Was bleibt nach dem Tod? Ein Ja zum Leben mitten im Sterben
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29. März 2024, 13:33 Uhr
Wer einen lieben Menschen verliert, steht plötzlich vor den großen Fragen von Karfreitag und Ostern: Was bleibt nach einem schmerzhaften Tod – und gibt es Hoffnung? Zwei Frauen aus dem Erzgebirge haben ihre eigenen Antworten gefunden. Und begleiten Menschen auf ihrem allerletzten Weg.
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In der Schachtel steckt seine letzte Zigarette, sein Handy funktioniert noch, sein Rasierwasser duftet. Gabriele Pinther wiegt es in der Hand. All das ist noch da. Nur Christoph fehlt, ihr Mann. Lange Haare, Schnauzbart, er liebte Metallica und Bagger. Er ist tot. Gestorben an Krebs, drei Tage vor seinem 55. Geburtstag.
Gabriele Pinther schaut in den braunen Koffer, der mit Erinnerungen gefüllt ist. Da ist Schmerz, Trauer. Auch 13 Jahre später. Aber da ist noch etwas: "Dankbarkeit", sagt sie. Gegen alle Wahrscheinlichkeit. "Das Sterben meines Mannes hat mich wieder in die Gemeinde zurückgebracht und auch wieder in den Glauben. Das ist Ostern für mich."
Wenn zur Trauer die Angst kommt
Eigentlich sprach vieles dagegen. Als damals selbstständige Buchhändlerin im erzgebirgischen Lauter kam nach dem Tod ihres Mannes zur Trauer die Angst um die wirtschaftliche Existenz. Alles hätte zusammenbrechen können. Doch es kam anders. Gabriele Pinther fühlte sich getragen. Von Menschen an ihrer Seite. "Und ich hab zurückgefunden zu Gott", sagt sie, nach einer zehnjährigen Phase, in der ihr Gott sehr fremd geworden war.
Seit dieser Zeit begleitet die heute 64-jährige Kauffrau selbst Menschen auf dem letzten Weg ihres Lebens. Ehrenamtlich in der Hospizgruppe Zion in Aue. "Die Osterbotschaft ist für mich in meinem Leben." Für Gabriele Pinther ist das ganz konkret: Wenn sie am Bett von Sterbenden sitzt, eine Hand hält, einen Arm streichelt, ein Lied singt. Sie will ihren Osterglauben niemandem überstülpen. "Aber ich frage immer, wenn ich gehe: Darf ich mit Ihnen ein Vaterunser beten?" Keiner der Sterbenden, sagt sie, habe das bisher abgelehnt.
Den Verstorbenen geht es gut, wo sie jetzt sind
Auch ein Sofa kann eine Ostergeschichte erzählen. Es steht in einer Ecke im Café des Schneeberger Werkhauses. Wenn Bianca Leucht hier auf Arbeit ist, sieht sie manchmal noch ihren Vater auf dem Sofa sitzen: in eine Decke gewickelt, manchmal schlafend, manchmal mit den Gästen redend. Immer mit einem Teddy. Es waren seine letzten Wochen, mitten im Leben. Und nah bei seiner Tochter. "Die Menschen, die gegangen sind, sie sind jetzt schmerzfrei, denen geht's gut, wo sie sind", das ist die Osterhoffnung für die 54-Jährige.
Die Pflicht zur Vergebung
Die letzte Zeit mit ihrem Vater – "es war die beste Zeit, die sie miteinander hatten", sagt sie. Ganz anders als in ihrer Kindheit und Jugend, als ihre Eltern die DDR verließen. Und sie mit 18 Jahren allein zurückblieb.
"Ich bin froh darüber, dass Jesus die Schuld auf sich genommen hat und wir damit auch unsere Schuld abladen können", das ist für Bianca Leucht der tiefere Sinn der biblischen Geschichte vom Tode Jesu am Kreuz und seiner Auferstehung. "Und ich denke auch, dass wir Menschen verpflichtet sind, anderen zu verzeihen und zu vergeben – dadurch geht's uns selbst auch besser."
Lachen mit Sterbenden
Bianca Leucht lacht gern. Und viel. Trotz der Trauer. Und trotz ihres Ehrenamts im Hospizdienst der freikirchlichen Herr-Berge in Zschorlau. Manchmal auch deswegen. Sie kann einstimmen in das Lachen jener Frau, die sich nur noch einmal im Bett aufrichten will, um zum letzten Mal die Bäume und den Himmel zu sehen. Oder wenn sie einer Sterbenden den Wunsch erfüllen kann, noch einmal ein Eis zu schmecken. "Auf jeden Fall kann man mit Sterbenden auch lachen", das weiß Bianca Leucht. Und diese Wärme kommt dann in ihr eigenes Leben zurück.
Die Trauer bleibt – und auch die Sonne
Gabriele Pinther öffnet ein Fenster im ehrwürdigen Backsteinbau der Diakonissenanstalt in Aue. Hier in dieses Zimmer wurde sie als Ehrenamtliche des Hospizdienstes gerufen. Es war ein Ostersonntag, gerade waren ihre Kinder nach Hause gefahren. Eine Frau lag im Sterben.
Sie war nicht mehr ansprechbar. Gabriele Pinther summte leise Lieder, betete für sie, las aus der Bibel vor. Die Frau sei ganz ruhig geworden. Dann sperrte sie das Fenster weit auf.
"Die letzten Aprilsonnenstrahlen drangen herein, die Vögel zwitscherten", erinnert sich Gabriele Pinther, "das war für mich die Osterbotschaft: Gottes großes bedingungsloses Ja zum Leben mitten in Sterben und Tod." In diesem Moment konnte sie es fast mit Händen greifen.
Die Trauer bleibt und auch der Schmerz – für Gabriele Pinther wie für die Menschen und ihre Angehörigen, die sie begleitet. Doch hört die Geschichte für sie damit nicht auf, sondern fängt neu an.
MDR (ama,cnj)