08.12.2019 | 19:00 Uhr Wem gehört welches Steigerlied?
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08. Dezember 2019, 19:00 Uhr
Seit die RAG-Stiftung aus Essen das traditionsreiche Steigerlied zum Kulturerbe Deutschlands machen will, trommeln die sächsischen Bergleute für ihre Textfassung. Denn das Lied wurde zuerst im Erzgebirge veröffentlicht.
Im der frischgebackenen Welterberegion Erzgebirge regt sich Widerstand dagegen, dass die RAG-Stiftung aus Essen ungefragt das "Steigerlied" zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands machen will. Den Vorschlag der Stiftung aus Nordrhein-Westfalen, die sich mit der Beseitigung der Folgen des Steinkohlenbergbaus an Ruhr und Saar befasst, finden die Sachsen prinzipell richtig. Allerdings bestehen sie darauf, dass hier im Erzgebirge die Wurzeln des bekannten Bergmannsliedes liegen. Daher solle auch die hier gebräuchliche Textfassung zum Kulturerbe erklärt werden.
RAG-Stiftung Die RAG-Stiftung wurde 2007 von RAG Aktiengesellschaft (ehemals Ruhrkohle AG) und Evonik Industries mit einem Stiftungskapital von 2,0 Millionen Euro gegründet. Stiftungszweck ist die Beseitigung der Folgen des Steinkohlenbergbaus an Ruhr und Saar. Dazu gehören auch die Finanzierung so genannter Ewigkeitskosten wie Grundwasserreinigung, Poldermaßnahmen und Grubenwasserhaltung in den betroffenen Gebieten. Auch die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur in den Bergbauregionen des Ruhrgebiets und des Saarlandes gehören zu den Aufgaben der Stiftung. RAG-Stiftung
Kein Zoff, aber klare Standpunkte
Udo Brückner, Mitglied im Vorstand des sächsischen Landesverbandes der Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine, reagiert zurückhaltend auf den Vorstoß aus Essen. Doch er verteidigt den sächsischen Standpunkt zur Steigerlied-Herkunft.
"Zoff gibt es keinen, das muss ich vorab sagen. Aber der Auslöser für unsere Reaktion ist, dass das Ruhrgebiet den Antrag gestellt hat, den erzgebirgischen Steigermarsch zum immateriellen Kulturerbe zu erklären. Das ist grundsätzlich erst mal richtig und soll auch so sein. Bei uns in den Vereinen möchte man aber, dass man den ältesten überlieferten Text eintragen soll und nicht regional bedeutende Ausführungen." Natürlich habe jede Bergbauregion unterschiedliche Textvarianten geschaffen. "Aber wenn es um das immaterielle Kulturerbe geht, dann sollte die Urfassung dort eingetragen sein." Allerdings wolle man keine Konfrontation mit den Kohlekumpeln aus dem Ruhrgebiet. "Ein Streit ist hier völlig fehl am Platz. Es geht darum, miteinander zu kommunizieren und dann eben das richtige Steigerlied zum immateriellen Kulturerbe zu machen."
Das Steigerlied (Erzgebirge)
Glück auf, Glück auf ! Der Steiger kommt,
und er hat sein helles Licht bei der Nacht,
und er hat sein helles Licht bei der Nacht
schon angezünd‘t, schon angezünd‘t.
Hat’s angezünd‘t, es gibt ein Schein,
und damit so fahren wir bei der Nacht,
und damit so fahren wir bei der Nacht
ins Bergwerk ein, ins Bergwerk ein.
Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut‘ sein,
die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht,
die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht
aus Felsgestein, aus Felsgestein.
Aus Felsgestein graben sie das Gold,
und dem schwarzbraunen Mägdelein, bei der Nacht,
und dem schwarzbraunen Mägdelein, bei der Nacht,
dem sein sie hold, dem sein sie hold.
Und kehr‘ ich heim zu dem Mägdelein,
dann erschallt des Bergmanns Gruß bei der Nacht,
dann erschallt des Bergmanns Gruß bei der Nacht,
Glück auf, Glück auf, Glück auf, Glück auf!
Das Steigerlied (Ruhrgebiet)
Glück auf, Glück auf ! Der Steiger kommt,
und er hat sein helles Licht bei der Nacht,
und er hat sein helles Licht bei der Nacht
schon angezünd‘t, schon angezünd‘t.
Hat’s angezünd‘t, es gibt einen Schein,
und damit so fahren wir bei der Nacht,
und damit so fahren wir bei der Nacht
ins Bergwerk ein, ins Bergwerk ‘nein.
Ins Bergwerk ‘nein, wo die Bergleute sein,
die da graben das feinste Gold bei der Nacht,
die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht
aus Felsenstein, aus Felsenstein.
Der eine gräbt das Silber, der andre gräbt das Gold.
Doch dem schwarzbraunen Mägdelein, bei der Nacht,
Doch dem schwarzbraunen Mägdelein, bei der Nacht,
dem sein sie hold, dem sein sie hold.
Ade, nun Ade! Herzliebste mein!
Und da drunten im tiefen, finstren Schacht bei der Nacht,
Und da drunten im tiefen, finstren Schacht bei der Nacht,
da denk ich dein.
Und kehr‘ ich heim zum Liebchen mein,
dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht,
dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht,
Glück auf, Glück auf, Glück auf, Glück auf!
(Die Unterschiede zur erzgebirgischen Version sind hervorgehoben.)
Schriftliche Quellen verweisen auf das Erzgebirge
Einige Strophen des späteren Steigerliedes sind bereits 1531 im Zwickauer Liederbuch "Bergreihen" zu finden. Als ganzes Lied wurde es in einer Schneeberger Festschrift 1678 anlässlich des Besuches von Kurfürst Johann Georg in der Bergstadt veröffentlicht. Als eigenständiges Werk ist das Steigerlied erst um 1700 im Freiberger "Bergliederbüchlein" veröffentlicht.
Wahrscheinlich haben die erzgebirgischen Bergleute selbst für die große Verbreitung des Steigerliedes gesorgt. Bergmusikanten zogen seinerzeit durchs Land und sorgten dafür, dass Bergleute in anderen Landesteilen das Lied kennenlernten.
Heute wird das Steigerlied in den anderen Bergbauregionen Deutschlands, wie dem Ruhrgebiet, gesungen. Im Saarland gilt es sogar als inoffizielle Landeshymne. In der Neuzeit hat es das Lied auch in die Fußballstadien geschafft. Beim FC Erzgebirge Aue wird es ebenso gesungen wie beim FC Schalke 04 oder Rot-Weiss-Essen.
Über die Aufnahme in die Liste des immateriellen deutschen Kulturerbes entscheiden die Kultusminister in einem mehrstufigen Verfahren frühestens im Dezember 2020.
Quelle: MDR/tfr
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSENSPIEGEL | 08.12.2019 | 19:00 Uhr