Ein Mann sitzt an einem Tisch, nur die Hände sind zu sehen.
MDR SACHSEN hat sich mit dem Mann getroffen, dessen Aussage zum Rechtsstreit zwischen einer Baufirma und einem Recherchekollektiv geführt hat. Er will anonym bleiben und hat deshalb auch nicht vor Gericht ausgesagt. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Rechtes Gedankengut Ex-Mitarbeiter von Hentschke Bau: "Die Situation hat mich wirklich schockiert"

02. April 2024, 06:00 Uhr

Das Dresdner Landgericht entscheidet diesen Freitag in einem Rechtsstreit zwischen einer Oberlausitzer Baufirma und einem Recherchekollektiv. Stein des Anstoßes ist die in einer Publikation veröffentlichte Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters über ein Gespräch, das sich im Pausenraum des Unternehmens abgespielt haben und rechtes Gedankengut belegen soll. Die Baufirma weist die Aussage als unwahr zurück, zweifelt die Existenz des Mannes an. MDR SACHSEN hat sich mit dem Ex-Mitarbeiter getroffen. Er steht zu seinen Aussagen.

Die Situation damals habe ihn wirklich schockiert, sagt Maik S.* "Da sagt jemand, dass er eine bestimmte Personengruppe vergasen will. Und es gab keine Widerworte von den Anwesenden. Alle hatten es deutlich gehört." Was der ehemalige Mitarbeiter der Firma Hentschke Bau aus Bautzen MDR SACHSEN beschreibt, ist zunächst ein Fallbeispiel für ein sogenanntes Policy Paper des Demokratieforschungsinstituts EFBI an der Universität Leipzig geworden und aktuell Teil eines Rechtsstreites zwischen Hentschke Bau und den Autoren der Publikation.

Da sagt jemand, dass er eine bestimmte Personengruppe vergasen will. Es gab keine Widerworte von den Anwesenden.

Ex-Mitarbeiter von Hentschke Bau

Das Paper des EFBI-Instituts der Uni Leipzig beschäftigt sich mit der rechten Einflussnahme von Unternehmen und zitiert Maik S.' Schilderungen wie folgt: "Im Pausenraum wurde durch ein[en] Gabelstaplerfahrer vom Vergasen geredet und rechtsradikale Positionen geäußert. Kein Widerspruch in dem […] kleinen Pausenraum. Die circa 15 Mitarbeiter im Raum haben sich scheinbar durch die Äußerungen nicht gestört gefühlt." Die Publikation stützt sich hierbei auf ein Interview des linken Recherchekollektivs "15 Grad Research", das bei der antifaschistischen Vereinigung VVN-BdA angeschlossen ist.

Papier liegt auf einem Tisch
Im EFBI-Policy Paper beschreibt der Ex-Mitarbeiter, dass in einem Pausengespräch bei Hentschke Bau rechtsradikale Positionen geäußert worden seien. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Den von "15 Grad Research" recherchierten Vorfall im Pausenraum weist die Hentschke Bau GmbH sowohl auf Anfrage von MDR SACHSEN als auch vor Gericht zurück. Der VVN-BdA sei "nicht vertrauenswürdig", teilte die Firma MDR SACHSEN auf Anfrage mit. Hentschke Bau habe diesen "behaupteten Vorfall" intern geprüft und keine Hinweise dahingehend ermitteln können, dass es tatsächlich zu einer solchen oder einer vergleichbaren Äußerung gekommen ist.

Firma spricht von behauptetem Vorfall

Das Unternehmen wirft dem VVN-BdA deshalb vor, unbelegte Vorwürfe zu verbreiten. Es gebe auch keinerlei Hinweise auf diesen vermeintlichen ehemaligen Mitarbeiter, erklärten die Kläger vor Gericht.

Maik S. kann MDR SACHSEN seinen Arbeitsvertrag mit Hentschke Bau vorlegen. Und er steht zu dem Erlebten. Ihn habe damals nicht nur die fehlende Gegenrede schockiert. "Von einigen Leuten kam sogar ein zustimmendes Kopfnicken." Weil er anonym bleiben will, konnte er vor Gericht nicht als Zeuge befragt werden.

Tom D.*, ein weiterer Ex-Mitarbeiter von Hentschke Bau, schildert im Gespräch mit MDR SACHSEN ähnliche Erlebnisse. "Man ist da allgemein in Baufirmen wenig sensibel", so der Mann. "Wenn so etwas von der Obrigkeit geduldet wird, kann sich das verfestigen", stellt er fest. Und man sage als Mitarbeiter auch nichts, wenn solche "Baurüden" am Tisch sitzen, bewertet er aus seiner Perspektive diese Gesprächsmomente. Tom D. habe in Baufirmen "korrekte Leute" erlebt, aber auch "einen sehr ausgeprägten kleinbürgerlichen Rassismus, auch Sexismus".

EFBI

* Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung in Sachsen (EFBI) ist im Herbst 2020 an der Universität Leipzig gegründet worden.
* Ein Ziel der Forschung ist es, mit Methoden der empirischen Sozialforschung einen aktuellen Wissensstand über die gesellschaftlichen Widersprüche und Konflikte zu erarbeiten.
* Die wissenschaftliche Arbeit am EFBI umfasst drei Forschungsfelder: In der Einstellungsforschung werden in einem festen Turnus repräsentative Befragungen zu verschiedenen politischen Themen durchgeführt; die Möglichkeit demokratisch-politischen Handelns wird vertiefend in der Forschung in Konflikträumen untersucht; mit dem Monitoring und der Dokumentation antidemokratischer Strukturen und Social-Media-Aktivitäten soll die Analyse der digitalen Aktivitäten demokratiefeindlicher Akteure ermöglicht werden.
* Das Institut wird vom Freistaat Sachsen gefördert.

VVN-BdA Sachsen

* Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. im Freistaat Sachsen (VVN-BdA Sachsen) sieht sich als überparteilichen Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen.
* Zur Vereinigung gehören auch verschiedene lokale Vereine, deren Mitglieder unter anderem aus Antifa-Basisgruppen herrühren.
* In der VNN-BdA Sachsen sind ebenfalls das AKuBiZ Pirna und die LAG KZ Sachsenburg Mitglied.
* Angeschlossen bei der VNN-BdA ist das Recherchekollektiv aus dem Landkreis Görlitz "15° Research". Diese sind Mitautoren des EFBI Policy Papers "Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen".

Mitarbeiter sah keine Möglichkeit, es anzusprechen

Maik S. empfindet sich nicht als zimperlich. Er kenne die Sprüche, die in der Baubranche im Baucontainer oder hinter vorgehaltener Hand gemacht werden. "Ja, das kommt leider vor. Aber im Pausenraum war das eine andere Dimension. Die ganze Firma isst dort – vom Architekten, Bauleiter bis zum kleinen Staplerfahrer."

Maik S. berichtet von weiteren Vorfällen, die für ihn einen klaren rechtsextremen Bezug haben. Eine Möglichkeit, die Dinge in der Firma anzusprechen, habe er nicht gesehen. Von einem anonymen Kummerkasten des Betriebsrates, so wie es der Anwalt von Hentschke Bau vor Gericht beschrieben hatte, wusste er nichts. Schließlich schaute er sich nach einem anderen Arbeitsplatz um.

Im aktuell laufenden Rechtsstreit will die Firma Hentschke Bau das Zitat von Maik S. aus dem Policy Paper entfernt haben. Am 5. April wird das Dresdner Landgericht seine Entscheidung verkünden.

* Die Namen der ehemaligen Mitarbeiter sind der Redaktion bekannt und wurden zu ihrem Schutz geändert.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 05. April 2024 | 19:00 Uhr

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