Landeshauptstadt adé Warum eine junge Familie lieber in einer Kleinstadt als in Magdeburg lebt
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07. Juli 2021, 19:44 Uhr
Jana und Stefan Rödger lieben ihr Leben in Wolmirstedt. Warum sie den Ort mit 12.000 Einwohnern in der Börde der Landeshauptstadt vorziehen und was sie sich für ihre Zukunft in der Kleinstadt wünschen.
Ein Vogel zwitschert. Sonst ist es still. Blauer Himmel, Sonnenschein, das Gras im Garten frisch gemäht – fast wirkt es so, als wolle dieser Tag das stereotype Bild einer Kleinstadt zeichnen.
Idylle pur, oder? "Ja, hier ist es schon idyllisch", sagt Stefan Rödger und lacht: "Meistens jedenfalls!" Zurückgelehnt sitzt der 33-Jährige in seinem Gartenstuhl in Wolmirstedt. Knapp 12.000 Einwohner leben dort, Magdeburg ist mit dem Auto eine Viertelstunde entfernt.
Neben ihm sitzt seine Frau Jana, 28 Jahre alt, mit der fünf Monate alten Tocher Lina auf dem Arm. Früher hat das Ehepaar in der Landeshauptstadt gewohnt, doch dann zog es die beiden ins Umland. Denn: "Hier haben wir alles, was wir brauchen", sagt Jana Rödger. Und doch: "Ein paar Sachen gibt es, die besser werden könnten."
Familien-Leben lieber in der Kleinstadt
Familie Rödger hat ihr Glück in Wolmirstedt gefunden. Jana Rödger wurde hier geboren, wuchs hier auf. Vor drei Jahren zog sie mit ihrem Ehemann aus Magdeburg schließlich wieder zurück, um näher bei Eltern und Großeltern zu sein. Und vor allem, "weil die Familienplanung anstand", blickt sie zurück.
Jana und Stefan Rödger arbeiten im Einzelhandel im Schichtsystem. Da hilft es, wenn die Großeltern ab und an unkompliziert auf die kleine Lina aufpassen können. "Außerdem haben wir hier mehrere Kitas, und alle sind mehr oder weniger in der Nähe, eben fußläufig zu erreichen", so Stefan Rödger. "Das wäre in Magdeburg vielleicht anders gewesen. Da haben wir von Bekannten gehört, die durch die halbe Stadt fahren mussten, weil sie sich die Kita nicht aussuchen konnten", erklärt er weiter.
Allerdings: "Die Kita-Kosten sind in Wolmirstedt höher als in Magdeburg", erklärt Jana Rödger. "Da wäre es schön, wenn sich noch etwas ändern würde." Ein Wunsch in Richtung der Stadtpolitik. Für die interessiert sich das Ehepaar Rödger nämlich. Keine Spur von Verdrossenheit. "Wir waren in den vergangenen Jahren auch immer Wahlhelfer", sagt Stefan Rödger.
"Die Stadt liegt uns am Herzen"
Das politische Interesse passt ins Bild. Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis Wolmirstedt lag bei der Landtagswahl vor wenigen Wochen mit 66,5 Prozent 6,2 Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt. "Wer nicht wählen geht, kann danach nicht meckern", sagt Jana Rödger. Und ihr Ehemann ergänzt: "Wir meckern ja ganz gerne mal, aber auch nur, weil uns diese Stadt am Herzen liegt und wir uns Gedanken über die Zukunft hier machen."
Stichwort Zukunft und Kita-Plätze: In Wolmirstedt wird fleißig gebaut. Immer mehr Plätze für Einfamilienhäuser sind dort in den vergangenen Jahren entstanden. "Wenn das so weitergeht und ein Baugebiet nach dem anderen kommt", befürchtet Stefan Rödger, "dann könnte es irgendwann auch hier eng mit den Kita-Plätzen werden. Da sollte die Stadt rechtzeitig gegensteuern."
Familie Rödger bewohnt eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 70 Quadratmetern im Stadtzentrum. Außerdem haben sie einen Kleingarten gepachtet, zu Fuß nur wenige Minuten von der Wohnung entfernt. Das ist ihr eigener, kleiner, grüner Rückzugsort.
2018 wechselten sie von Magdeburg nach Wolmirstedt – und haben es bis heute nicht bereut. "Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, alle Schulformen, Sportvereine, einen Park, viel Grün: Hier gibt es alles, was wir brauchen", sagt der gebürtige Havelberger Stefan Rödger. Und: "Wenn doch mal etwas fehlt, ist es nach Magdeburg nicht weit."
Stadt soll Verkehr stärker kontrollieren
In Wolmirstedt sei alles familiärer als in der Landeshauptstadt. "Hier kennt jeder jeden", sagt Jana Rödger. "Zwar hast du auch hier deine Pappenheimer, mit denen du nicht so klar kommst, aber grundsätzlich ist es wie auf dem Dorf. Das gefällt uns. Da fühlt man sich wohl. In Magdeburg war alles distanzierter."
Und doch fühlen sie sich manchmal wie in der Großstadt. "Ja, was den Verkehr tagsüber angeht", sagt Stefan Rödger. "Da fahren viele Fahrzeuge mitten durch die Stadt. Viele Lkw suchen Abkürzungen, außerdem sind viele Landwirtschaftsfahrzeuge unterwegs, und die wenigsten halten sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen oder nehmen Rücksicht auf Fußgänger an Zebrastreifen. Wir würden uns wünschen, dass da seitens der Stadt mehr kontrolliert wird."
EIn Wunsch: mehr digitale Mitbestimmung
Ein weiteres Anliegen: "Die Bevölkerung sollte mehr mit einbezogen werden", sagt Stefan Rödger, "gerade in so einer kleinen Stadt gibt es doch beste Möglichkeiten dazu." Aber: "Das System mit den Stadtratssitzungen, zu denen man eingeladen wird, wenn man etwas ansprechen will, ist veraltet. Da sollten digitale Alternativen angeboten werden."
Viele Anstöße, viele Gedanken, die zeigen: Familie Rödger sieht ihre Zukunft in Wolmirstedt und will diese mitgestalten. "Wir fühlen uns hier heimisch", sagt Jana Rödger, "und wollen erstmal nicht weg." Nachvollziehbar an solch idyllischen Tagen. Und wahrscheinlich nicht nur dann.
Über den Autor
Daniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.
Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt. Bei MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet er seitdem als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.
MDR/Daniel George
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 05. Juli 2021 | 19:00 Uhr
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