Wintercampus 2025 Kreative, Künstler, Kalbe: Neue, spannende Orte statt "Was soll das?"
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01. März 2025, 05:00 Uhr
Seit Jahren zieht Kalbe im Altmarkkreis Salzwedel Künstler aus aller Welt an. Was als mutige Idee begann, ist heute ein einzigartiges Projekt, das die Stadt verändert – so auch in diesen Tagen wieder beim alljährlichen Wintercampus. Hinter allem steht eine Frau mit einer Vision – und jede Menge leerstehender Häuser.
Die Straßen von Kalbe (Milde) wirken an diesem Montag wie aus einem Gemälde: Die Fachwerkhäuser reihen sich aneinander, die Sonne schaut noch zögerlich hinter den Wolken hervor und nur wenige Menschen sind unterwegs. Es ist still – noch. Denn bald werden hier Stimmen in unterschiedlichsten Sprachen erklingen, Pinsel über Leinwände gleiten und Skulpturen entstehen. Kalbe ist keine Stadt wie jede andere. Sie ist eine Künstlerstadt.
Kalbe: Von leeren Häusern zur lebendigen Künstlerstadt
Alles begann mit Corinna Köbele. Als sie vor 30 Jahren in die Altmark zog, verliebte sie sich in das alte Gerichtsgebäude, das seit 1996 leer stand. "So schöne Häuser, warum macht da niemand was?", fragte sie sich – und fand ihre eigene Antwort darauf. Als Künstlerin wollte sie nicht nur ein Gebäude retten, sondern einen Ort schaffen, an dem Kreativität wachsen kann. Inspiriert von der Künstlerstadt Gmünd in Kärnten und der Documenta in Kassel entstand eine Idee: eine Stadt, in der Kunst lebendig wird.
2013 gründete sie dafür den Verein Künstlerstadt Kalbe. Anfangs noch mit sieben Mitgliedern – heute sind es 130 Mitglieder, darunter auch welche aus Singapur und der Schweiz. Innerhalb weniger Wochen wurden leerstehende Häuser für die ersten Stipendiaten hergerichtet. Vieles war improvisiert, aber es funktionierte. "Wir haben alles zusammengetragen, was wir finden konnten. So sah es auch aus, aber es war trotzdem schön", erinnert sich die 62-Jährige.
Und schon im ersten Jahr kamen 15 Künstler zum Sommercampus. Anfangs noch nur aus Deutschland, später international. Mittlerweile ist die Kunststadt Kalbe längst kein Geheimtipp mehr.
Kreativität im Winter – der Campus als Treffpunkt
Der Wintercampus, den es seit 2014 einmal im Jahr gibt, bringt auch in den kalten Monaten Kreativität in die Stadt. Künstler aus aller Welt bewerben sich um einen Platz, einige kommen immer wieder. Manch früherer Stipendiat lehrt heute an Universitäten und empfiehlt Studierenden, sich für Kalbe zu bewerben. Köbele freut sich über jede Nachricht von ehemaligen Teilnehmern – und über Einladungen zu ihren Ausstellungen.
Ausstellungen, Performances, Workshops, Lesungen und vieles mehr wird es auch in diesem Jahr in Kalbe geben. Einen Monat bleiben die 14 Künstler und Künstlerinnen aus sieben Nationen zum Wintercampus. Sie werden zeichnen, tanzen, fotografieren, formen und schreiben. Der Kulturhof wird ihr Zuhause, das alte Gericht ihr Atelier und Kalbe zu ihrer Inspiration.
Wintercampus in Kalbe: Kunst, die verbindet – und bleibt
Dabei bleibt die Kunst nicht hinter verschlossenen Türen. Die Künstler arbeiten mit Kitas und Seniorenheimen zusammen und beziehen die Einwohner aktiv mit ein. So entstehen unerwartete Begegnungen – und manchmal auch Zuzug: Einige ehemalige Stipendiaten sind nach Kalbe gezogen, verrät Köbele.
Ein Beispiel für die Verbindung mit den Menschen vor Ort ist die Idee der Stipendiatin Manu Sudermann aus Stuttgart. Sie will in Kellern und Dachböden der Kalbenser nach alten Kuscheltieren suchen, um daraus etwas Neues zu erschaffen. Projekte wie diese zeigen, dass Kunst hier nicht nur betrachtet, sondern gelebt wird.
Einmal im Jahr verwandelt sich Kalbe in eine große Bühne. Beim "Brucca!"-Festival werden Straßen, Plätze und Brücken zu Orten für Theater, Musik und Zirkus. Der Name des Festivals stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Brücke" – passend für Kalbe, die Stadt der 100 Brücken. Besucher erleben hier Kunst hautnah, oft an überraschenden Orten.
Wandlung statt Stillstand
Der Verein besitzt mittlerweile vier Häuser und drei Grundstücke – und es wird weiter saniert. So wurden der Kulturhof und das alte Gericht vor dem Verfall gerettet – wie es sich Köbele vor vielen Jahren einmal gewünscht hatte. Helfer kommen von überall, oft einfach durch Mundpropaganda. "Es ist keine kleine Nummer mehr, wir sind weltweit bekannt. Das ist schon verrückt", freut sich die Vereinschefin und lacht.
Ich wurde auf der Straße angesprochen und gefragt: Was soll das mit der Künstlerstadt? [...] Mittlerweile bekommen wir viel Anerkennung.
Anfangs waren die Kalbenser noch misstrauisch, was da entsteht. "Ich wurde auf der Straße angesprochen und gefragt: Was soll das mit der Künstlerstadt? Mittlerweile ist es so, dass wir auch sehr viel gelobt werden, sehr viel Anerkennung bekommen. Das freut uns natürlich sehr, weil wir ja auch viel Herzblut und Leidenschaft in dieses Projekt hineinsetzen", sagt Köbele.
Und während sie das sagt, rollt auf dem Gehweg wieder ein Koffer über das Kopfsteinpflaster. Ein Künstler kommt an, vielleicht mit einem Skizzenbuch unterm Arm, vielleicht mit einer Idee im Kopf, die hier erst Form annehmen wird. Kalbe bleibt nicht stehen – Kalbe wird gestaltet.
MDR (Lydia Zahn)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 25. Februar 2025 | 19:00 Uhr
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