Ausstellung in Lüchow Wiedervereinigung: Wie Wendland und Altmark zusammenwachsen
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02. Oktober 2024, 17:52 Uhr
Deutschland feiert am 3. Oktober 2024 den 34. Jahrestag der Wiedervereinigung. Ein Jahr zuvor, also vor 35 Jahren, aber war es die friedliche Revolution im Osten, die das Miteinander von DDR und BRD überhaupt möglich machte. Als die Grenze fiel im Herbst 1989, da wurden oftmals aus Fremden wenn nicht Freunde, dann doch wieder Nachbarn. Den Wendländern in Niedersachsen und den West-Altmärkern geht das so. Eine Ausstellung im Kreishaus Lüchow widmet sich den Erinnerungen dieser Zeitzeugen.
- Wilhelm Heiseke erlebte als Kind das Ende des Zweiten Weltkriegs und die deutsche Teilung, die den Kontakt zu seinen Nachbarn abbrechen ließ.
- Nach der Grenzöffnung 1989 besuchte er sofort seine altmärkischen Nachbarn, mit denen er bis heute in Kontakt steht.
- Er engagiert sich als Zeitzeuge für eine Ausstellung.
84 Jahre alt ist Wilhelm Heiseke, insgesamt drei politische Umbrüche hat er in seinem Leben mitgemacht. Als der Zweite Weltkrieg endete, war er fünf. Den Einzug der Alliierten – erst der Amerikaner, dann der Engländer – in sein wendländisches Heimatdorf Lomitz erlebte er mit. Heisekes Eltern hatten eine Landwirtschaft, aber in ihrem Haus befanden sich auch eine Gastwirtschaft, die Poststation und der einzige öffentliche Fernsprecher. Anfangs fanden sich dort die Befreier mit den Dorfbewohnern zusammen. Später, nach der Grenzziehung, kam auch der eine oder andere DDR-Flüchtling, machte Rast, bat um Unterstützung.
Deutsche Teilung macht Weg zu Nachbar dicht
Heiseke musste der innerdeutschen Teilung genauso ratlos zusehen wie alle anderen. Plötzlich ging es nicht mehr, in Arendsee einzukaufen. Plötzlich war er dicht, der Weg zu den Nachbarn in Zießau (heute Sachsen-Anhalt), obwohl das erste Haus des Dorfs nur ein paar hundert Meter entfernt liegt.
So war es dann einer seiner ersten Wege nach Grenzöffnung im Herbst 1989, die Nachbarn in Zießau zu besuchen. "1989, da hab ich gleich erstmal Krischan besucht: Mensch, Nachbarn! Ja, und da haben wir uns so richtig gut verstanden immer", erzählt Heiseke. Der Kontakt bestehe bis heute.
Liebe für altmärkische Nachbarschaft
Zum Einkaufen fährt Wilhelm Heiseke auch nach der Grenzöffnung weiter meist nach Lüchow, so wie er es sich angewöhnen musste, als die Grenze gezogen wurde. Aber er hat sie entdeckt, die altmärkische Nachbarschaft. Schwärmt von den altmärkischen Städtchen, hat sich am Arendsee eine Hütte gekauft. Die Gespräche mit den Nachbarn dort – meist solchen aus dem Osten – genießt er, so oft er kann.
Sprache als bleibender Unterschied
Der größte spürbare Unterschied, grinst der Senior, bleibe sowieso bestehen: die unterschiedliche Sprache. Dafür gab es lange vor dem Eisernen Vorhang eine natürlich Grenze.
Der Landgraben, das ist die Grenze hier nach Salzwedel hin. Da ist ne große Sprachbarriere schon immer gewesen. Von hier bis zur Ostsee hoch haben wir alle den gleich Schnack. In Arendsee, da geht dat schon mitn Rad nach Stadt, weeßte?
Wilhelm Heiseke hat sich – wie alle anderen Zeitzeugen auch, zum Beispiel Nachbar Krischans Tochter Sigrid – freiwillig als Protagonist der Ausstellung im Kreishaus Lüchow gemeldet. Ihm zur Seite steht unter anderem der Stendaler Superintendent Michael Kleemann. Er war zur Wendezeit Pfarrer in der Katharinenkirche Salzwedel, hatte gemeinsam mit seinem Kollegen Hoffmann die Montagsgebete organisiert, war Mitbegründer des Neuen Forums.
Pfarrer wünscht sich "dankbareren Blick"
Seine Hoffnung, in der DDR einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" aufzubauen, zerstreute sich schnell. Dennoch sagt Kleemann heute: "Da sind viele Dinge auch eingetreten in ganz guter Weise, und ich ärgere mich über das viele Gejammer und die Larmoyanz – gerade hier unter meinen eigenen Landsleuten. Ich wünschte mir manchmal einen zuversichtlicheren und dankbareren Blick – bei allen Brüchen, die es auch gegeben hat."
Westdeutsche Entschuldigung?
Diese Brüche beschäftigen in diesem Tagen die Landrätin des Kreises Lüchow-Dannenberg, Dagmar Schulz. Deshalb befürwortet sie die Ausstellung im Kreishaus vollauf. Schulz ist der Meinung, "dass man sich da aus westdeutscher Sicht auch mal entschuldigen müsste für das, was empfunden wurde wie: Ja, die kommen jetzt aus dem Westen und sagen uns, was wir machen sollen. Ich glaube, dass das so verwurzelt ist, führt auch zu den heutigen Problemen, die wir immer noch mit dem echten Zusammenwachsen haben."
Dennoch, sagt sie, würden aus Wendländern und Altmärkern immer mehr Freunde, zumindest Partner werden. Mit dem Altmarkkreis und seinem Landrat Steve Kanitz (SPD) jedenfalls pflege sie freundschaftliche Kontakte, und sie wisse um viele, die die neue Nachbarschaft zwischen Ost und West leben und schätzen würden.
MDR (Katharina Häckl, Moritz Arand)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. Oktober 2024 | 07:40 Uhr
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