Wahlbereiche Neue Wahlbereiche im Salzlandkreis sorgen für Diskussionen
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04. Juni 2024, 15:06 Uhr
Jede Stimme soll zur Kommunalwahl gleich viel zählen – auch wenn die Bevölkerung ungleich verteilt ist. Im Salzlandkreis gibt es für die Kreistagswahl am 9. Juni neue, größere Wahlbereiche. Die Aufteilung sorgt für Kritik. Bürgerinitiativen fürchten, weniger Chancen zu haben. Hinter den Zuschnitten stehen Überlegungen aus Mathematik, Geografie und Politik. Eine Bestandsaufnahme aus dem Salzlandkreis.
- Der Salzlandkreis hat neue Wahlbereiche für die Kreistagswahl festgelegt.
- Wählerinitiativen fürchten Nachteile.
- Die Wahlbereiche festzulegen, ist kompliziert.
Ralf-Peter Schmidt aus Staßfurt schreibt dieser Tage viele E-Mails. Mitteilungen an Pressevertreter und die Öffentlichkeit. Es geht um übervolle Altglascontainer, einen Bürgerentscheid zur Frage, ob sein Heimatort bald "Salzstadt Staßfurt" heißen soll, oder um die Wahlbeteiligung an den Orten der Stadt, in denen es kein Wahllokal gibt.
Wahlkampf-Endspurt im Salzlandkreis
Sichtbarkeit ist wichtig im Wahlkampf, aber auch sonst kümmert sich Ralf-Peter Schmidt. Er sitzt im Kreistag und im Stadtrat. Er stellt gern unbequeme Fragen und hat eine Agenda. Seine Mails schickt er von einer privaten Mailadresse. Hinter dem @-Zeichen steht keine Partei. Ralf-Peter Schmidt engagiert sich bei der Unabhängigen Bürgervertretung Staßfurt, kurz UBvS.
Bürgerinitiativen würden sich immer aus einem Problem heraus gründen, sagt er. Mütter, die ihre Kita erhalten wollten, Interessierte, die keine Lust auf Parteipolitik gehabt hätten. "Und so haben wir uns zusammengeschlossen, um hier für die Ortsteile und die Kernstadt gemeinsam etwas zu machen", so Ralf-Peter Schmidt.
Bürgerinitiativen haben lokal Gewicht
Dazu gehört für die Initiative auch, nicht nur im Stadtrat mitzureden, sondern auch im Kreistag. Noch sitzt Ralf-Peter Schmidt bei den Sitzungen im großen Saal des Landratsamtes in Bernburg. Wieder reinzukommen, dürfte schwieriger werden, schätzt er ein. "Das Kritische ist ja, dass die Wahlbereiche größer geworden sind." Mehrere größere Städte bilden einen Wahlbereich im Salzlandkreis. "Und dadurch sind die kleinen Bürgerinitiativen, die vor Ort agieren, einfach benachteiligt." Stimmen zu sammeln in anderen Orten sei schwierig.
Wählergemeinschaften und Wählerinitiativen gibt es in vielen Orten. Sie sind lokal mitunter sehr einflussreich, aber eben nur direkt vor Ort. So müsste der Kandidat aus Staßfurt auch Wähler im benachbarten Hecklingen oder in Egeln von sich überzeugen. In beiden Orten gibt es aber auch Wählerinitiativen. Neue Konkurrenz, gewissermaßen.
Wählerinitiative aus Aschersleber mit Problemen
2019, zur jüngsten Kommunalwahl, gab es im Salzlandkreis noch sieben Wahlbereiche. Jetzt sind es noch vier. Bernburg, Nienburg und Saale-Wipper bilden einen Wahlbereich. Schönebeck, Barby, Bördeland und Calbe einen weiteren, dazu Staßfurt, die Egelner Mulde und die Stadt Hecklingen. Könnern, Aschersleben und die Stadt Seeland bilden ebenfalls einen großen, neuen Wahlbereich für die Kreistagswahl.
Auch für die "Wählerinitiative die Aschersleber Bürger", kurz WIdAB, kann es eine Herausforderung werden, in den neuen Kreistag einzuziehen. Dabei ist die Bürgerinitiative in Aschersleben eine wichtige kommunalpolitische Kraft. Die Initiative stellt seit rund 30 Jahren den Oberbürgermeister und hat im jetzigen Kreistag Vertreter. Holger Weiß sitzt für die WIdAB im Stadtrat und will in der nächsten Wahlperiode auch in den Kreistag.
Wählerinitiativen fürchten Nachteile
Er fürchtet wegen des neuen Zuschnitts Nachteile. „Ich glaube schon, dass die großen, etablierten Parteien Vorteile davon haben, dass sie in einer bestimmten Größe ihren Wahlkampf aufziehen können, auch über die Grenze der Wahlbezirke hinaus“, so Holger Weiß.
54 Sitze gibt es im Kreistag, um diese Sitze bewerben sich 280 Kandidaten. Über den Zuschnitt der Wahlbereiche hat letztlich der Kreistag entschieden. Die Neuaufteilung war notwendig. Jede Stimme soll gleich viel Gewicht haben. Eine Art lokale Chancengleichheit. Diese herzustellen ist kompliziert. Die Wahlbereiche sollen annähernd die gleiche Größe haben.
Deshalb wurde die neue Aufteilung notwendig
"Die Änderung der Wahlbereiche von sieben auf jetzt vier Wahlbereiche geht letztlich auf eine Gesetzesänderung zurück", sagt Kreiswahlleiter Marko Gregor. Das Kommunalwahlgesetz schreibt vor, dass mehrere Wahlkreise zu bilden sind. "Es gibt auch eine Regelung, dass nur eine bestimmte Abweichung in den zu bildenden Wahlbereichen zulässig ist", stellt der Kreiswahlleiter fest. Die durchschnittliche Einwohnerzahl der Wahlbereiche darf um höchstens 20 Prozent voneinander abweichen. "Es gibt auch verfassungsgerichtliche Vorgaben, dass man diese 20 Prozent nicht einfach so ausreizen darf, man muss also möglichst nah dran bleiben."
Vorher wären 25 Prozent zulässig gewesen. Das ginge nicht mehr. Außerdem sollen bei den Zuschnitten Gemeindegrenzen berücksichtigt werden, damit die Anwohner eines Ortes nicht Kandidaten aus zwei Listen wählen müssen. Sieben Wahlbereiche wären rechnerisch nicht mehr möglich gewesen. Im Kreistag wurden verschiedene Varianten diskutiert und sich entschieden. Letztlich sei das eine kommunalpolitische Entscheidung, sagt Marko Gregor.
Auf der Liste einer Partei für den Kreistag zu kandidieren, stand für Ralf-Peter Schmidt aus Staßfurt nicht zur Debatte. "Einerseits sind in der UBvS Menschen, die sich von Parteisatzungen verabschiedet haben, weil sie das lange noch in ihrem Leben hatten", stellt er fest. Andererseits gebe es da einfach Bürger, die vor Ort Initiative ergreifen wollen.
Auswirkungen erst nach der Wahl sichtbar
Eine Lösung für lokale Wählerinitiativen, im Landkreis über Stadtgrenzen hinweg Gehör zu finden, könnte eine gemeinsame Liste sein. Allerdings bräuchte es dann einen Zusammenschluss und ein gemeinsames Programm. Und die Wählerinitiativen sind so verschieden wie ihre Macher.
Welche Auswirkungen die Wahlbereiche auf die Politik haben und ob kleine Initiativen tatsächlich weniger mitreden können, wird sich am Wahlsonntag zeigen. Ralf-Peter Schmidt wird in den nächsten Tagen wohl noch einige E-Mails herumschicken.
MDR (Tom Gräbe)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 19. Mai 2024 | 17:00 Uhr
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