Polizisten beobachten eine linke Demonstration am Karl-Marx-Monument in Chemnitz 4 min
Eine Demo gegen Rechtsextremismus in Chemnitz im September 2023. Auch zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres soll es eine Gegendemo zur Rechten-Demo geben, berichtet Grit Krause. Bildrechte: Harry Härtel
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Am Samstag wird das Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz eröffnet. Doch die Stimmung ist getrübt: Rechtsextreme Gruppen haben eine Demo angekündigt – was an die Ausschreitungen von 2018 erinnert. Grit Krause berichtet.

MDR KULTUR - Das Radio Do 16.01.2025 08:40Uhr 04:06 min

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Störung von rechts Chemnitz: Demonstrationen zur Eröffnungsfeier der Kulturhauptstadt geplant

16. Januar 2025, 14:52 Uhr

Berlin, Weimar, Essen – und jetzt ist Chemnitz Europäische Kulturhauptstadt. Am Samstag wird das Kulturhauptstadtjahr feierlich eröffnet. Doch die Stimmung ist getrübt: Rechtsextreme Gruppen haben angekündigt, an dem Tag zu demonstrieren. Das erinnert an die rechtsextremen Demos und gewaltvollen Ausschreitungen aus dem Jahr 2018. In Chemnitz wollte man dem ein anderes, positives Image entgegensetzen. Wie weit ist man damit gekommen und wer bestimmt das Stadtbild? MDR KULTUR hat nachgefragt.

Die "stille Mitte" stand im Fokus der Chemnitzer Kulturhauptstadtbewerbung. Grund für die Themenwahl waren rechtsextreme Ausschreitungen im Jahr 2018. Sie prägen bis heute das negative Image von Chemnitz als rechter Stadt. Um dieses Bild zu ändern, wollte man möglichst viele Chemnitzerinnen und Chemnitzer ansprechen und aktivieren, selbst am Programm, am Leben in ihrer Stadt mitzuwirken. So soll deutlich werden, wer in Chemnitz in der Mehrheit ist.

Rechtsextreme treten als Mehrheit auf

Für Ulf Bohmann, der an der Technischen Universität Chemnitz Soziologie lehrt, ist klar: "Natürlich sind die Demokratinnen und Demokraten in der Mehrheit." In der Publikation "Risikodemokratie" hat er mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Situation in Chemnitz analysiert.

Mann mit kurzem Haar, Vollbart und Brille blickt in die Kamera
Soziologe Ulf Bohmann von der TU Chemnitz warnt davor, den Rechtsextremismus zu unterschätzen. Bildrechte: Ulf Bohmann

Demnach sei es den Rechtsextremen in den letzten Jahren aber immer wieder gelungen als Mehrheit aufzutreten – auch durch starke Mobilisierung und einen langen Atem, sagte Bohmann MDR KULTUR: "Und das ist wahnsinnig motivierend für die Rechtsextremen, weil die sich sagen können: Wir sind die, die für die schweigende Mehrheit sprechen."

Klare Kante gegen Rechts

Es brauche mehr Sichtbarkeit und eine stärkere politische Positionierung, findet der Soziologe. Seitens der Menschen in Chemnitz, seitens der Stadtspitze, aber auch – mit Blick auf das Programm – seitens des Organisationsteams der Kulturhauptstadt.

Als Kulturhauptstadt wolle man sich nicht auf das Thema Rechtsextremismus reduzieren lassen, erklärt Bohmann, sondern sich von der attraktiven kulturellen Seite zeigen, Mitmachprojekt sein und Leute erreichen. Das sei demokratisch auch wichtig, aber: "Wenn man das in den Vordergrund stellt, ist die Gefahr groß, dass man ein Problem, das da ist, ignoriert oder kleinredet."

Zivilgesellschaft in Chemnitz unterstützen

Stefan Schmidtke ist Programmchef der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH. Er sagt, von ihm und seinem Team werde immer wieder eine Positionierung gefordert, doch seiner Meinung nach seien es die Projekte und die Chemnitzer Zivilgesellschaft, die sich positionieren müssten, mit der Unterstützung der Kulturhauptstadt gGmbH. "Wir glauben, dass das der richtige Ansatz ist, weil wir als Trägergesellschaft relativ schnell auch wieder weg sein werden."

Stefan Schmidtke, ein Mann mit Glatze und weißem Dreitagebart, steht mit verschränkten Armen im braunen Hemd an einem Geländer zu einem lichtdurchfluteten Innenhof.
Stefan Schmidtke, Programmchef des Kulturhauptstadtjahres, findet es wichtig, die Chemnitzer Zivilgesellschaft zu unterstützen. Bildrechte: Philipp Köhler

Aufwind für rechte Kräfte in Sachsen

Tatsächlich haben rechte und rechtsextreme Kräfte spätestens seit den Kommunal- und Landtagswahlen im vergangenen Jahr in Sachsen großen Aufwind. So sitzen die AfD und nicht zuletzt auch die "Freien Sachsen" im Chemnitzer Stadtrat. Die rechtsextreme Partei hat am Eröffnungstag der Kulturhauptstadt zum Protest gegen die Kulturhauptstadt aufgerufen. 

Martin Kohlmann, Fraktionsvorsitzer von Pro Chemnitz/Freie Sachsen spricht von Steuergeldverschwendung. Chemnitz sei kein Tourismus-Hotspot und das werde sich auch nicht ändern: "Da muss man nicht sinnlos Geld investieren."

Erinnerung an Ausschreitungen 2018

Martin Kohlmann macht keinen Hehl daraus, dass sie mit dieser Demonstration an die Ereignisse von 2018 erinnern wollen. An anderer Stelle waren die Freien Sachsen noch weitaus deutlicher, von einem "2018 2.0" war da die Rede. Insofern ist es nur zu verständlich, dass bei vielen Chemnitzerinnen und Chemnitzern die Befürchtungen dahingehend groß sind. Die Stadtverwaltung beruft sich allerdings auf die Demonstrationsfreiheit und hat die Demonstration genehmigt.

Martin Kohlmann bei der Demo der Freien Sachsen (06.08.2024)
Martin Kohlmann von Pro Chemnitz/Freie Wähler findet, Steuergelder sollten nicht für das Kulturhauptstadtjahr ausgegeben werden. Bildrechte: IMAGO / HärtelPRESS

Große Demo für Demokratie geplant

Frauke Wetzel, seit 2020 Projektleiterin beim Verein ASA-FF, kritisiert das. Sie sagte MDR KULTUR: "Warum erlaubt man an so einem Tag einen solchen Aufmarsch von offen rechtsradikalen Akteuren?" Deshalb hat Wetzel eine Gegendemonstration mitorganisiert. Mit im Boot: Der DGB Südwestsachsen und zivilgesellschaftliche Vereine und Kulturakteure, wie etwa die Kunstsammlungen Chemnitz. Auch sie wollen an 2018 anknüpfen, allerdings an das "Wir sind mehr"-Konzert, das die Gegenreaktion auf die Ausschreitungen damals war.

Warum erlaubt man an so einem Tag einen solchen Aufmarsch von offen rechtsradikalen Akteuren?

Frauke Wetzel, Mitorganisatorin der Gegendemo gegen Rechts

Man wolle für eine vielfältige Kultur einstehen, sagte Wetzel: "Wir sind für eine offene, friedliche, aber auch Haltung zeigende Kulturhauptstadt und die wollen wir eben auch schützen. Wir hoffen, dass wir so zeigen: Das ist auch Chemnitz."

Gitarrist Steffen Israel und Sänger Felix Brummer stehen auf einer großen Bühne vor einem Schriftzug gegen Rechtsextremismus
Beim "Wir sind Mehr"-Konzert 2018 in Chemnitz setzten Bands wie Kraftklub ein Zeichen gegen Rechts. Bildrechte: IMAGO / POP-EYE

So wird vielleicht schon die Eröffnungsfeier ein erstes Indiz dafür sein, ob inzwischen mehr Chemnitzerinnen und Chemnitzer für ihre Kulturhauptstadt auf die Straße gehen, und zwar nicht nur zum Feiern.

Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause), redaktionelle Bearbeitung: az, sg

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Januar 2025 | 08:40 Uhr

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