Expertenkommission Kann Chemnitz Kulturhauptstadt?
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09. Juli 2023, 12:39 Uhr
Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025 wurde anfangs bejubelt. Davon, so hat man den Eindruck, ist nicht viel übrig geblieben. Vielerorts, auch in Chemnitz selbst, fragt man sich inzwischen: Kann Chemnitz Kulturhauptstadt? Bisher hat es jede der ausgewählten Städte geschafft, den Titel würdig zu vertreten und letztlich gibt es dabei auch Unterstützung von der EU durch erfahrene Experten. Deren aktueller Bericht über den Weg zur Kulturhauptstadt 2025 liegt jetzt vor.
Der Enthusiasmus von 2020 scheint verflogen. Stattdessen nimmt die Kritik am Projekt Europäische Kulturhauptstadt immer mehr zu, ebenso wie eine Verunsicherung, ob Chemnitz das überhaupt stemmen kann.
Stimmungen, Meinungen, die man im Team der Kulturhauptstadt GmbH kennt und ernst nimmt, wie Andrea Pier, die kaufmännische Geschäftsführerin sagt. "Am Ende sind alle Chemnitzerinnen und Chemnitzer aufgerufen. Das ist gar nichts, was mit einem nichts zu tun hat, wo man sich hinsetzt und sagt: 'Ob die das schaffen, weiß ich nicht.'" Jeder Einzelne könne und solle mithelfen, dass die Kulturhauptstadt ein Erfolg werde. "Nur dann wird sie das auch."
Erwartungen und Wirklichkeit klaffen auseinander
Die Suche nach den vielen, die das Programm mitgestalten sollen, kommt allerdings nur langsam in Gang. So trifft man etwa bei Diskussionsrunden zur Kulturhauptstadt nur auf rund 30 Gäste, oder hat bei Baumpflanzaktionen das Gefühl, dass mehr vom Team dabei sind als freiwillige Helfer.
Zudem bemängeln Kulturakteurinnen und -akteure nach wie vor, dass sie in die Planungen zu wenig einbezogen werden. Darauf zielt letztlich eine der sechs Empfehlungen des EU-Gremiums ab, das Chemnitz auf dem Weg zur Kulturhauptstadt berät und jetzt seinen 2. Monitoring Bericht zum Stand der Vorbereitungen veröffentlicht hat. Demnach raten die Experten dazu, sorgfältig mit den Erwartungen aller beteiligten Zielgruppen umzugehen und besser zu kommunizieren. Andrea Pier sieht an dieser Stelle ebenfalls Nachholbedarf. "Unsere Idee ist im Moment, dass die Leute gar nicht ganz genau wissen, was Kulturhauptstadt eigentlich ist, und dass wir da auch noch mal besser in eine Erklärung reingehen, warum man das macht." Das sei etwas, wo noch nachgeschärft werden müsse.
Die Leute wissen gar nicht ganz genau, was Kulturhauptstadt eigentlich ist.
Der Kulturhauptstadt-Motor stottert noch
Nicht die einzige Baustelle, die sich gut anderthalb Jahre vor der Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres auftut. Erst kürzlich wurde eines der Prestigeprojekte, eine Apfelbaumparade quer durch die Stadt mit dem Titel "We Parapom" gestoppt, da es in der geplanten Form nicht umgesetzt werden kann. Fachleute, Verbände und Bürger hatten moniert, dass nur Apfelbäume gepflanzt würden und die langfristige Pflege der Bäume nicht gesichert sei. Für Herbst ist eine Neuausrichtung des Projekts angekündigt.
Abgesagt wurde auch "Kosmos Chemnitz", das Festival, das eine Reaktion auf die gewalttätigen Ausschreitungen 2018 war und bei dem 2019 und 2022 etwa 50.000 Menschen ein Zeichen für Toleranz und eine weltoffene Gesellschaft setzten. Als Grund für die Absage nannten die Veranstalter mangelnde Kapazitäten und fehlende Strukturen. Ob und wie es weitergeht, ist unklar.
Das Gremium hat ebenfalls anmerkt, dass die Verantwortlichen in Chemnitz sich schon jetzt um das Erbe der Kulturhauptstadt Gedanken machen sollten.
Der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze hat sich dieses Thema jetzt auf die Fahnen geschrieben. "Wir müssen so viel wie möglich aus dem Jahr 2025 mitnehmen. Dass wir über den eigenen Tellerrand hinausblicken, sehe ich auch als Thema in Chemnitz". Man müsse internationale, überregionale Themen nicht als Bedrohung sehen, sondern als Befruchtung, um sich zu vernetzen. "Das muss und soll weitergehen. Das schafft man am besten, indem man in 2025 positive Erlebnisse damit verbindet." Wenn ein Projekt zum Beispiel mit polnischen Partnern im Sport oder im Kleingartenwesen gut funktioniert habe, dann stiegen die Chancen für dessen Fortführung.
Die heiße Phase der Kulturhauptstadt ist eingeläutet
Damit ist jetzt die heiße Phase der Vorbereitungen eingeläutet. Wobei einige der über 70 Projekte aus dem Bid Book, dem Bewerbungsbuch, ja bereits gestartet sind. Doch auch da, so räumt Andrea Pier, Co-Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 GmbH ein, müsse man noch nachjustieren. "Wir haben in diesem Jahr 180 Veranstaltungen, entweder bei uns selbst oder in er Region oder bei unseren Bid Book-Partnern. Die Leute nähmen das aber nicht vernetzt war, sondern als singuläre Ereignisse. "Das ist etwas, was wir jetzt versuchen, besser herauszuarbeiten."
Wir versuchen jetzt, besser herauszuarbeiten, dass schon ganz viel passiert.
Und es muss auch noch viel passieren. Wobei Chemnitz – auch das zeigt letztlich der EU-Expertenbericht – im Plan liegt als Europäische Kulturhauptstadt 2025.
MDR (gkr)
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 06. Juli 2023 | 06:15 Uhr