Syrische Flüchtlingsfamilie in einem Lager
Das seit Mai geltende Integrations- und Teilhabegesetz schreibt vor, dass Landkreise einen hauptamtlichen Ausländerbeaufragten einsetzen müssen. (Symbolbild) Bildrechte: imago/epd

Nach AfD-Antrag Bautzen: Kreistagsbeschluss zur Abschaffung des Ausländerbeauftragten unzulässig

23. August 2024, 12:40 Uhr

Der Landkreis Bautzen darf die Stelle der Ausländerbeauftragten nicht abschaffen. Das teilte das sächsische Sozialministerium mit. Zuvor hatte der Kreistag einem entsprechenden AfD-Antrag mehrheitlich zugestimmt.

Der Landkreis Bautzen darf die Stelle der Ausländerbeauftragten nicht abschaffen. Wie das sächsische Sozialministerium auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilte, ist der entsprechende Kreistagsbeschluss vom Montag unzulässig.

Auf Antrag der AfD hatte der Kreistag am Montag mit Stimmen weiterer Parteien entschieden, die Stelle der Ausländerbeauftragten zu streichen. Die Kreisräte stimmten mit 47 zu 30 Stimmen für die Abschaffung des Postens. Sieben Personen enthielten sich. Die AfD-Fraktionsvorsitzende hatte eine geheime Wahl beantragt, "damit die Kreisräte nach ihrem Gewissen abstimmen können".

Kreistag Bautzen
Der Kreistag Bautzen hat den AfD-Antrag zur Abschaffung des Ausländerbeauftragten in geheimer Abstimmung behandelt. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Stefan Schmidt

Sozialministerium schiebt Riegel vor

Das sächsische Sozialministerium hält diesen Vorgang für unzulässig und bestätigt MDR SACHSEN, dass es im Landkreis Bautzen weiter einen Beauftragten für die Belange von Ausländerinnen und Ausländern geben muss. Die Rechtslage sei klar, so das Ministerium. Das neue sächsische Integrations- und Teilhabegesetz schreibe vor, dass der Posten hauptamtlich besetzt werden muss. "Es ist falsch zu behaupten, dass die Aufgabe des Ausländerbeauftragen durch die Streichung in der Landkreisordnung entfallen ist", hieß es in der Antwort.

Die AfD hatte sich bei ihrem Antrag auf eine Änderung in der Sächsischen Landkreisordnung berufen, die keinen Ausländerbeauftragten mehr vorsieht. Das heißt aber nicht, dass es keinen mehr geben soll – es ist jetzt nur in einem anderen Gesetz geregelt.

Landkreis widerspricht Ministerium

Am Freitagmittag bezog der Landkreis in einer Mitteilung Stellung zur Thematik und widersprach der Auffassung des Sozialministeriums. Das Gesetz "formuliert keine Verpflichtung, sondern überlässt die Entscheidung, einen Beauftragten zu bestellen, dem Kreistag", teilte das Landratsamt mit. Anderenfalls hätte das Sächsische Integrations- und Teilhabegesetz eine andere Formulierung treffen müssen. Außerdem hätte es Regelungen zur Finanzierung der Stelle beinhalten müssen, hieß es.

"Uns liegen diesbezüglich keine weitergehenden Mitteilungen oder Weisungen seitens des Ministeriums vor", sagte Landrat Udo Witschas (CDU). Auch in Bezug auf den Kreistagsbeschluss gebe es bislang keine offizielle Reaktion. Diese Arbeitsweise des Ministeriums sei "verwunderlich, wenn für ein seit Mai gültiges Gesetz die notwendige Verordnung noch nicht beschlossen ist und damit die Landkreise in wesentlichen Fragen im Unklaren gelassen werden", so der Landrat.

Udo Witschas
Landrat Udo Witschas will widerspricht der Auffassung des Sozialministeriums. Bildrechte: IMAGO / Steffen Unger

Kosteneinsparung als Argument

Das seit Mai geltende Integrations- und Teilhabegesetz schreibt vor, dass Landkreise einen hauptamtlichen Ausländerbeaufragten einsetzen müssen. Diese sollen sich um die Integration von Migrantinnen und Migranten kümmen, Zugezogene beraten und Hilfe anbieten, falls Menschen aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert werden. Die AfD argumentierte, dass der Freistaat diesen Posten dann auch bezahlen müsse, deswegen könne der Landkreis die Stelle jetzt streichen und so Geld einsparen.

Abschaffung nur in Ausnahmefällen möglich

Diese Begründung der AfD lässt das Sozialministerium allerdings nicht gelten. Die Vorschrift im Landesgesetz sei eine "Soll-Vorschrift" und lasse Abweichungen nur in begründeten Ausnahmefällen zu. "Ob der behauptete Einsparungseffekt in der Sache überhaupt erreicht wird und wenn ja, ob damit ein begründeter Ausnahmefall vorliegt, bedarf der aufsichtsrechtlichen Prüfung", so das Ministerium.

Laut Ministerium soll die Verordnung in den kommenden Wochen veröffentlicht werden. Über die bereits existierende sogenannte Kommunalpauschalenverordnung werden den Landkreisen jetzt bereits jetzt Gelder für Integrationsleistungen gezahlt, von denen auch ein Ausländerbeauftragter bezahlt werden könnte.

AfD ist stärkste Fraktion im Kreistag

In dem im Juni neu gewählten Kreistag ist die AfD mit 32 Stimmen die stärkste Fraktion. Die CDU stellt 25 und die Freien Wähler zehn Kreisräte. Für das Bündnis Wagenknecht sitzen acht Räte im Kreistag, für die SPD sechs, für Grüne und Linke sowie das Bündnis Oberlausitz/Freie Sachsen jeweils drei sowie für die FDP zwei Räte.

Landrat Udo Witschas lehnt Interview zum Thema ab

Bislang unklar ist nach Informationen von MDR SACHSEN, was nun mit der aktuellen Ausländerbeauftragten Anna Piętak-Malinowska passiert. Nach Angaben des Landratsamtes in Bautzen werden die personellen Konsequenzen nach dem Kreistagsbeschluss jetzt geprüft. Das Amt betonte, dass die mit der Ausländerbeauftragten verbundenen Aufgaben weiter erfüllt würden. Migranten erhielten beim Ausländeramt und im Willkommenszentrum weiter Beratung und Hilfe. Die Anfrage für ein Interview zum Thema lehnte der Landrat Udo Witschas allerdings ab.

Geschäftsführerin von "Willkommen in Bautzen" ist schockiert

Astrid Riechmann, die Geschäftsführerin des Vereins "Willkommen in Bautzen" sah die ursprüngliche Entscheidung des Kreistags sehr kritisch. "Die Ausländerbeauftragten in den Landkreisen sind als unabhängige Stelle auch in den Fachämtern sehr wichtig." Dass gleich in der ersten Sitzung des neuen Kreistages der Posten der Ausländerbeauftragten abgeschafft wurde, schockiere sie sehr. "Das Signal in die Verwaltung lautet jetzt: Wir machen nur noch das allernötigste an Unterstützung für Ausländer", sagte Riechmann. Sie befürchtet, dass Integration nun noch stärker von ehrenamtlichem Engagement abhängt. Riechmann engagiert sich in der Flüchtlingshilfe, organisiert Dolmetscher und Deutschkurse für Zugewanderte.

Das Signal in die Verwaltung lautet jetzt: Wir machen nur noch das allernötigste an Unterstützung für Ausländer.

Astrid Riechmann Geschäftsführerin des Vereins "Willkommen in Bautzen"

Ausländerbeauftragter hält Beratung für unverzichtbar

Der Sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (CDU) hält Beratung für Migranten – dazu gehören auch die Polen, die in der Lausitz arbeiten - unverzichtbar für die Integration. "Die Arbeit der Ausländer- und Integrationsbeauftragten war und ist wichtig für Sachsen und seine Kommunen. Integrationsarbeit muss vor Ort geschehen. Dafür bedarf es der Beauftragten, die die Belange der Migrationsgesellschaft auf kommunaler Ebene aufnehmen und spiegeln", so Mackenroth.

MDR (mak/tom/ben)

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport Bautzen | 22. August 2024 | 16:30 Uhr

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