängelbehebung ist Sache des Eigentümers
Für die Deutsche Bahn ist die Sache klar: "Mit dem Verkauf des Empfangsgebäudes kann der Eigentümer über seinen Besitz ohne Einfluss der Deutschen Bahn verfügen. Der Eigentümer muss in den genannten Fällen selbst für die Mängel aufkommen", sagt der für Sachsen zuständige Bahnsprecher, Jörg Bönisch.
Ende 2024 und Anfang 2025 seien draußen zusätzliche Maßnahmen zur Taubenvergrämung umgesetzt worden, um die Verschmutzung zu verringern. "Erste Erfolge sind sichtbar, wenngleich Verschmutzung durch Tauben weiterhin eine große Herausforderung ist. Ebenfalls wurde seit Jahresbeginn der Reinungsturnus erhöht."
Bahn macht draußen Frühjahrsputz
Die Bahn hat eine bundesweite Reinigungsaktion gestartet. Davon soll auch Döbeln profitieren. Graffiti in der Personenunterführung würden entfernt. "Es erfolgt ebenfalls eine Intensivreinigung der Treppenzugänge sowie der Fußböden in den Windschutzbereichen und den Wetterschutzhäusern", kündigt Bahnsprecher Bönisch an. Allerdings: "Umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen der Verkehrsstation werden voraussichtlich nach 2030 erfolgen."
MDR (kk)