Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Mauerfall

31. Januar 2023, 14:58 Uhr


Warum fiel die Berliner Mauer?

Am Abend des 9. Novembers 1989 verkündete Günter Schabowski, Mitglied des Zentralkommitees und Politbüros der SED, bei einer Pressekonferenz Reiseerleichterungen für DDR-Bürger. Diese würden "sofort, unverzüglich" in Kraft treten. Dieses Zugeständnis war eine Reaktion auf den vorausgegangenen Ausreisestrom und die monatelangen Massenproteste der DDR-Bevölkerung. Westmedien berichteten über das Ende des DDR-Grenzregimes. Tausende Ostberliner machten sich daraufhin auf den Weg zu den Grenzübergängen und drängten erfolgreich auf die Öffnung der Mauer. Diese dauerhafte Öffnung der Grenze, die durch die Friedliche Revolution in der DDR erreicht worden war, beschreibt den Mauerfall.

Mauerfall, Menschenmassen drängen über Grenzübergang Invalidenstraße in Berlin, 1989
Nach Verkündung der Grenzöffnung drängen Menschenmassen über den Grenzübergang Invalidenstraße in Richtung West-Berlin. Bildrechte: imago images / imagebroker

Was passierte in den Wochen vor dem Mauerfall?

Die besagte Pressekonferenz war nur ein Auslöser für den Mauerfall. Die Reformen des sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow (Perestroika und Glasnost), die Wirtschaftskrise der DDR und die Massenflucht der DDR-Bürger in den Westen waren weitere Gründe. Aufgrund von Grenzöffnungen in Tschechien und Ungarn war die Grenze zum Westen im Herbst 1989 bereits löchrig.

Zudem war es in den Wochen vor dem Mauerfall zu friedlichen Massendemonstrationen in der gesamten DDR gekommen. Bei der ersten Montagsdemonstration in Leipzig am 4. September 1989 demonstrierten mindestens 800 Menschen für "ein offenes Land". In den Folgewochen forderten Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger Reformen und persönliche Freiheiten, allen voran die Meinungs- und Reisefreiheit. Dies geschah nicht nur in Großstädten wie Berlin oder Leipzig, sondern auch in kleineren Orten in der DDR wie zum Beispiel Plauen.


Welche Rolle spielten die "Ausreisewellen" von DDR-Bürgern in den Westen im Sommer und Herbst 1989?

Menschen aus Ost und West feiern den Fall der Berliner Mauer vor dem Brandenburger Tor in Berlin
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Die massenhafte Ausreise von DDR-Bürgern in den Westen war ein weiterer Umstand, der den Mauerfall einläutete. Im Sommer 1989 stellten 120.000 Menschen einen Ausreiseantrag, vor allem junge Menschen wollten der DDR den Rücken kehren. Statt einer Flucht über die innerdeutsche Grenze, entschieden sich immer mehr von ihnen über andere Ostblockstaaten in den Westen auszureisen. Nachdem die Grenzanlagen zwischen Österreich und Ungarn abgebaut worden waren, verließen bis zum September 1989 mehr als 30.000 DDR-Bürgerinnen und -Bürger über Ungarn die DDR.



Des Weiteren besetzten Flüchtlinge die bundesdeutschen Botschaften in Ost-Berlin, Warschau, Budapest und Prag, um ihre Ausreise zu erzwingen. Besonders in der Prager Botschaft kam es bald zu dramatischen Zuständen. Ende September hielten sich dort mehr als 5.000 Menschen auf, eine humanitäre Katastrophe drohte. Dem bundesdeutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher gelang es schließlich, einzulenken: Am 30. September 1989 verkündete er auf dem Balkon der Prager Botschaft, dass die Ausreise der Flüchtlinge nach Westdeutschland genehmigt worden sei.

Der Weg in die Bundesrepublik führte die Botschaftsflüchtlinge allerdings durch die DDR. Das sorgte für Unmut und Ausschreitungen u.a. in Städten wie Dresden: Dort versuchten Ausreisewillige am 4. Oktober 1989, die Züge in den Westen zu entern. Zur Unterstützung der überforderten Volkspolizei kamen gar spezielle Hundertschaften der NVA zum Einsatz.


Was geschah nach dem Mauerfall mit der Berliner Mauer?

Stück für Stück wurde die Berliner Mauer in den Wochen und Monaten nach dem Mauerfall demontiert. Am 14. November 1989 öffnete die DDR zehn Grenzübergange. Ab dem 24. Dezember 1989 durften West-Berliner und Bundesbürger visumfrei in die DDR einreisen.

Im Juni 1990 begann der offizielle Abriss der Mauer in der Bernauer Straße, welcher bis November 1991 andauerte und für den sowohl NVA- als auch Bundeswehrsoldaten eingesetzt wurden. Es fielen insgesamt 1,7 Millionen Tonnen Bauschutt an. Auch zahlreiche "Mauerspechte" versuchten mit Hämmern und Meißeln ein Stück des Schutzwalls zu ergattern.

Junges Mädchen bearbeitet mit Hammer und Meißel die Berliner Mauer
Wie diese Frau versuchten viele andere "Mauerspechte", Teile der Mauer herauszubrechen. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Stehen Teile der Berliner Mauer noch heute?

In Berlin stehen heute noch einige längere Teile der Berliner Mauer als Schauobjekt. In der "East Side Gallery" zwischen den Bezirken Friedrichshain und Kreuzberg ist ein 1,3 Kilometer langes Stück der Berliner Mauer zu sehen. Zahlreiche Mauerstücke wurden weltweit verkauft und befinden sich in Privatbesitz. Unter anderem stehen Mauersegmente heute im Englischen Garten in München und im Bonner "Haus der Geschichte".


Was geschah mit der Regierung der DDR nach dem Mauerfall?

Bereits vor dem Mauerfall waren Staatschef Erich Honecker und das Politbüro zurückgetreten. Dieses sollte sich mit nur zehn Mitgliedern neu formieren. Egon Krenz wurde neuer Generalsekretär des Zentralkomitees der SED. Am 1. Dezember streicht die DDR-Volkskammer den Führungsanspruch der SED aus der Verfassung. Kurz darauf, am 3. Dezember 1989, traten das Zentralkomitee und das Politbüro endgültig zurück. Bis zum 12. April 1990 hatte Hans Modrow als Vorsitzender des Ministerrats die Regierungsgeschäfte inne, diese war die letzte Regierung der DDR.


Was beschreibt der Begriff "Friedliche Revolution"?

Der Begriff beschreibt die Ereignisse und politischen Veränderungen, die in den Jahren 1989 und 1990 in der DDR friedlich herbeigeführt wurden. Die Montagsdemonstrationen in der DDR, sowie der Mauerfall spielten eine entscheidende Rolle bei der "Friedlichen Revolution", die den Sturz des SED-Regimes und der Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 zur Folge hatte.

Ähnlich ist der Begriff "Wende": Dieser beschreibt den politischen Wandel, der zum Zusammenbruch der SED-Diktatur führte. Bis heute ist diese Bezeichnung jedoch umstritten, da sie auf Egon Krenz zurückgeht. Dieser rief in seiner Antrittsrede als neuer Staatschef eine "Wende" der SED-Politik aus.


Welche Rolle spielten die Kirchen in der DDR während der Friedlichen Revolution?

Bereits zu Beginn der 1980er-Jahre diente die Kirche Friedensgruppen als eine Plattform für den Austausch. Unter dem Schutzschild der Kirche tauschten sie Reformideen aus. Die Situation in der DDR und der Wunsch nach mehr Freiheiten diskutierten Kirchenvertreter außerdem seit Ende der 1980er auf ihren Versammlungen. Friedensgebete, wie die in der Leipziger Nikolaikirche, wurden zu den Keimzellen des Protestes und der Massendemonstrationen gegen das SED-Regime.


Inwiefern beeinflussen die Ereignisse rund um den Mauerfall und die Friedliche Revolution unsere Gesellschaft noch heute?

In Zeiten von Wahlkampf und Krisen berufen sich Parteien oder Demonstranten wiederholt auf Losungen der Montagsdemonstrationen. Besonders die Parole "Wir sind das Volk!" ist weiterhin beliebt. So war sie unter anderem auf Kundgebungen gegen den Kosovo-Krieg oder gegen die Einführung von Hartz IV zu hören. Doch ihre Verwendung ist umstritten: Sie war beispielsweise in der Vergangenheit Teil des Wahlkampfes der AfD, die von sich behauptete, das Erbe der DDR-Bürgerrechtler fortzusetzen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warf der AfD gar vor, die Friedliche Revolution der DDR bewusst zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen.

Wahlplakat der AfD mit der Aufschrift ''Vollende die Wende''.
Wahlplakat der AfD mit Bezug zur Wende in der DDR Bildrechte: imago images / Martin Müller