Blick auf die winterliche Bergstadt Annaberg-Buchholz mit dem Weihnachtsmarkt und der St. Annenkirche, 2022
Annaberg-Buchholz kämpft wie viele andere Kommunen für mehr Aufmerksamkeit und eine bessere Finanzausstattung. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Nach der Bundestagswahl Kommunen befürchten Bedeutungsverlust im Bund

26. Februar 2025, 16:26 Uhr

"Berlin ist weit weg von den Problemen der Menschen vor Ort." Diese Kritik hört man immer wieder in Städten und Gemeinden. Nach der jüngsten Bundestagswahl sind die Befürchtungen vieler Kommunalpolitiker in Sachsen sogar noch größer geworden. Denn im Freistaat hat vor allem die Partei Mandate geholt, die in Berlin auf der Oppositionsbank und nicht in der Regierung sitzen wird. Rolf Schmidt, Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz, wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für die Sorgen der Kommunen.

- Die Kommunen haben zu wenig Gewicht in der Bundespolitik
- Es fehlt die ostdeutsche Sicht
- Es gibt immer mehr Aufgaben und Bürokratie

Viele Kommunalpolitiker in Sachsen fürchten, in Zukunft noch weniger Gehör in der Bundespolitik zu finden. Diese Gefahr sieht auch Rolf Schmidt, der Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz. Der Kommunalpolitiker der Freien Wähler sagte MDR SACHSEN: "Der Einfluss auf Bundesebene ist definitiv nicht größer geworden, vorsichtig formuliert. In den vergangenen Jahren haben wir schon wenig Gehör gefunden auf Bundesebene und das spiegelt sich dann halt auch in den Wahlergebnissen wieder."

Rolf Schmidt (M), Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz, spricht mit Amtskollegen aus dem Erzgebirge am im Rathaus in Annaberg-Buchholz, 2017
Rolf Schmidt (Freie Wähler), Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz, beklagt mangelndes Interesse und zu wenig Geld für die Kommunen. Bildrechte: picture alliance / Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa | Jan Woitas

Kommunalpolitiker könnten zwar über ihre Spitzenverbände Einfluss nehmen. "Aber ich bin selbst im Landesvorstand des SSG, das ist der Sächsische Städte- und Gemeindetag. Und selbst dort ist es immer schwieriger geworden, Gehör zu finden, schon alleine bei unserer Landesregierung. Die Sorgen und Nöte der Kommunen werden überhaupt nicht mehr wahrgenommen."

Rolf Schmidt (Freie Wähler), Bürgermeister der Stadt, steht auf dem Markt. 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas
1 min

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Mi 26.02.2025 15:57Uhr 00:35 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/annaberg-aue-schwarzenberg/audio-2875120.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Ostdeutsche Sichtweisen kommen nicht vor

Schmidt sieht hier vor allem die ostdeutschen Kommunen im Hintertreffen: "Es wird einfach ignoriert, dass wir eine andere Geschichte haben, dass hier andere Dinge Priorität haben, wenn man allein die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre oder seit der Wende betrachtet." Die großen Unternehmen befänden sich alle im Westen. Im Osten gebe es lediglich ein paar Niederlassungen.

Auf kommunaler Ebene passiert das Leben, also das ist der Kern der Gesellschaft!

Rolf Schmidt (Freie Wähler) Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz

"Wir haben uns rausgekämpft, mehr oder weniger als Osten, und sind irgendwo stehen geblieben." Das sei in den Ostkommunen vor allem bei den Finanzen spürbar. Dieses Problem sei in den vergangenen Jahren immer akuter geworden. Der größte Teil der Kommunen bekäme nicht einmal mehr den Haushalt aufgestellt. "Die Einnahmen aus Steuern und Schlüsselzuweisungen decken nicht mehr die Ausgaben, weil das immer mehr wird." Die Forderungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von acht Prozent mehr Lohn hält Schmidt für "absolut utopisch".

Außenansicht des Eduard-von-Winterstein-Theaters in Annaberg-Buchholz
Aufgaben wie die Finanzierung des Theaters in Annaberg-Buchholz werden für die Stadt immer schwieriger. Bildrechte: Dirk Rückschloß

Mehr Aufgaben - mehr Frust

Laut Oberbürgermeister Schmidt können die Kommunen ihre Pflichtaufgaben "so recht und schlecht" erledigen. "Es kommen immer mehr Auflagen, es kommen immer mehr Standards. Es wird alles immer schwieriger, die Bürokratie wird immer mehr. Und das merken die Menschen, dass dann für Dinge Geld fehlt oder Dinge nicht gemacht werden können. Und das haben alle satt." 

Das merken die Menschen, dass dann für Dinge Geld fehlt oder Dinge nicht gemacht werden können. Und das haben alle satt.

Rolf Schmidt (Freie Wähler) Oberbürgermeister Annaberg-Buchholz

Schmidt hat den Eindruck, die Probleme auf der kommunalen Ebene würden in der "großen Politik" kaum wahrgenommen. "Aber auf kommunaler Ebene passiert das Leben, also das ist der Kern der Gesellschaft!" Wenn man Politik im Radio oder Fernsehen verfolge, habe man manchmal den Eindruck, "Die beschäftigen sich nur mit sich selbst. Und das macht mich manchmal wütend."

Nur wenig Bundestagsabgeordnete der Regierungsparteien

In Chemnitz und den vier umliegenden Landkreisen sind alle Direktmandate an die AfD gegangen, nur zwei CDU-Abgeordnete ziehen über die Landesliste in den Bundestag ein und können sich in einer kommenden Bundesregierung einbringen. Viele Kommunalpolitiker fürchten deshalb, dass ihre Interessen in der nächsten Bundesregierung kaum vertreten werden.

Mehr zum Thema

MDR (mwa)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 26. Februar 2025 | 15:30 Uhr

Mehr aus Annaberg, Aue und Schwarzenberg

Mehr aus Sachsen

Frauenkirchenchor 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Schnupperstudium 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK