
Oberlausitz Die Mahd beginnt: Drohnenpiloten bereit, um Rehkitze zu retten
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01. Mai 2025, 11:00 Uhr
Wenn im Frühling die Wiesen gemäht werden, dann beginnt auch für die Mitglieder der Rehkitzrettung Am Großen Stein e. V. die Arbeit. Frühmorgens, eigentlich noch nachts, fliegen sie mit ihren Drohnen über die zu mähenden Wiesen und halten nach Rehkitzen Ausschau. Im hohen Gras werden diese sonst beim ersten Grünschnitt, der Mahd, übersehen, was zu tragischen Unfällen führt.
Es ist ein sonniger Frühlingstag, die Vögel zwitschern, eine Drohne surrt. Etwa 20 Menschen haben sich auf einem Wanderparkplatz bei Seifhennersdorf versammelt, aus Interesse an Naturschutz und Drohnefliegen, aber vor allem an der Arbeit der Rehkitzrettung Am Großen Stein e. V. Der Verein hat zum öffentlichen Pilotentraining eingeladen.
Wie die Arbeit als Rehkitzretter aussieht
Vereinsvorsitzender Andreas Schäfer begrüßt am Wiesenrand die Gruppe, Groß und Klein werden mit einem herzlichen Händedruck begrüßt. Auch sein Stellvertreter Fabian Krems und weitere junge Frauen und Männer stehen bereit, um von ihrer Arbeit als Drohnenpiloten zu berichten.
Von Anfang Mai bis Ende Juni sind die Oberlausitzer Rehkitzretter auf den Wiesen und Feldern der Region unterwegs. Andreas Schäfer zeigt auf einem Bildschirm Fotos von den Einsätzen der letzten Jahre. Gespannt lauscht die Gruppe seinen Erzählungen.
Unterdessen bereiten die anderen Drohnenpiloten ihre Drohnen für den Testflug vor. Dabei werden Späße gemacht und technisches Wissen ausgetauscht.
Hunde können Rehkitze nicht aufspüren
Frühmorgens treffen sich die Drohnenpiloten an der Wiese mit der sogenannten Bodencrew. Über Telefon kommunizieren sie miteinander. Der Drohnenpilot fliegt die Wiese ab und leitet die Bodencrew an den Ort, an dem die Rehkitze liegen.
Ohne Wärmebildkamera an der Drohne ist das Auffinden der Rehkitze fast unmöglich. "Man kann teilweise ein bis anderthalb Meter vor so einem Kitz stehen und man sieht es einfach nicht", erzählt Andreas Schäfer. Da Rehkitze keinen Eigengeruch besitzen, finden auch Hunde sie nicht im hohen Gras. Die Entwicklung der Drohne ist deshalb ein riesiger Gewinn.
Mit Handschuhen und einem Kescher werden die Kitze dann eingefangen, in eine spezielle Box gelegt und an einen ruhigen Ort gebracht. Ist der Bauer mit dem Mähen fertig, gibt er der Crew Bescheid. Erst dann wird das Rehkitz wieder freigelassen.
Warum liegen Rehkitze im hohen Gras?
Junge Rehkitze werden im Frühling oft im hohen Gras geboren und von der Ricke, ihrer Mutter, dort in Sicherheit gewähnt. Da sie in den ersten Lebenswochen keinen Fluchtinstinkt besitzen, verharren sie im Feld - auch wenn ein Mähdrescher auf sie zukommt.
Wie Sebastian, ebenfalls ein Gründungsmitglied, erzählt, sind Bauern dazu gesetzlich verpflichtet, vor dem Mähen die Wiesen auf Rehkitze zu kontrollieren. Wie das allerdings umgesetzt wird, ist nicht genau festgelegt. So werden ohne die Drohnen noch immer viele Rehkitze übersehen.
Flexibel und spontan zur Stelle
Drohnenpilot Alexander erzählt, dass man flexibel und spontan sein muss. Die Einsätze hingen auch immer vom Wetter ab. Es könne also durchaus vorkommen, dass ein Einsatz erst am Abend davor feststeht.
Die Oberlausitzer Drohnenpiloten ernten bewundernde Blicke von den Besuchern. Dafür, wie viel Zeit sie in das Ehrenamt stecken und vor allem dafür, dass sie an den Einsatztagen mitten in der Nacht aufstehen. Gegen 2 oder 3 Uhr morgens geht es aus den Federn und danach, gegen 7.30 Uhr zum eigentlichen Job.
Das zeitige Aufstehen sei tatsächlich die größte Herausforderung, erzählen die Vereinsmitglieder. Vor allem, wenn man mehrere Tage am Stück nachts raus musste, sei man ganz schön ausgelaugt. Auch deshalb wünschen sie sich weitere Unterstützung.
2022 90 Rehkitze gerettet, 2024 schon 239
2021 haben Andreas Schäfer und seine Mitstreiter den Verein gegründet. Die Unfälle mit überfahrenen Rehkitzen sei ihm schon immer sehr nah gegangen, erzählt der hauptberufliche Kfz-Mechaniker. Als das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine Drohnenförderung für die Rehkitzrettung bekannt gab, nutzen sie das, um ihren Verein zu gründen. Eine Drohne kostet immerhin etwa 7.000 Euro. Etwas mehr als die Hälfte steuert der BMEL bei.
Seitdem wird der Verein von Jahr zu Jahr zu mehr Einsätzen gerufen. In ihrer ersten Saison 2022 retteten sie 90 Rehkitze, 2024 waren es schon 239. "Wir werden jedes Jahr besser, wie ein guter Wein", witzelt Andreas Schäfer. Insgesamt 5.044 Hektar Wiesen sind die Drohnenpiloten 2024 abgeflogen.
Die größten Herausforderungen und schönsten Momente
"Es ist schön draußen zu sein, was mit Gleichgesinnten zu machen, an einem Strang zu ziehen", beschreibt Magdalena. Sie ist Drohnenpilotin bei den Rehkitzrettern und schon seit der ersten Saison mit dabei. Auf einer Feier wurde sie auf den Verein aufmerksam gemacht.
In ihrer Freizeit ist sie schon Drohne geflogen. Das für einen guten Zweck zu machen, ist für sie was ganz Besonderes. "Wenn man dann wirklich ein Rehkitz vor der Kamera entdeckt, ist es unbeschreiblich", schwärmt die Gemeindepädagogin.
Rehkitzrettung - Wie kann man den Verein unterstützen?
Wer bei der Rehkitzrettung mithelfen möchte, kann sich über die Webseite des Vereins rehkitzol.de anmelden.
Es werden sowohl Drohnenpiloten gesucht, als auch Leute für die Bodencrew. Es ist keine Voraussetzung, schon Drohne fliegen zu können.
Auch stille Mitglieder können den Verein in ihrer Arbeit durch den Mitgliedsbeitrag und Spenden unterstützen.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 28. April 2025 | 14:30 Uhr