Ein Fotograf nimmt das Prozessgeschehen auf.
Das Landgericht in Dresden hat einen Rechtsstreit zwischen Hentschke Bau und einem Recherchekollektiv verhandelt. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Landgericht Dresden Zäher Schlagabtausch: Rechtsstreit zwischen Hentschke Bau und linkem Recherchekollektiv

19. Januar 2024, 21:21 Uhr

Unterstützt der Unternehmer Jörg Drews die extreme Rechte in der Oberlausitz? Und werden in seinem Unternehmen Hentschke Bau rechtsradikale Äußerungen getätigt und geduldet? Mit diesen Fragen hat sich am Freitag das Landgericht in Dresden beschäftigt.

Nein, eine gütliche Einigung sollte es im Dresdner Landgericht nicht werden. Das zeigte sich von Anfang an in der Verhandlung, die wegen unerwartet großen öffentlichen Interesses und der Anwesenheit etlicher Mitarbeiter von Hentschke Bau in den großen Sitzungssaal verlegt werden musste.

Klage gegen wissenschaftliche Publikation

Zu Beginn wies Richter Stefan Dreher zunächst in eigener Sache auf seine frühere AfD-Mitgliedschaft hin. Er war bis 2018 Parteimitglied. "Ein Geschmäckle für manche", wie er meinte. Denn um das politische Standing drehte sich auch sein Streitfall, über den er urteilen muss.

Es ging im Kern um die Frage, ob der Unternehmer Jörg Drews die extreme Rechte in der Oberlausitz unterstützt. Und, ob in seiner Firma Hentschke Bau rechtsradikale Äußerungen getätigt und geduldet werden. Das waren nämlich die Ergebnisse einer 2023 erschienene Publikation des Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung (EFBI) an der Universität Leipzig. Deren weitere Verbreitung in dieser Form will der Unternehmer verhindern.

In der EFBI-Publikation wird unter anderem aufgelistet, dass von Hentschke Bau 2017 eine Spende von 19.500 Euro an die AfD geflossen war - nachzulesen im Rechenschaftsbericht des Bundestags - und Drews "rechtsoffene" Diskussionsveranstaltungen organisiert habe. Auch habe er einen lokalen TV-Sender unterstützt, wo unter anderem Maximilian Thorn von der rechtsextremen Identitären Bewegung und Jürgen Elsässer, Herausgeber des extrem rechten Compact Magazin, auftraten.

Rechtsradikale Äußerungen im Pausenraum?

In dem sogenannten Policy Paper "Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen" wird ein Vorfall im Pausenraum von Hentschke Bau geschildert. Demnach habe ein Gabelstaplerfahrer "vom Vergasen geredet und rechtsradikale Positionen geäußert", ohne dass es Widerrede gegeben habe. Dabei beruft sich das Papier auf einen Informanten, dessen Identität geschützt und somit nicht preisgegeben werden solle.

Die Bautzener Betonbaufirma geht seit März 2023 juristisch gegen die aus ihrer Sicht unwahre Tatsachenbehauptung vor. Man sei bereit, sich die Hände zu reichen, fordere aber die Löschung des "einseitigen Pamphlets", erklärte am Freitag Anwalt Carsten Brennecke von der Klägerseite Hentschke Bau. Eine Einigungsbereitschaft in der Form gliche einer Unterwerfung, gab Alexander Hoffmann, Anwalt der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA) zurück. Letzterer vertritt das Recherchekollektiv "15 Grad Research", das nach eigener Aussage einen ehemaligen Mitarbeiter von Hentschke Bau zu dem Pausenraumvorfall interviewt hatte.

Unversöhnlicher, zäher Schlagabtausch

Richter Dreher versuchte noch versöhnliche Töne anzuschlagen, bevor die Streitparteien in einen zähen Schlagabtausch gingen: "Es ist ja ein politisch vergiftetes Klima, aber haben Sie überhaupt einmal miteinander gesprochen?" Ein Ja hätte an dieser Stelle überrascht und kam auch nicht.

Dass die Studie die AfD-Spende von Hentschke Bau nennt, sowie die zeitweilige Unterstützung von Ostsachsen TV und dem für Verschwörungsinhalte bekannten Magazin "Denkste", eine Minizeitung wie Brennecke sie nennt, bezeichnet der Anwalt von Hentschke Bau als Framing, also nur ein Teilstück der Realität. Sein Mandant Jörg Drews engagiere sich beispielsweise auch sozial.

Hoffmann, der das Recherchekollektiv hinter der Leipziger Uni-Publikation vertritt, widerspricht der Argumentation. In der Studie gehe es nicht darum aufzulisten, was jemand alles gemacht habe. Es werde darin geschaut, welche Wirkung ganz bestimmte Tätigkeiten von jemanden haben, wenn er etwa zu einer bestimmten Zeit eine Zeitung oder ein Fernsehprojekt bestärke. "Man hat eine Verantwortung für das, was man verursacht hat", so Hoffmann.

Die spiegelverkehrten Welten der Zeugen

Auch die Zeugenbefragung malte Welten, die gegensätzlicher nicht sein können. Professor Oliver Decker, Direktor des Brunswick-Instituts von Leipzig, versicherte vor Gericht die gründliche Arbeit seiner Mitarbeiter. Dokumentationen würden systematisiert und überprüft. Er selbst habe im Nachhinein mit dem ehemaligen Hentschke Bau-Mitarbeiter über den Pausenraumvorfall gesprochen. Dessen Aussagen seien genau gewesen und hätten nicht übertrieben gewirkt. Die Person habe zudem ihre Angst geäußert nach ihren Worten "einen auf die Mappe zu bekommen".

Ein Mann steht im Landgericht Dresden.
Prof. Oliver Decker hat die Gründlichkeit der wissenschaftlichen Arbeit als Zeuge betont. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Dagegen hielten zwei Betriebsräte von Hentschke Bau. Es habe in dem rund 700 Mitarbeiter zählenden Unternehmen nie Beschwerden über rassistische Aussagen gegeben. Der Kummerkasten des Betriebsrates sei immer leer.

Urteil für April erwartet

Nach gut drei Stunden schloss Richter Dreher die Beweisaufnahme. Ein Urteil noch am selben Tag gab es nicht. Das wird am 5. April erwartet. Beide Streitparteien behalten sich vor, sollten sie verlieren, in die nächste Instanz zu gehen.

Gegen die Universität Leipzig hat Hentschke Bau wegen der Publikation ebenfalls geklagt. Ein Verhandlungstermin am Leipziger Verwaltungsgericht steht noch nicht fest.

VVN-BdA Sachsen

* Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. im Freistaat Sachsen (VVN-BdA Sachsen) sieht sich als überparteilichen Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen.
* Zur Vereinigung gehören auch verschiedene lokale Vereine, deren Mitglieder unter anderem aus Antifa-Basisgruppen herrühren.
* In der VNN-BdA Sachsen sind ebenfalls das AKuBiZ Pirna und die LAG KZ Sachsenburg Mitglied.
* Angeschlossen bei der VNN-BdA ist das Recherchekollektiv aus dem Landkreis Görlitz "15° Research". Diese sind Mitautoren des EFBI Policy Papers "Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen"

EFBI

* Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung in Sachsen (EFBI) ist im Herbst 2020 an der Universität Leipzig gegründet worden.
* Ein Ziel der Forschung ist es, mit Methoden der empirischen Sozialforschung einen aktuellen Wissensstand über die gesellschaftlichen Widersprüche und Konflikte zu erarbeiten.
* Die wissenschaftliche Arbeit am EFBI umfasst drei Forschungsfelder: In der Einstellungsforschung werden in einem festen Turnus repräsentative Befragungen zu verschiedenen politischen Themen durchgeführt; die Möglichkeit demokratisch-politischen Handelns wird vertiefend in der Forschung in Konflikträumen untersucht; mit dem Monitoring und der Dokumentation antidemokratischer Strukturen und Social-Media-Aktivitäten soll die Analyse der digitalen Aktivitäten demokratiefeindlicher Akteure ermöglicht werden.
* Das Institut wird vom Freistaat Sachsen gefördert.

Quelle: EFBI

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 19. Januar 2024 | 10:00 Uhr

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