Geflüchteter Azubi
Amadou ist vor sechs Jahren aus Guinea nach Deutschland gekommen. Jetzt lernt er Industriemechaniker bei der Lausitzer Grauwacke GmbH in Lieske bei Oßling. Bildrechte: MDR/Viola Simank

Nach schwierigem Start Wie Amadou aus Guinea seine Zukunft in Lieske gefunden hat

30. August 2024, 12:43 Uhr

Im Herbst 2023 hatte Ministerpräsident Michael Kretschmer gefordert, dass minderjährige Geflüchtete ab einem gewissen Alter nicht mehr in der Regelschule unterrichtet werden, sondern eine Ausbildung beginnen sollen. In der Praxis erweist sich der Vorschlag als mühsam in der Umsetzung. Denn für die Unternehmen bedeutet das oft einen hohen bürokratischen Aufwand. Eine Firma in Lieske ließ sich dadurch nicht abschrecken und bildet zwei Geflüchtete aus. Damit will sie auch ein Zeichen setzen.

Der Steinbruch der Lausitzer Grauwacke GmbH in Lieske bei Oßling ist zwar groß, aber schwer zu erreichen. Zumindest mit Bus und Bahn. Wer kein Auto hat, so wie Amadou und Najia, hat ein Problem. Sie wohnen beide in Hoyerswerda. Wie also hinkommen? Ihre Kollegen nehmen sie mit, erzählt Najia aus Afghanistan, die hier eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement macht. Problem gelöst.

18 Bewerbungen - eine Antwort

Die Transportfrage ist im Gegensatz zu manch anderen Problemen nur eine kleine Hürde für die beiden Geflüchteten gewesen. Besonders für Amadou war der Start schwierig. Er kam als Minderjähriger ohne Familie vor etwa sechs Jahren aus Guinea nach Deutschland, landete schließlich in Hoyerswerda.

Er habe acht Monate lang einen Deutschkurs und dann ein Berufsvorbereitungsjahr gemacht, erzählt der heute 22-Jährige. "Danach habe ich 18 Bewerbungen geschrieben. Davon wurde eine beantwortet, und zwar von der Lausitzer Grauwacke." Das Unternehmen in Lieske bei Oßling, das zum internationalen Baukonzern Vinci Construction gehört, lud ihn schließlich zum Vorstellungsgespräch ein.

Geflüchteter Azubi 3 min
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Zweite Chance für Amadou

Neben Amadou habe es zwei weitere Bewerber gegeben, erzählt Geschäftsführer Fréderic Robert-Kasper. Alle seien gleich gut gewesen. Er habe sich am Ende dann bewusst für Amadou entschieden: "Ich war der Meinung, dass er aufgrund seiner Lebensgeschichte eine zweite Chance verdient." Zwar sei es ihm in erster Linie darum gegangen, einen guten Azubi zu finden. Aber er habe im Hinterkopf auch die Hoffnung gehabt, dass seine Mitarbeiter sehen, dass Menschen wie Amadou ganz "normale Leute" sind, erzählt Fréderic Robert-Kasper. Außerdem wollte er die Welt ein bisschen in den Betrieb nach Lieske bringen.

Denn klar seien Städte wie Berlin weltoffener, meint der Franzose, der selbst seit 1992 in Deutschland wohnt. Dort lebten aber auch viele Menschen unterschiedlichster Nationen und seien entsprechend sichtbar. Im kleinen Lieske nicht. Zumindest in seinem Bereich wollte er das ändern – und hat es geschafft: "Amadou hat aufgrund seiner Persönlichkeit alle Leute überzeugt."

Lausitzer Grauwacke GmbH, Geschäftsführer Fréderic Robert-Kasper
Der Geschäftsführer der Lausitzer Grauwacke GmbH, Fréderic Robert-Kasper, ist gebürtiger Franzose, lebt aber schon seit 1992 in Deutschland. Bildrechte: MDR/Viola Simank

Amadou hat aufgrund seiner Persönlichkeit alle Leute überzeugt

Fréderic Robert-Kasper Geschäftsführer Lausitzer Grauwacke GmbH

Vorsichtiges Kennenlernen

Tommy Oelmann zum Beispiel. Er erzählt, dass es am Anfang ein vorsichtiges Kennenlernen auf beiden Seiten war. Das größte Problem war die anfängliche Sprachbarriere. Denn normalerweise verstünden die Kollegen sofort, was man will. "An diesen Punkt mussten wir erst einmal kommen. Aber als dass dann geklappt hat, war es super." Sie seien sehr zufrieden mit Amadou.

Er ist inzwischen im dritten Lehrjahr zum Industriemechaniker und spricht gut Deutsch. Auch er fühlt sich akzeptiert: "Ich bekomme immer Hilfe, wenn ich sie brauche. Die Kollegen unterstützen mich auch privat und haben mich auch schon zu Terminen begleitet", erzählt Amadou.

Najia aus Afghanistan macht eine Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement.
Najia aus Afghanistan macht eine Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement. Bildrechte: MDR/Viola Simank

Gutes Betriebsklima

Die Hilfsbereitschaft der Kollegen bestätigt auch Najia, die zweite Geflüchtete, die bei der Lausitzer Grauwacke arbeitet. Die 28-Jährige war Ortskraft in Afghanistan und hatte in Kabul bereits Deutsch als Fremdsprache studiert. Seit 2021 lebt sie in Deutschland und ist in Lieske im zweiten Lehrjahr. Ihr gefalle das Betriebsklima, erzählt sie. Sie habe sich hier nie fremd gefühlt. Dank ihrer guten Deutschkenntnisse und ihres geklärten Aufenthaltsstatus habe es bei ihrer Ausbildung auch keine Probleme gegeben, sagt ihr Chef Fréderic Robert-Kasper.

Hoher bürokratischer Aufwand

Anders bei Amadou. Denn besonders am Anfang musste er intensiv betreut werden, erzählt der Geschäftsführer. Zwei Mitarbeiter hätten viel Zeit damit verbracht, um Amadou zu verschiedenen Behörden zu begleiten, Anträge auszufüllen oder Weiterbildungen zu organisieren. Wegen des ungeklärten Aufenthaltsstatus habe auch immer eine drohende Abschiebung als Damoklesschwert über ihnen geschwebt.

Aber nur wegen des Kampfes mit der Bürokratie dürfe man Menschen wie Amadou nicht fallenlassen, findet Fréderic Robert-Kasper. Für ihn war es wichtig und richtig, ihm ein besseres Leben zu ermöglichen. "Wir können es verkraften zu kämpfen. Amadou kann es nicht allein." Deshalb hätten sie geholfen, auch wenn sie wussten, dass es nicht einfach wird.

Wir können es verkraften zu kämpfen. Amadou kann es nicht allein.

Fréderic Robert-Kasper Geschäftsführer Lausitzer Grauwacke GmbH

Geschäftsführer Robert-Kasper würde sich wünschen, dass mehr Unternehmen Geflüchtete einstellen, auch wenn es mehr Aufwand bedeutet. Für die Lausitzer Grauwacke habe es sich am Ende gelohnt, sagt er. Amadou wird bald seine Ausbildung als Industriemechaniker abschließen und will danach im Betrieb bleiben.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 29. August 2024 | 16:30 Uhr

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