Älteste Fischfanganlage Europas Arendsee: Archäologen gelingen spektakuläre Funde mit hochmodernen Robotern
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30. September 2023, 08:35 Uhr
Ein Forscherteam untersucht mit hochmodernen Tauchrobotern den Arendsee. Dabei tauchen regelmäßig bedeutende Funde auf. Erst kürzlich wurden die ältesten Überreste von Fischfanganlagen in Europa entdeckt. Die beiden Roboter mit Sonargeräten bieten dabei neue Möglichkeiten und präzise Ergebnisse. Sie werden von den Forscherteams stetig weiterentwickelt.
- Bei den Forschungen im Arendsee kommen hochmoderne, tiefseetaugliche Roboter zum Einsatz.
- Die Einsätze mit den Robotern sind nicht ungefährlich – und fördern Spektakuläres zu Tage.
- Erst kürzlich wurde die älteste nachgewiesene Fischfanganlage Europas entdeckt.
Die beiden Roboter sehen fast schon unspektakulär aus. Es sind rechteckige Kästen aus einem Stahlgerüst mit zwei Propellerschrauben als Antrieb. Doch die Technik, die darin steckt, ist spektakulär. "Mit den Robotern können wir die Ziele innerhalb kürzester Zeit finden", sagt der promovierte Archäologe Sven Thomas vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle. Die Geräte verfügen über Sonargeräte, die unter Wasser auch im Dunkeln Ziele aus 20 bis 30 Metern Entfernung anvisieren können. "Schon fast von der Wasseroberfläche können die Ziele angesteuert werden", sagt Sven Thomas.
Die Roboter sind Prototypen. Auch die Kameratechnik und Optik wurde von Forschern entwickelt. "Die Kameras sind tiefseetauglich", sagt Andreas Kaiser-Feuerstein von der Carl Zeiss Jena GmbH. Bis zu 6.000 Meter in die Tiefe können man damit abtauchen. Dabei die Titanic in 3.800 Metern zu erreichen wäre kein Problem. "Das Besondere ist aber, dass wir eine scharfe Optik bis an den Bildschirmrand haben – und das bei absoluter Dunkelheit."
Roboter arbeiten im Arendsee
Wenn die Roboter in den bis zu 53 Meter tiefen Arendsee hinunter gehen, dann tauchen sie zur gesuchten Stelle. Einer der Roboter liefert Licht in der absoluten Dunkelheit, der andere filmt und dokumentiert die Fundstellen, zu den Taucher folgen und einzelne Objekte mit an die Oberfläche holen. Auch die Roboter haben Greifarme und können unterstützen.
"Das ist durchaus gefährlich", sagt Sven Thomas. Am Donnerstag hatte es sogar einen Zwischenfall gegeben. Der Unterwasserkameramann Andreas Trepte aus Leipzig hatte sich in mehreren Seilen verheddert. "Das Wichtigste war dabei, die Ruhe zu bewahren", sagte Trepte MDR SACHSEN-ANHALT. Dies sei möglich gewesen, weil er ein sehr erfahrener Taucher ist, der auch schon der Karibik und der Antarktis abgetaucht ist und dabei gefilmt hat.
Älteste Fischfanganlage Europas entdeckt
Bisher wurde bereits der gesamte Arendsee von den Archäologen untersucht und Unterwasseraufnahmen erstellt. Nach umfangreichen Auswertungen gehe es nun in die Feinuntersuchungen. 20 Spots gucken sich die Wissenschaftler genauer an. Und es wird mit spektakulären Funden gerechnet. "Der Arendsee ist eine wahre Schatzgrube", sagt der Archäologe.
"Wir haben hier die ältesten Fischfanganlagen in Europa gefunden", sagt Sven Thomas. Im Arendsee seien Hunderte alte Pfeiler zu finden, die zu den Vorrichtungen gehörten. Vor einem Jahr wurden Fischfanganlagen entdeckt, die bis zu 7.000 Jahre alt sind. "Wir können das anhand der Holzpfeiler sehr genau bestimmen", sagt der Archäologe. Man brauche dazu heute gar nicht mal mehr viel Masse. "Früher mussten Baumringe gezählt werden, heute wird das Material verbrannt und die übrigbleibenden Substanzen analysiert."
Aber auch Steine eines alten Klosters und auch Menschenknochen würden zu Tage befördert. "Bei den Knochen wissen wir noch nicht, ob sie Hunderte Jahre alt sind oder möglicherweise aus dem Zweiten Weltkrieg." Mindestens ein deutsches Jagdflugzeug stürzte im Februar 1945 in den See. "Wir kümmern uns aber in der Regel um die älteren Funde", sagt der Archäologe. Wenngleich auch die Weltkriegsfunde interessant seien und ihre Berechtigung hätten.
Absackungen des Arendsees nachgewiesen
Der Archäologe Sven Thomas erläutert die speziellen Rahmenbedingungen am tiefsten See Sachsen-Anhalts. "Der See ist der Deckel über einem gewaltigen Salzstock." Der Salzstock von Gorleben kommt in Arendsee an die Oberfläche, wird durch eine "felsenhaften Deckel" abgedeckt. Da jedoch Wasser in den Salzstock hineinläuft, entstehen Höhlen, die irgendwann einbrechen. "Dadurch ist es schon mehrfach zu großen Absackungen gekommen", so der Archäologe.
Einer von bislang vier Absackungen wurde auch in dieser Woche untersucht. Der erste nachweisbare Einbruch stammt demnach von 822, wie er in einer historischen Chronik am Fränkischen Hof aufgeführt wurde. "Wir konnten nachweisen, dass dies kein reiner Mythos ist", so Sven Thomas. Aus Sicht des Archäologen, ist es nur ein physikalisches Rechenexempel, den nächsten Einbruch vorherzusehen und zu orten. Er beruhigt allerdings: "Das wird in ferner Zukunft sein." Allerdings ist klar, dass dies am nördlichen Ufer des Sees Richtung Ziemendorf sein wird – derzeit ein großes Naturschutzgebiet ohne Bebauung.
Stichwort: Archäologie im Arendsee
Bereits seit 20 Jahren gibt es im Arendsee immer wieder unterwasserarchäologische Untersuchungen. Der See in dem gleichnamigen Ort im Altmarkkreis Salzwedel ist mehr als 50 Meter tief und laut Landesamt dreieinhalb Kilometer lang und etwa zwei Kilometer breit. Er ist der größte natürliche See Sachsen-Anhalts.
MDR (Bernd-Volker Brahms, Leonard Schubert)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. September 2023 | 07:30 Uhr
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