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Teilnehmer einer Protestkundgebung der Partei "Freie Sachsen" stehen am Rande des Wahlkampfabschlusses der SPD in Chemnitz. 4 min
Die Partei Freie Sachsen ist eine der Gruppierungen, die das Kulturhauptstadtjahr stören wollen. Wie geht die Stadt damit um? Mehr dazu im Audio von Grit Krause. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt
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Chemnitz läutet im Januar das Kulturhauptstadtjahr ein. Aber schon jetzt haben rechtsextreme Gruppierungen angekündigt, gegen das Festjahr protestieren zu wollen. Wie bereitet sich die Stadt auf die Störunsgversuche vor?

MDR KULTUR - Das Radio Sa 09.11.2024 17:40Uhr 04:13 min

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Kulturhauptstadt 2025 Wie Chemnitz im Kulturhauptstadtjahr gegen rechtsextreme Störer vorgehen will

09. November 2024, 18:55 Uhr

Chemnitz wird 2025 Europäische Kulturhauptstadt sein. Zur Eröffnung am 18. Januar sind ein Festakt und eine Party in der Stadt geplant. Allerdings haben extreme Rechte, etwa die Freien Sachsen, angedroht, das Festjahr zu stören – mit ähnlichen Aktionen wie 2018, als die Bilder von den gewaltsamen, rechtsextremen Ausschreitungen um die Welt gingen. Ist man dem überhaupt gewachsen? Welche Schlagzeilen werden also im kommenden Jahr von der Stadt in die Welt gehen?

Wie umgehen mit Störversuchen vom rechten Rand? Diese Frage stellen sich zurzeit in Chemnitz Akteure aus der Zivilgesellschaft und der Kulturszene – und nicht zuletzt die Stadtspitze selber.

Am Freitagabend hat die "Freie Presse" in den bekannten Chemnitzer Club Atomino eingeladen. "Chemnitz: Deine Rechten. Wie geht die Kulturhauptstadt mit Störfeuern um" lautete die Überschrift des Abends.

Sven Schulze (2022), ein Mann mit Halbglatze und schwarz gerahmter Brille trägt Anzug und lächelt in die Kamera.
Sven Schulze (SPD) ist Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

Hintergrund der Veranstaltung sind unter anderem die Ankündigungen – besser Androhungen – von der rechstextremen Kleinpartei "Freie Sachsen" für das Kulturhauptstadtjahr. Eine Demonstration hat die Gruppierung bereits für den 18. Januar 2025, also zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres, angemeldet.

Strategie: Rechtsextremen Kräften den Raum nehmen

Sven Schulze, der Oberbürgermeister von Chemnitz, meidet derweil eine deutliche Positionierung: "Die wichtigste Aufgabe ist, dass man Oberbürgermeister einer gesamten Stadt ist, man muss diese Stadt in der Breite auch mitnehmen und repräsentieren." Jenen, die kritisieren, dass die Versammlungsbehörde rechtsextreme Demonstrationen erlaubt, entgegegnet Schulze, dass die Versammlungsfreiheit "ein hohes Gut unserer Demokratie sei" und man Aufmärsche wie die der Freien Sachsen aushalten müsse. "Aber wir gehen natürlich nicht blauäugig ran und lassen die in die erste Reihe", so Schulze.

In diesem Sinne gilt es, so viel wie möglich die öffentlichen Plätze der Stadt zu besetzen. So scheint die Strategie von Stefan Schmidtke, Programmchef für die Europäische Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, zu verstehen zu sein.

Stefan Schmidtke, ein Mann mit Glatze und weißem Dreitagebart, steht mit verschränkten Armen im braunen Hemd an einem Geländer zu einem lichtdurchfluteten Innenhof.
Will Rechtsextremen den Raum nehmen: Stefan Schmidtke, Programmchef für die Europäische Kulturhauptstadt Chemnitz 2025. Bildrechte: Philipp Köhler

Er setzt auf die Zusammenarbeit mit hunderten Akteuren: "Wir arbeiten mit über 400 Trägervereinen in dieser Stadt zusammen und es kommen nochmal 500 individuelle Träger hinzu." Tausende Menschen würden das Projekt Kulturhauptstadt aktiv unterstützen, so Schmidtke. "Ich habe das Gefühl, dass die Menschen ihre Kulturhauptstadt immer ernster nehmen und immer mehr begreifen, dass es um sie selber geht."

Support: Marginalisierte Gruppen schützen

Anna Schramm ist Mitarbeiterin von Support, einer Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt. Sie weist darauf hin, dass die Aktivitäten für einige Menschen in der Stadt besonders bedrohlich sind. Schließlich gebe es marginalisierte Gruppen, "die Angst haben müssen und die auch Angst haben bezogen auf die Eröffnungsfeier aber eben auch auf alle anderen Aktionen in der Stadt. Der Raum ist sehr weiß und sehr privilegiert." Schramm appelliert nicht zuletzt an die Entscheidungsträger der Stadt: "Wir müssen die Menschen mitdenken, die schneller als Feindbild erkannt werden von Neonazis und Rechten."

Die Erinnerung an die rechtsextremen Ausschreitungen im Jahr 2018 sind bei vielen Chemnitzern noch sehr wach – vor allem bei jenen Bürgerinnen und Bürgern, die zivilgesellschaftlich engagiert oder in der linken Szene aktiv sind. Groß sind auch die Befürchtungen, dass sich so etwas wie die rechtsextremen Aufmärsche 2025 wiederholen könnte.

Demonstration in Chemnitz
Bilder, die um die Welt gingen: Die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz 2018. Bildrechte: picture alliance/AP Images | Jens Meyer

Bei der Diskussion im Atomino überlagerte die Debatte um die Strategien gegen die rechtsextremen Aktivitäten letztlich die anderen, wenn auch damit assoziierten Themen. Zu nennen wären etwa das geplante NSU-Dokumentationszentrum in Chemnitz und die demokratiefördernden Projekte, die vom Kulturhauptstadt-Team unterstützt werden.

Chemnitzer sind skeptisch

Erklärungsversuche der Stadtspitze, dass man intensiv an Sicherheitskonzepten arbeite, um etwaige Ausschreitungen zu verhindern, scheinen da nicht zu beschwichtigen. Das zeigen auch Stimmen aus dem Publikum im Anschluss. "Also der OB hat ja versprochen, dass die Polizei ein Konzept hat. Ich hoffe, ich kann ihm glauben. Ich hoffe, dass man wirklich gelernt hat aus 2018", sagte Katja Schmerschneider.

Daniela Di Pinto befürchtet, dass die Stadtführung das Gefahrenpotenzial zur Eröffnungsfeier im Januar auf die leichte Schulter nehme: "Die Freien Sachsen haben klar und deutlich gesagt, was sie vorhaben, und das darf man nicht unterschätzen."

"Von [...] einem Oberbürgermeister, der früher Kämmerer war, kann ich mir doch ein bisschen mehr Lernprozess erwarten", findet Sören Uhle und wirft den Kommunalpolitikern vor, unvorbereitet "mit den gleichen Aussagen wie immer" in das Jahr 2025 zu gehen. "Es geht darum Zivilgesellschaft und zivilgesellschaftliche Initiativen zu stärken. Das bedeutet, dass man eine Haltung vermittelt und die der Öffentlichkeit präsentiert", so Uhle.

Dass die Podiumsdiskussion der "Freien Presse" der Rahmen ist, in dem sich die Stadtspitze klar positionieren würde, haben aber offenbar wenige erwartet. Dennoch ist es eine vertane Chance.

Redaktionele Bearbeitung: tis, hro

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. November 2024 | 17:40 Uhr

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