Menschen mit bunten Flaggen und der Regenbogenfahne laufen auf einer Straße
Mehr als 1.000 Menschen sind am Sonnabend beim Christopher Street Day durch Bautzen gezogen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Queeres Leben Trotz rechter Drohkulisse: 1.000 Menschen bei CSD-Demo in Bautzen

11. August 2024, 11:19 Uhr

Wegen rechter Gegendemonstrationen hatten die Veranstalter des CSD ihre Aftershow-Party abgesagt. Gefeiert wurde aber trotzdem. Am Sonnabend bahnte sich ein bunter CSD-Demozug ohne Zwischenfälle seinen Weg durch Bautzens Innenstadt. Einsatzkräfte der Polizei hielten dabei rechte Gegendemonstranten auf Abstand.

Bildergalerie Darum gehen Menschen in Bautzen zum Christopher Street Day

Schwule, Lesben und Transgender werden abseits der Großstädte weniger akzeptiert. Sich beim CSD in Bautzen zu bekennen, dazu gehört eine ganze Portion Mut. Wir haben mit Queeren und deren Mitstreitern gesprochen.

CSD in Bautzen
Heike wohnt in Görlitz und fühlt sich durch ihre Familie auch mit Bautzen sehr verbunden. Während sie beim CSD in Berlin zum Tanzen hingeht, überlegt sie sich in Bautzen einen Sicherheitsplan und hofft sehr, dass die Polizei ihren Job macht. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
CSD in Bautzen
Heike wohnt in Görlitz und fühlt sich durch ihre Familie auch mit Bautzen sehr verbunden. Während sie beim CSD in Berlin zum Tanzen hingeht, überlegt sie sich in Bautzen einen Sicherheitsplan und hofft sehr, dass die Polizei ihren Job macht. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
CSD in Bautzen
Yuki war auch beim ersten CSD dabei. Die 20-Jährige hat es als Queere nicht leicht in Bautzen, sei schon geschubst, bespuckt und geschlagen worden. "Wir sind genauso Menschen, wir wollen einfach in Frieden Leben." Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
CSD in Bautzen
Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, sagt die 24-jährige Theresa. "Wir müssen laut sein, müssen Präsenz zeigen." Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
CSD in Bautzen
Um Akzeptanz geht es auch Mal. Die 16-Jährige ist transsexuell und sie will, dass sich die Leute hier in Bautzen weiter zeigen können. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
CSD in Bautzen
Anke, Beate und Sabine laufen mit, um Queere in Bautzen zu unterstützen. Man wolle seine Haltung zeigen, gegen die, die wieder öfter und mehr gegen Minderheiten laut würden. Das fange bei queeren Menschen an, gehen aber weiter, zum Beispiel auch gegen behinderte Menschen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
Eine Frau hält ein Schild in die Kamera auf dem steht: bunt statt braun
Birgit erlebt eine Mobilisierung von rechts gegen alles was anders ist. "Die schaffen so eine gefährliche Situation". Schade fand sie, dass der Oberbürgermeister nicht persönlich da war, sondern seine Rede abgespielt wurde. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
CSD in Bautzen
Grünen-Stadtrat Jonas Löschau ist Hauptorganisator des CSD in Bautzen. Er konnte alles in allem letztlich auf eine friedliche Veranstaltung zurückblicken. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
CSD in Bautzen
Prominent in der Schwulen- und Lesbenszene ist die Transfrau Georgine Kellermann, die aus Nordrhein-Westfalen anreiste, um den CSD zu unterstützen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt
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Mehr als tausend Menschen haben am Sonnabend in Bautzen den Christopher Street Day (CSD) gefeiert. Das waren deutlich mehr als die Veranstalter zunächst erwartet hatten. Zum Vergleich: Zum ersten CSD im vergangenen Jahr waren 350 Teilnehmende gekommen. Um die kleine queere Community in der Oberlausitz zu unterstützen, reisten zum zweiten CSD mehrere Hundert Teilnehmende von auswärts an. Proteste von rechts hatten auch die linke Szene aktiviert. Der CSD wurde zum Statement für Menschen mit ihren individuellen Lebensentwürfen.

Kurz bevor der Demonstrationszug sich gegen 14 Uhr in Bewegung setzte, bedankte sich Mit-Organisator Jonas Löschau bei den Leuten für das zahlreiche Erscheinen und die Unterstützung aus anderen Städten. "Es ist verdammt cool und wichtig, dass ihr hier seid, weil ihr allen Leuten ein besseres Gefühl gebt." Und sagte kämpferisch: "Wir lassen uns nicht vertreiben!"

Aftershowparty aus Sicherheitsgründen abgesagt

Eine Einschränkung hatte das Queernetz in Bautzen, das junge Menschen unterschiedlicher sexueller Ausrichtung eint, bereits machen müssen. Am Freitag sagten die Veranstalter die Aftershowparty wegen Sicherheitsbedenken ab. Das Risiko für die Gäste schien zu hoch. Denn die Freien Sachsen und die Jungen Nationalisten (JN) hatten zwei Gegendemos angemeldet.

Eine Frau hält ein Schild in die Kamera auf dem steht: bunt statt braun
Der CSD in Bautzen war weniger eine queere Party-Parade, sondern in erster Linie ein Statement für alle Menschen mit ihren jeweiligen individuellen Lebensentwürfen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Vor allem der JN, einer Jugendorganisation der rechtsextremen Partei "Die Heimat", gelang es, Hunderte junge, hauptsächlich schwarz gekleidete Männer am Bautzener Gerichtsgebäude zu versammeln. Das Motto des Protestes lautete "Gegen Genderpropaganda und Identitätsverwirrung". Als sich der CSD von der Maria-Martha-Kirche über die Taucherstraße in Bewegung setzte, mussten die Demo-Teilnehmenden dicht an dieser rechten Drohkulisse vorbei.

"Als der CSD-Zug an den Gegendemonstranten vorbeiging, wurde es zwar laut, es gab aber keine nennenswerten Zwischenfälle", sagte Polizeisprecherin Anja Leuschner. Polizisten schoben Rechte, die in den CSD-Demozug hinein wollten, konsequent in ihre Gruppe zurück.

Parolen auf dem Kornmarkt, Outing am Rathaus

Der weitere Weg des CSD verlief unkritisch, doch die Atmosphäre blieb extrem angespannt. Einige Teilnehmer hatten im Gegensatz zu anderen Paraden aus Eigenschutz etwas weniger Glitter an. Nachdem der CSD den Kornmarkt überquert hatte, versammelte sich dort die rechte Gegendemo. Parolen wurden stadiongleich über den Platz gebrüllt und Martin Kohlmann von den Freien Sachsen sprach. Thema: Man ist patriotisch und kennt nur zwei Geschlechter.

Rechte Gegendemonstranten stehen am Kornmarkt von Bautzen.
Rechte Gegendemonstranten stehen am Kornmarkt von Bautzen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Der CSD pausierte zeitgleich wenige hundert Meter entfernt auf dem Hauptmarkt vor dem Rathaus. Dort outeten sich Queere, sprachen Homosexuelle über erlebte Anfeindungen im alltäglichen Leben und machten einander Mut.

Ein Redebeitrag von Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt wurde ebenfalls abgespielt. Er habe nicht persönlich kommen können, aber es sei ihm wichtig gewesen, sich als OB im Sinne der Toleranz zu positionieren, sagte Vogt, der momentan im Familienurlaub ist, MDR SACHSEN. Die Anfeindungen gegen Queere, dass persönliche Lebensentwürfe nicht akzeptiert würden und auch der damit verbundene der jüngste Angriff auf den Jugendclub Kurti hätten ihn betroffen gemacht. Am Rathauseingang war die Regenbogenflagge gehisst.

Queere Menschen feiern beim Christopher Street Day in Bautzen.
Queere Menschen feiern beim Christopher Street Day auf dem Postplatz in Bautzen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Trotz dieser ernsten Geschehnisse, Partystimmung herrschte an dem heißen Sonnabend bei Bautzener CSD trotzdem. Vor allem zum Ende der Demonstration wurde auf dem Postplatz von Bautzen noch einmal ausgiebig getanzt.

Großes Polizeiaufgebot auch an Bahnhöfen

Sachsens Polizei hatte aufgrund der Bedrohungslage an dem Tag hohe Präsenz gezeigt. Neben Beamten aus Görlitz und Bautzen waren Beamte der Bundes- und Bereitschaftspolizei im Einsatz, auch mit Hunden. Dazu sendete in Bautzen ein Fahrzeug mit sogenannter Übersichtsbildübertragung live Bilder vom Geschehen unter anderem für strategische Entscheidungen in die Zentrale.

Die Pressesprecherin der Polizeidirektion Görlitz steht auf einem Platz in Bautzen.
Die Polizei sorgte für die Sicherheit der Demonstranten. Letztlich gab es 14 Strafverfahren, sieben Ordnungswidrigkeiten und 16 Platzverweise, so Polizeisprecherin Anja Leuschner. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Auch während der An- und Abfahrt der Demoteilnehmer war an vielen Bahnhöfen und teils auch in Zügen Polizei präsent. In Dresden mussten Bundespolizisten am Vormittag eingreifen. Bei der Anreise kam es am Bahnhof Dresden-Neustadt und am Dresdner Hauptbahnhof zu einem Aufeinandertreffen von linken und rechten Gruppen. Die Bundespolizei berichtet, dass sie gegen Mittag rund 150 Linke und eine Gruppe von 50 Rechten am Hauptbahnhof trennen musste und die Gruppen in unterschiedlichen Zügen nach Bautzen begleitete.

14 Strafverfahren, sieben Ordnungswidrigkeiten und 16 Platzverweise

In Bautzen selbst leitete die Polizei im Rahmen des gesamten Einsatzes 14 Strafverfahren und sieben Ordnungswidrigkeiten ein. Die Beamten sprachen 16 Platzverweise aus. Demnach wurden unter anderem am Bahnhof Protektorhandschuhe, Sturmhauben, Spraydosen und ein T-Shirt mit möglicherweise verfassungswidrigem Aufdruck beschlagnahmt. Ein Ermittlungsverfahren laufe wegen ausländerfeindlichen Parolen. Im Gegenprotest brannten Teilnehmer zudem Bengalos ab. Auch sei im Anschluss des CSD einer Frau ihre Regenbogenfahne aus der Hand und ein vom Hals gerissen worden.

Behelmte Polizisten stehen vor einem Bahnhof. Die Beamten beobachten mehrere rechte Demonstranten
Bundespolizisten griffen am Bahnhof Dresden-Neustadt ein, als linke und queere Menschen mit Rechten aneinandergerieten. Bildrechte: xcitepress

Auf der anderen Seite kam es während der Zwischenkundgebung des CSD auf dem Kornmarkt zu einem Zwischenfall. Ein Mann, der offenbar kritisch über den CSD berichten wollte, sowie dessen Begleiter wurde nach eigenen Angaben getreten. Verletzt wurde niemand. Polizisten gingen dazwischen und eröffneten ein Ermittlungsverfahren.

In Bautzen zählte die Polizei mehr als 1.000 CSD-Besucher und 680 Gegendemonstranten. Zur konkreten Anzahl der eingesetzten Kräfte machte sie keine Angaben.

Christopher Street Day Der Christopher Street Day findet jedes Jahr in vielen Städten in aller Welt statt und erinnert an Ereignisse am 28. Juni 1969: Polizisten stürmten damals die New Yorker Schwulen- und Lesbenbar «Stonewall Inn» in der Christopher Street und lösten dadurch mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und Transsexuellen aus. Der CSD soll an die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen erinnern.

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MDR (ama/lev)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 10. August 2024 | 07:00 Uhr

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