David Macau zu Besuch in Hoyerswerda Die Ungehörten: DDR-Gastarbeiter aus Mosambik über Lohnbetrug und Rassismus
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05. März 2019, 17:48 Uhr
Zwölf Jahre lang hat David Macau in der DDR als Gastarbeiter gearbeitet. Nach fast drei Jahrzehnten besuchte der Mosambikaner wieder Hoyerswerda. Die Stadt, in der er eine schöne Zeit erlebte - und ein bitteres Ende.
Er sei etwas aufgeregt, weshalb er auf Portugiesisch antworten werde, erklärt David Macau am Dienstag vor den Gästen im Café Auszeit der Kulturfabrik. Als Übersetzer steht ihm Ibraimo Alberto zur Seite, ebenfalls ehemaliger Gastarbeiter, der nun in Berlin lebt. Doch es dauert nicht lange, Macau wird sicherer und findet in die Sprache zurück, die sein Leben von 1979 bis 1991 begleitete. Damals lebte und arbeitete der Mosambikaner mit vielen Landsleuten sowie Vietnamesen, Algeriern und Polen als sogenannter Vertragsarbeiter in Hoyerswerda.
Jetzt, nach fast drei Jahrzehnten, ist der 59-Jährige wieder hier. Im Gepäck hat er alte Schwarz-Weiß-Fotos aus jener Zeit. Es sei schön gewesen mit den deutschen Kollegen. "Ich habe mit Spaß gearbeitet", sagt Macau. Er war überwiegend in der Werkstatt Burghammer des BKW Welzow als Schlosser und Schweißer beschäftigt gewesen. Leider gibt es keine Bilder aus der Produktion, bedauert der Mann. Dort war nämlich Fotografieren streng verboten. Dafür zeigt der Mosambikaner Fotos einer Band, von Partys, einem Ausflug, von der Überreichung seines Facharbeiterbriefes, von der Fußballmannschaft. Die vorwiegend älteren Gäste im Café schauen, nicken, lächeln.
Für die Fußballspieler sei sogar eine Turnhalle bereitgestellt worden, berichtet der Hoyerswerdaer Huldreich Stephan, ein ehemaliger Ausbilder im Gaskombinat Schwarze Pumpe. Der 80-Jährige denkt gerne an die Zeit zurück. "Ich war bestens mit den Gastarbeitern zurechtgekommen." Während er die jungen Afrikaner handwerklich ausbildete, lernte er im Gegenzug einige Brocken Portugiesisch, die Amtssprache von Mosambik.
Rassismus in der DDR
Während die Anwesenden gemeinsam schöne Zeiten in Berufsschule und Betrieb teilten, war die Freizeit für Macau nur im geschützten Raum seines Wohnheims unbeschwert. "Ich hatte Angst, allein auf die Straße zu gehen. Es gab ein paar deutsche Skinheads und die Jungs haben uns beleidigt." Diesen Rassismus habe es nicht erst zur Wende, sondern von Anfang an gegeben, so Macau. Man habe mitbekommen, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Während des staatlichen Umbruchs 1990 verschärfte sich die Lage. Ausländerhass sei offener gezeigt worden. Es eskalierte, als Skinheads im September 1991 skandierend vor das Wohnheim an der Albert-Schweitzer-Straße zogen. Macau kann sich gut an die Rufe erinnern: "Ausländer raus. Neger muss weg." Dann zerschlugen Steine die Fenster. "Wir haben die Tür festgehalten, dass sie nicht reinkommen konnten. Denn - die wollten rein!" Er hatte schreckliche Angst gehabt. Dazu haben die Nachbarn geklatscht, auch daran erinnert sich Macau gut.
"Das tut mir leid, aber wir haben so gar nichts mitgekommen", meldet sich daraufhin eine Zuhörerin im Raum. Als die Frau kritisiert, dass die Ausschreitungen als Pogrome in die Stadtgeschichte eingegangen sind, hält es eine andere nicht mehr auf ihrem Stuhl. "Ich habe die Randale erlebt und das brüllende Volk", sagt die 79-jährige Waldtraut Spill. Die Gegenseite als Gastarbeiter in Afrika hat dagegen Erich Brandt erlebt. Der Hoyerswerdaer hatte in den 1980er Jahren als Elektriker in Mosambik gearbeitet: "Ich bin dort sehr viel rumgekommen, in den Dörfern gewesen. Ich haben mit den Leuten gegessen und getanzt. Aber was hier passiert ist mit den Ausländern, das ist für mich unverständlich." Nach den Ausschreitungen in Hoyerswerda blieben die Wohnheime so lange unter Polizeischutz, bis der letzte Gastarbeiter abgereist war. Ab da sei es kein Leben mehr gewesen, sagt Macau.
Um den Lohn betrogen
Doch auch die Rückkehr in seine Heimat nahm für den Mosambikaner kein gutes Ende. Mehr als 20.000 seiner Landsleute hatten in der DDR-Industrie gearbeitet. 20 bis 60 Prozent ihres Lohnes wurden dabei einbehalten. Das Geld sollte auf die Konten der Arbeiter nach Mosambik transferiert werden. Doch das Geld kam nicht an. "Ich bin mit leeren Taschen nach Hause gekommen. Man hatte gesagt, mein Geld ist in Mosambik", so Macau. In seiner Heimat hieß es wiederum, das Geld sei in Deutschland geblieben. Es stellte sich schnell heraus, dass das Einkommen der Gastarbeiter mit den Staatsschulden von Mosambik an die DDR verrechnet wurde.
Macau schätzt, dass er um rund 5.000 Dollar betrogen wurde. Er sei nicht nach Deutschland zum Arbeiten gekommen, um Mosambiks Staatsschulden zu bezahlen. "Ich habe mit Deutschland keine Schulden gemacht", sagt er empört. Die Gastarbeiter fühlen sich von beiden Regierungen betrogen. Dazu kommt, dass die Rückkehrer in ihrer Heimat keinen guten Stand haben. Viele sind arbeitslos.
DDR-Gastarbeiter finden kein Gehör
"Das ist Betrug", sagt Andrzej Serwecinski. Er findet, dass der mosambikanische Staat zur Verantwortung gezogen werden muss. Der Pole kam 1974 als Gastarbeiter nach Hoyerswerda. Bei den polnischen Gastarbeitern seien die Jahre in der DDR auf die Rente angerechnet worden, berichtet er.
Seit Anfang der 90er Jahre demonstrieren die ehemaligen DDR-Gastarbeiter jeden Mittwoch in der Hauptstadt Maputo und anderen Orten und fordern den ihnen zustehenden Lohn. Trotz aller Hartnäckigkeit haben die ehemaligen DDR-Gastarbeiter bisher kaum Gehör gefunden, wurden hingehalten. Ende Februar war David Macau mit Ibraimo Alberto und weiteren Gastarbeitern zu einer Tagung nach Magdeburg gereist, um das Problem erneut anzusprechen. 40 Jahre nach den Verträgen zwischen der DDR und Mosambik war die Konferenz ein Versuch, Transparenz zu schaffen und nach Verantwortung zu fragen. Ohne Erfolg, resümiert Macau enttäuscht. Er wird am Sonnabend wieder nach Hause fliegen, wo er mit Arbeiten an seiner Schweißmaschine seine Familie ernährt. In Maputo wird er weiter für sein ausstehendes Gehalt demonstrieren. Woche für Woche.
Quelle: MDR/ma
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 05.03.2019 | 16:30 Uhr im Regionalreport aus dem Studio Bautzen