Queeres Leben Trotz rechter Drohkulisse: 1.000 Menschen bei CSD-Demo in Bautzen
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11. August 2024, 11:19 Uhr
Wegen rechter Gegendemonstrationen hatten die Veranstalter des CSD ihre Aftershow-Party abgesagt. Gefeiert wurde aber trotzdem. Am Sonnabend bahnte sich ein bunter CSD-Demozug ohne Zwischenfälle seinen Weg durch Bautzens Innenstadt. Einsatzkräfte der Polizei hielten dabei rechte Gegendemonstranten auf Abstand.
Mehr als tausend Menschen haben am Sonnabend in Bautzen den Christopher Street Day (CSD) gefeiert. Das waren deutlich mehr als die Veranstalter zunächst erwartet hatten. Zum Vergleich: Zum ersten CSD im vergangenen Jahr waren 350 Teilnehmende gekommen. Um die kleine queere Community in der Oberlausitz zu unterstützen, reisten zum zweiten CSD mehrere Hundert Teilnehmende von auswärts an. Proteste von rechts hatten auch die linke Szene aktiviert. Der CSD wurde zum Statement für Menschen mit ihren individuellen Lebensentwürfen.
Kurz bevor der Demonstrationszug sich gegen 14 Uhr in Bewegung setzte, bedankte sich Mit-Organisator Jonas Löschau bei den Leuten für das zahlreiche Erscheinen und die Unterstützung aus anderen Städten. "Es ist verdammt cool und wichtig, dass ihr hier seid, weil ihr allen Leuten ein besseres Gefühl gebt." Und sagte kämpferisch: "Wir lassen uns nicht vertreiben!"
Aftershowparty aus Sicherheitsgründen abgesagt
Eine Einschränkung hatte das Queernetz in Bautzen, das junge Menschen unterschiedlicher sexueller Ausrichtung eint, bereits machen müssen. Am Freitag sagten die Veranstalter die Aftershowparty wegen Sicherheitsbedenken ab. Das Risiko für die Gäste schien zu hoch. Denn die Freien Sachsen und die Jungen Nationalisten (JN) hatten zwei Gegendemos angemeldet.
Vor allem der JN, einer Jugendorganisation der rechtsextremen Partei "Die Heimat", gelang es, Hunderte junge, hauptsächlich schwarz gekleidete Männer am Bautzener Gerichtsgebäude zu versammeln. Das Motto des Protestes lautete "Gegen Genderpropaganda und Identitätsverwirrung". Als sich der CSD von der Maria-Martha-Kirche über die Taucherstraße in Bewegung setzte, mussten die Demo-Teilnehmenden dicht an dieser rechten Drohkulisse vorbei.
"Als der CSD-Zug an den Gegendemonstranten vorbeiging, wurde es zwar laut, es gab aber keine nennenswerten Zwischenfälle", sagte Polizeisprecherin Anja Leuschner. Polizisten schoben Rechte, die in den CSD-Demozug hinein wollten, konsequent in ihre Gruppe zurück.
Parolen auf dem Kornmarkt, Outing am Rathaus
Der weitere Weg des CSD verlief unkritisch, doch die Atmosphäre blieb extrem angespannt. Einige Teilnehmer hatten im Gegensatz zu anderen Paraden aus Eigenschutz etwas weniger Glitter an. Nachdem der CSD den Kornmarkt überquert hatte, versammelte sich dort die rechte Gegendemo. Parolen wurden stadiongleich über den Platz gebrüllt und Martin Kohlmann von den Freien Sachsen sprach. Thema: Man ist patriotisch und kennt nur zwei Geschlechter.
Der CSD pausierte zeitgleich wenige hundert Meter entfernt auf dem Hauptmarkt vor dem Rathaus. Dort outeten sich Queere, sprachen Homosexuelle über erlebte Anfeindungen im alltäglichen Leben und machten einander Mut.
Ein Redebeitrag von Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt wurde ebenfalls abgespielt. Er habe nicht persönlich kommen können, aber es sei ihm wichtig gewesen, sich als OB im Sinne der Toleranz zu positionieren, sagte Vogt, der momentan im Familienurlaub ist, MDR SACHSEN. Die Anfeindungen gegen Queere, dass persönliche Lebensentwürfe nicht akzeptiert würden und auch der damit verbundene der jüngste Angriff auf den Jugendclub Kurti hätten ihn betroffen gemacht. Am Rathauseingang war die Regenbogenflagge gehisst.
Trotz dieser ernsten Geschehnisse, Partystimmung herrschte an dem heißen Sonnabend bei Bautzener CSD trotzdem. Vor allem zum Ende der Demonstration wurde auf dem Postplatz von Bautzen noch einmal ausgiebig getanzt.
Großes Polizeiaufgebot auch an Bahnhöfen
Sachsens Polizei hatte aufgrund der Bedrohungslage an dem Tag hohe Präsenz gezeigt. Neben Beamten aus Görlitz und Bautzen waren Beamte der Bundes- und Bereitschaftspolizei im Einsatz, auch mit Hunden. Dazu sendete in Bautzen ein Fahrzeug mit sogenannter Übersichtsbildübertragung live Bilder vom Geschehen unter anderem für strategische Entscheidungen in die Zentrale.
Auch während der An- und Abfahrt der Demoteilnehmer war an vielen Bahnhöfen und teils auch in Zügen Polizei präsent. In Dresden mussten Bundespolizisten am Vormittag eingreifen. Bei der Anreise kam es am Bahnhof Dresden-Neustadt und am Dresdner Hauptbahnhof zu einem Aufeinandertreffen von linken und rechten Gruppen. Die Bundespolizei berichtet, dass sie gegen Mittag rund 150 Linke und eine Gruppe von 50 Rechten am Hauptbahnhof trennen musste und die Gruppen in unterschiedlichen Zügen nach Bautzen begleitete.
14 Strafverfahren, sieben Ordnungswidrigkeiten und 16 Platzverweise
In Bautzen selbst leitete die Polizei im Rahmen des gesamten Einsatzes 14 Strafverfahren und sieben Ordnungswidrigkeiten ein. Die Beamten sprachen 16 Platzverweise aus. Demnach wurden unter anderem am Bahnhof Protektorhandschuhe, Sturmhauben, Spraydosen und ein T-Shirt mit möglicherweise verfassungswidrigem Aufdruck beschlagnahmt. Ein Ermittlungsverfahren laufe wegen ausländerfeindlichen Parolen. Im Gegenprotest brannten Teilnehmer zudem Bengalos ab. Auch sei im Anschluss des CSD einer Frau ihre Regenbogenfahne aus der Hand und ein vom Hals gerissen worden.
Auf der anderen Seite kam es während der Zwischenkundgebung des CSD auf dem Kornmarkt zu einem Zwischenfall. Ein Mann, der offenbar kritisch über den CSD berichten wollte, sowie dessen Begleiter wurde nach eigenen Angaben getreten. Verletzt wurde niemand. Polizisten gingen dazwischen und eröffneten ein Ermittlungsverfahren.
In Bautzen zählte die Polizei mehr als 1.000 CSD-Besucher und 680 Gegendemonstranten. Zur konkreten Anzahl der eingesetzten Kräfte machte sie keine Angaben.
Christopher Street Day
Der Christopher Street Day findet jedes Jahr in vielen Städten in aller Welt statt und erinnert an Ereignisse am 28. Juni 1969: Polizisten stürmten damals die New Yorker Schwulen- und Lesbenbar «Stonewall Inn» in der Christopher Street und lösten dadurch mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und Transsexuellen aus. Der CSD soll an die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen erinnern.
MDR (ama/lev)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 10. August 2024 | 07:00 Uhr