Ein Mann füttert sein Kind.
Weniger als die Hälfte der Väter in Sachsen-Anhalt nutzt Elterngeld. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa-tmn/Christin Klose

Vaterrolle im Wandel Wie gleichberechtigt Eltern in Sachsen-Anhalt sind

von Daniel Tautz, MDR

15. Januar 2024, 18:06 Uhr

Die Welt scheint voller "neuer Väter". Papas, die sich nicht mehr nur als Ernährer der Familie sehen, sondern ihr Kind im Tragetuch schaukeln und sich die Elternzeit fair mit ihrer Partnerin aufteilen. Was ist da tatsächlich dran, was stetiger Mythos? Unsere Datenanalyse zeigt: Es ist noch viel Luft nach oben.

Auch 2024 werden in Sachsen-Anhalt mehr als 10.000 Kinder geboren werden. Genauso oft steht also auch die Frage im Raum, wie sich die Eltern die Kinderbetreuung aufteilen. Und auch für dieses Jahr lässt sich wohl prognostizieren: Der allergrößte Teil der Kinderbetreuung wird bei den Müttern landen.

Um diese Vorhersage zu treffen, reicht ein Blick zurück. Daten dazu liefern die Elterngeld-Zahlen vom Statistischen Bundesamt. Bei den Kindern im Geburtsjahr 2020 hat mit 43,7 Prozent nicht einmal die Hälfte der Väter Elterngeld bezogen.

Sachsen-Anhalt beim Elterngeld im Mittelfeld

Sachsen-Anhalt landet im Vergleich der Bundesländer mit 40,5 Prozent der Väter auf dem 10. Platz. Im restlichen Mitteldeutschland waren die Väter aktiver: Sachsen kam 2020 mit 54,7 Prozent auf den bundesweit höchsten Wert, gefolgt von Bayern mit 50,9 Prozent und Thüringen mit 49,6 Prozent.

Elternzeit

Die Elternzeit ist eine berufliche Auszeit. Sie soll es Eltern ermöglichen, ihre Kinder selbst zu betreuen. Jedes Elternteil hat Anspruch auf bis zu drei Jahre Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis bleibt während der gesamten Elternzeit bestehen, es gilt ein besonderer Kündigungsschutz.

Elterngeld

Mit dem Elterngeld ersetzt der Staat das fehlende Einkommen während der Elternzeit. Und zwar gibt es 67 Prozent des Nettoeinkommens, mindestens 300 und maximal 1.800 Euro. Wenn sich beide Elternteile an der Betreuung beteiligen, stehen ihnen 14 Monate zu, die sie sich untereinander aufteilen können. Der Anspruch auf das Basiselterngeld besteht in den ersten 14 Lebensmonaten. Durch Elterngeld Plus lässt sich dieser Zeitraum verlängern, allerdings fällt dann auch das Elterngeld geringer aus.

Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2023)

Ost-West-Gefälle bei Höhe des Elterngelds

Ein Unterschied zwischen den alten und den neuen Bundesländern lässt sich beim Bezug von Elterngeld nicht pauschal feststellen. Aber: Bei der Höhe des Elterngelds gibt es ein ordentliches Ost-West-Gefälle. Eine Datenanalyse von MDR SACHSEN-ANHALT zeigt: Väter in den neuen Bundesländern inklusive Berlin haben 2022 im Schnitt 1.152 Euro Elterngeld erhalten. In den alten Bundesländern lag der Schnitt bei 1.330 Euro. Das sind 15 Prozent mehr.

Elternzeit-Aufteilung spiegelt gesellschaftliche Prägungen

Wie Paare ihre Entscheidung treffen, ist höchst individuell. Doch es zeichnen sich Muster und gesellschaftliche Prägungen ab. So auch bei Steve und Gina Gebranzig aus Magdeburg. Im Sommer 2023 ist ihr Sohn Luca auf die Welt gekommen.

Für die MDR-Reportage von exactly zur Vaterrolle haben wir das Paar begleitet. Kurz vor der Geburt sitzt das Paar noch kinderlos und spürbar aufgeregt vor einem Stapel Babystrampler. "Wir haben lange hin und her überlegt", sagt der 29-jährige Steve Gebranzig über ihre Elterngeld-Entscheidung. "Und haben uns dazu entschlossen, dass meine Frau den ersten bis elften Monat macht. Und ich werde den ersten, zwölften und dreizehnten Monat machen."

Gina Gebranzig nimmt also elf, Steve Gebranzig drei Monate – aber das war nicht von Beginn an klar. "Anfangs wollte ich sogar gar keine Elternzeit nehmen", sagt Steve Gebranzig. "Weil ich dachte: Naja, zwei Wochen Urlaub reichen. Dann kann ich in Ruhe arbeiten, kann Geld verdienen, mehr oder weniger für den Kleinen und fürs Haus."

Er will bloß zwei Wochen mit uns verbringen. Das habe ich ein bisschen persönlich genommen. Ich dachte, warum nicht mehr?

Gina Gebranzig

Dass es jetzt anders gekommen ist, liegt auch an Gina Gebranzigs Reaktion damals. "Ich war schockiert", sagt sie heute. "Das war für mich so: Er will bloß zwei Wochen mit uns verbringen. Das habe ich ein bisschen persönlich genommen. Ich dachte, warum nicht mehr? Also andere machen ja auch mehr. Mein Bruder hat zum Beispiel mit seiner Frau halb-halb gemacht."

Mütter beziehen viermal so lange Elterngeld

Der generelle Bezug von Elterngeld ist nur ein Teil der Geschichte. Relevant ist außerdem, wie lange Väter und Mütter jeweils Elterngeld bekommen. Deutschlandweit nehmen 90 Prozent aller Väter, die in Elternzeit gehen, nur die zwei Mindestmonate.

Das führt zu einem Ungleichgewicht, wie auch Zahlen des Statistischen Landesamts für die 2022 geborenen Kinder zeigen. Die Väter in Sachsen-Anhalt planten demnach durchschnittlich mit 3,5 Monaten Elterngeld, bei den Müttern waren es dagegen 13,8 Monate. Und: Die Vätermonate fallen häufig auf einen längeren Urlaub oder eine gemeinsame Reise – die Erfahrung des stressigen Alltags mit Baby fehlt somit vielen Vätern.

Warum entscheiden sich aber so viele Väter gegen Elterngeld und Elternzeit? In einer Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2022 sagen 53 Prozent: wegen des geringeren Einkommens. 38 Prozent sorgen sich um berufliche Nachteile. 31 Prozent geben an, dass sich vor allem die Mutter um das Kind kümmern wollte.

Stendal auf letztem Platz bei Väterbeteiligung in Sachsen-Anhalt

Bringt man den grundsätzlichen Bezug von Elterngeld und die Bezugsdauer zusammen, kommt man auf die sogenannte Väterbeteiligung. Läge diese bei 50 Prozent, hieße das, dass Väter und Mütter den gleichen Anteil der Elterngeldmonate übernähmen. In Sachsen-Anhalt lag der Wert der Väterbeteiligung 2022 aber nur bei 24,7 Prozent. Den geringsten Väteranteil hatte der Landkreis Stendal mit 22,3 Prozent. Die Landkreise Börde und Burgenlandkreis lagen mit 26,9 Prozent an der Spitze.

Bei allem Blick auf die Defizite muss man aber auch festhalten: Die Väter nehmen eine immer aktivere Rolle bei der Kinderbetreuung ein. Seit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 geht die Väterquote kontinuierlich nach oben. Seit 2010 hat sie sich in Sachsen-Anhalt zum Beispiel verdoppelt.

Zum Glück, sagt Vater und Influencer Sebastian Tigges. Auf Instagram ist er unter anderem als “Walking Dad” unterwegs und spricht über seine Vaterrolle und Kindererziehung. Damit trifft er einen Nerv, seine Videos erreichen Hunderttausende. "Zu sagen, man will mehr Vater sein und mehr Zeit mit den Kindern investieren und haben: Dann muss man das halt auch machen", sagt Sebastian Tigges dem MDR. Dabei solle sich der Vater nicht als Helfer der Mutter begreifen, sondern als gleichberechtigt für Kinder und Haushalt Verantwortlicher.

Nicht sagen: 'Ich helfe meiner Frau bei der Kindererziehung und ich helfe meiner Frau im Haushalt.' Sondern: 'Ich erziehe die Kinder, ich bin 50 Prozent.'

Sebastian Tigges

Was Tigges von der Politik und von den Vätern fordert und wie es generell um die Vaterrolle von heute steht, sehen Sie in der Reportage von MDR exactly.

exactly: Neue Väter 29 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (Daniel Tautz)

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | exactly | 17. Januar 2024 | 20:45 Uhr

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