Künstliche Intelligenz Chemnitz: Neue Ausstellung erkundet Fotokunst im digitalen Zeitalter
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28. Juli 2024, 04:00 Uhr
Zitronen, die Selfies machen, Treppen, die ins Nichts führen und digitale Affen – in Chemnitz begegnen jetzt 30 Künstlerinnen und Künstler dem KI-Hype mit Humor, Bildwitz und kritischem Blick. In der Ausstellung "Welt anschauen" experimentieren sie auf ganz unterschiedliche Weise mit KI-basierten Bildgeneratoren und auch analogen Mitteln, um unseren Blick zu schärfen auf die Konstruktion von Realität als gemachte Weltanschauung. Bis 27. Oktober ist die Schau in den Kunstsammlungen Chemnitz zu sehen. Einfallsreich und unterhaltsam, fand sie unsere Rezensentin.
- Die Kunstsammlungen Chemnitz erkunden seit Sonntag, wie neue digitale Mittel der Bildproduktion auch die Fotokunst verändern.
- In der Ausstellung unter dem Titel "Welt anschauen" experimentieren 30 Künstlerinnen und Künstler, darunter die Gruppe darktaxa, u.a. mit KI-basierten Bildgeneratoren.
- Bis 27. Oktober sind die digital erzeugten Fotografien und Installationen zu sehen.
Treppen, die in dunkle Räume münden, die über Steige und Stiegen führen und nicht enden wollen, das kennen wir aus verlassenen Häusern, aus unseren Albträumen oder der surrealen Malerei. Seltener aus der realistischen Fotografie, da Motive schwer zu finden sind. Die Künstlerin Corinna Schnitt präsentiert in den Kunstsammlungen Chemnitz nun gar eine 50teilige Treppen-Bildserie mit beklemmenden, real erscheinenden, Sichten. Tatsächlich setzte die Künstlerin jedoch KI ein, weshalb ihre Serie "Die Treppe" gut in der neuen Ausstellung hängt.
Was macht die Kunst in Zeiten von KI?
Unter dem Titel "Welt anschauen" geht es darin um die Möglichkeiten von Fotografie im digitalen Zeitalter, wie die Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz, Florence Thurmes, erklärt: "Fotografie ist traditionell ein Abbild der Realität und hat sich nun gewandelt bis hin zu Deep Fakes und dahin, dass man über digitale Bildproduktion sich eine ganz eigene Welt schaffen kann."
Mit diesem Momentum spielten die Künstlerinnen und Künstler, so Thurmes, auch um den Betrachterinnen und Betrachtern zu sagen: "Passt auf! Stimmt jetzt diese Treppe oder kann man die Treppe gar nicht benutzen?", erläutert Thurmes mit Blick auf Schnitts Treppen-Bildserie weiter.
Fotografie ist traditionell ein Abbild der Realität und hat sich nun gewandelt bis hin zu Deep Fakes und dahin, dass man sich digital eine ganz eigene Welt schaffen kann.
"Die Welt, wie sie mir gefällt"
"Ich mach' mir die Welt wie sie mir gefällt", das Motto gilt nicht nur für Pipi Langstrumpf sondern auch für Künstler-Persönlichkeiten so wie Joachim Blank, Professor für Medienkunst in Leipzig, er befragte für seine raumfüllende Installation die KI mit Fotos aus dem "Geo"-Magazin zum Thema Afrika. Natürlich tauchen die fünf Großtiere in Blanks ironisch-humoriger Arbeit auf, es zeigt sich zudem, dass "Geo" mit diversen Afrika-Klischees arbeitet – Voraussetzung für einen hohen Abverkauf. Haupt-Figur in Blanks Installation ist denn auch ein digitaler Affe, "den man auch navigieren kann", betont Kuratorin Sabine Maria Schmidt und freut sich schon auf die Reaktionen des Publikums.
Künstlergruppe darktaxa und das nicht ganz digitale Büro
Das digitale Zeitalter wirft Fragen wie diese auf: Wenn eine Maschine programmiert fotografiert, ohne Fotografen, ist das noch Fotografie zu nennen? Und was bitte ist ein KI-generiertes Bild? Fotografie – oder kann es auch Malerei sein? Diesen ernsthaften fotografischen Fragen stellt sich die Künstlergruppe darktaxa seit 2019. Im großen Oberlichtsaal in Chemnitz stellen 18 Künstlerinnen und Künstler in ihrer bislang größten Formation aus – in einem beeindruckenden, selbst entworfenen Display aus Gerüststangen.
Darktaxa bestreitet den Löwenanteil der präsentierten Arbeiten in der Schau. Auch der Leipziger Fotokünstler Björn Siebert gehört dazu. Siebert sammelt Fotos aus dem Netz und rekonstruiert sie analog. Das digitale Bild eines eher unspektakulären Büros hat er mit rund 6.600 kleinen gelben Merkzetteln beklebt, verfremdet und neu fotografiert.
Eigentlich sind wir Menschen ja nicht dazu gemacht, allzuviel aufnehmen zu können.
In 1,80 Meter mal 2,40 Metern zieht es nun merkzettelgelb und computerpixelig die Blicke in der Ausstellung auf sich. "Es heißt ja immer, alles Analoge müsse digitalisiert werden, damit es für die nachfolgenden Generationen abrufbar ist", sagt Siebert. Sein Weg sei aber ein anderer. "In dem Moment, in dem ich digitale Bilder rückschrittweise in analoge Bilder überführe, mache ich sie wieder sichtbar", erklärt der Fotograf seinen Ansatz, den er so begründet: "Eigentlich sind wir Menschen ja nicht dazu gemacht, den ganzen Tag über allzu viel aufnehmen zu können."
Gelungene Ausstellung: Unterhaltsam, einfallsreich und kritisch
Den Schlusspunkt dieser unterhaltsamen, einfallsreichen sowie kritischen Schau zum Thema digitale Bildwelten bildet der Herzschlag in einer Landschaftsfotografie von Juergen Staak: Ein politisch aufgeladener Ort, die Grenzregion zwischen Nord-und Südkorea, pulsiert in einem Sand-Fotobild zum Schlag eines menschlichen Herzens. "Mit einem Herzschlag wird das Bild in Vibration gebracht", weiß Kuratorin Sabine Maria Schmidt. Staak nutze dazu ein Verfahren, in dem er Bilder auf Sand drucke. "Sie zerfallen dann durch die Vibrationen im Laufe der Zeit zu Staub", so Schmidt.
Was heißen mag: Auch Bilder sind nicht für die Ewigkeit. Selbst wenn sie digital generiert wurden.
Angaben zur Ausstellung
Welt anschauen
Positionen aktueller Postfotografie und digitaler Bildkultur
28. Juli bis 27. Oktober 2024
Kunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1, 09111 Chemnitz
Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag, Feiertag: 11 bis 18 Uhr
Mittwoch: 14 bis 21 Uhr
Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann), Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Juli 2024 | 11:50 Uhr