Oberlausitzer Wörter des Jahres Tschiepl und Omsen in der Oberlausitz: "Manche denken, ich wäre Amerikaner"
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22. August 2024, 19:57 Uhr
In der Oberlausitz wurde der "Tag der Oberlausitz" gefeiert. Anlässlich des Festtages ist auch das Oberlausitzer Wort des Jahres 2024 in Spitzkunnersdorf bekanntgegeben werden. MDR SACHSEN hat sich bei einem Spitzkunnersdorfer Urgestein eine Hörprobe eines des interessantesten Dialektes Deutschlands abgeholt.
- Das sind die Top 3 der Oberlausitzer Wörter des Jahres.
- Ein Skisprung-Trainer pflegt die Oberlausitzer Mundart und beherrscht sie perfekt.
- Der Oberlausitzer Mundart-Forscher Hans Klecker aus Obercunnersdorf gibt Tipps für die richtige Aussprache.
In Spitzkunnersdorf sind die Oberlausitzer Wörter des Jahres 2024 bekannt gegeben worden. Sie stehen unter dem Motto "Haustiere und heimische Wildtiere". "Mit großem Abstand haben die Tschiepl, das sind die Küken, den ersten Platz gewonnen", sagte der Mundartsprecher Hans Klecker MDR SACHSEN. Und das sind die Top 3 im Überblick:
1. Tschiepl (auch Tschippl, Schiebl oder Schippl) = Küken
2. das Huntschl, die Huntschln = kleine/s Ferkel
3. Omsn/Seechomsn = Ameisen, Ameisen, die Ameisensäure verspritzen.
Das Wort Omsn (mit langem O) stamme aus dem Germanischen, erklärte Klecker vom ausrichtenden Verband der Wörtersuche, dem Lusatia-Verband. "Und das Wort Huntschl kennt auch jeder in der Oberlausitz".
In Spitzkunnersdorf kennt sich auch Friedhart Seidel aus. Der 73 Jahre alte Mann steigt auf einen Hügel neben der Forstenschanze in Spitzkunnersdorf. Hier trainiert der ehemalige Skispringer immer noch den Nachwuchs, heute soll es aber um etwas anderes gehen: die Oberlausitzer Mundart, also den Dialekt des Berglandes im Süden der Oberlausitz.
"Hier gibt es einen Stein mit einem Gedicht über unser Dorf - Spitzkunnerschdorf", erklärt er, als er auf der Erhöhung angekommen ist. Dabei gurgelt er das R wie in der Oberlausitzer Mundart üblich. "Manche Leute denken, ich wäre Amerikaner", sagt er und lacht.
Liebeserklärung an Spitzkunnersdorf
Dann liest er einige Zeilen aus dem Gedicht "Mei Durf", einer Liebeserklärung an Spitzkunnersdorf, die in Mundart verfasst wurde:
"Iech kenn a Durf, am Toale leit’s, vu Bargn eigeseent.
A schinnersch hoa’ch no ne gesehn, denn’s is ja meine Heemt.
Dort is merr jeder Waajg bekannt, wu’ch schinn oals Kind bie rimgerannt", liest Seidel und das R gurgelt.
Seidel kann sich mit dem Gedicht identifizieren. Der gebürtige Spitzkunnersdorfer ist sein ganzes Leben in dem Ort geblieben. Vor allem die Zeilen des Refrains findet er passend: "Und wenn'd mer tausend Toaler gäbst, nee, iech bleib a meener Heemt."
Mundart-Dichter gibt Übungstipp
Wie der Mundart-Dichter und -Forscher Hans Klecker aus Obercunnersdorf im Gespräch mit MDR SACHSEN erklärt, haben Siedler aus Rheinhessen und Franken das Oberlausitzer "R" vor 800 Jahren mitgebracht. "Die Zunge wird oben an den Gaumen gedrückt und hinten im Hals wird es ausgesprochen", gibt Klecker eine Anleitung zum Üben nebst einem passenden "rollenden" Satz: "Durch Ruppersdurf kimmt a Storch durchs Durf durch"...
Tag der Oberlausitz am 21. August
Die Heimat hochleben lassen wie Hans Klecker und Friedhart Seidel kann man auch beim Tag der Oberlausitz am Mittwoch und der damit verbundenen Festtage vom 10. bis 25. August: Veranstaltungen von Kultur- und Heimatvereinen, Volkskunstgruppen und Chören, Heimatkundlern und Kulturschaffenden sollen die historische und kulturelle Vielfalt der Oberlausitz zeigen.
Aber was ist eigentlich die Oberlausitz und wie grenzt man sie ab von Niederschlesien und der Niederlausitz? Diese Fragen beantwortet am 21. August in einem Vortrag der Historiker und Oberlausitz-Experte Dr. Volker Dudeck im Schloss Krobnitz in dem Vortrag "Alles Lausitz oder Niederschlesien oder was? - Entwirrung eines Wirrwarrs".
Stirbt die Mundart aus?
Wer Friedhart Seidel zuhört, kann einige Wörter entdecken, die für ihren originellen Klang einen Preis verdient hätten: "Brotabern" für "Bratkartoffeln zum Beispiel oder "Roaber" für Schubkarre. Dass die jungen Leute in seinem Dorf immer weniger Oberlausitzer Mundart sprechen, bedauert Seidel, und blickt ernst von dem Hügel in Richtung Spitzkunnersdorf. Er findet es deshalb gut, dass es inzwischen Mundartgruppen gibt, die versuchen den Dialekt seiner Heimat zu erhalten. "Die Mundart gehört dazu in der Region und das sollte man schon erhalten", findet er.
MDR (jwi/wim)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 21. August 2024 | 08:18 Uhr