Nachfolge im Handwerk Dieser Bäcker bleibt im Dorf
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06. Mai 2023, 10:18 Uhr
Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs. Tausende Betriebe in Sachsen-Anhalt brauchen in den nächsten fünf Jahren einen Nachfolger, sonst droht ihnen die Schließung. Philipp Rhodmann hat vor einem Jahr den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und eine Bäckerei in Jerichow übernommen. Trotz steigender Energie- und Lebensmittelpreise bereut er seine Entscheidung nicht.
- Der Bäckermeister Philipp Rhodmann sah sich früher nicht als Chef mit eigenem Betrieb.
- Irgendwann wollte er doch nicht mehr für andere arbeiten, hat sich selbstständig gemacht…
- …und wurde direkt mit explodierenden Mehlpreisen konfrontiert. Doch die Probleme konnte er meistern.
Bäckermeister Philipp Rhodmann steht hinter dem Verkaufstresen seiner Bäckerei in Jerichow und stellt lächelnd eine Auswahl von Kuchenstücken zum Mitnehmen zusammen. Beim Einwickeln bittet er seine Verkäuferin um Hilfe: Sie sei geübter, sagt er ehrlich. Denn im Verkauf ist der 32-Jährige selten zu sehen. Als Meister und Chef hat er zahlreiche andere Aufgaben. Doch ab und zu geht er hier zur Hand und "viele Kunden freuen sich, auch mal mit dem Chef zu quatschen."
Rhodmann sah sich früher nicht als Chef
Der junge Chef aus Schönhausen kennt den Betrieb schon von seiner Lehrzeit. Als sein Ausbilder in Klietz kurzzeitig erkrankte, fuhr Rhodmann vier Monate lang jeden Morgen knapp zehn Kilometer bis nach Jerichow mit dem Fahrrad, um dort seine Ausbildung fortzusetzen. Sein Meister aus Klietz hatte den Kontakt nach Jerichow vermittelt, damit Rhodmann die Lehre in der Zeit seiner Abwesenheit ohne Unterbrechung fortsetzen konnte. Später kam er als Geselle erneut nach Jerichow. Schon damals sprach ihn der Bäcker Ulrich Rode an: "Wenn sich keiner findet, dann musst du den Meister machen und zurückkommen." So kam es dann auch – aber erst zehn Jahre später.
Ich habe mich als Lehrling nicht so gesehen, dass ich mal einen eigenen Betrieb habe.
Der Bäckerberuf wurde Philipp Rhodmann quasi in die Wiege gelegt. Bereits sein Urgroßvater hatte eine eigene Bäckerei. Trotzdem sah sich Rhodmann nicht sofort in der Selbstständigkeit: "Ich habe mich als Lehrling nicht so gesehen, dass ich mal einen eigenen Betrieb habe." Er sammelte erst einmal Erfahrung, unter anderem als Filialleiter und in der Industrie.
Mit Meistergründungsprämie zur Selbstständigkeit
Auch der Geschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, Burghard Grupe, weiß, dass einigen die Verantwortung als Filialleiter heutzutage ausreicht: "Viele wollen sich gar nicht mehr selbstständig machen. Gerade die Bäcker haben es sehr schwer im Moment, Nachfolger oder Nachfolgerinnen zu finden." Arbeitszeiten, Energiewende, steigende Personal- und Lebensmittelkosten sowie Bürokratie schrecken ab. Dabei sind allein im Norden von Sachsen-Anhalt 40 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer älter als 55 Jahre. In den kommenden fünf Jahren suchen 3.600 Handwerksbetriebe eine Nachfolge, sonst droht ihnen die Schließung.
Viele wollen sich gar nicht mehr selbstständig machen. Gerade die Bäcker haben es sehr schwer im Moment, Nachfolger oder Nachfolgerinnen zu finden.
Doch nach 15 Jahren als Angestellter kam für Rhodmann der Punkt, an dem er nicht mehr für andere arbeiten wollte. Er nahm die erste Hürde und machte seinen Meister. 18 Wochen lang fuhr er dafür nach Hannover. "Morgens um 6 aus dem Haus, abends um 6 nach Hause gekommen und am Wochenende noch arbeiten, um alles finanzieren zu können."
Denn trotz Bafög und Förderungen vom Land stemmte er 60 Prozent der 10.000 Euro teuren Ausbildung alleine. Einige Betriebe fördern durch die Kostenübernahme bereits ihre eigenen Nachfolger. Philipp Rhodmann plädiert dafür, dass die Meisterausbildung noch besser finanziert oder kostenlos wird. Das Fazit des Bäckers bleibt dennoch: "Wer den Beruf liebt, der wird das auch machen wollen."
"Mit einem Mal sind die Mehlpreise explodiert"
2022 kam Philipp Rhodmann schließlich zum dritten Mal nach Jerichow zurück. Seine Mitarbeitenden mussten den jungen Meister erst einmal als neuen Chef akzeptieren. Auch der alte Bäckermeister Rode musste lernen, loszulassen. Für eine sanfte Übergabe des Betriebs half er zu Beginn noch eine Zeit lang im Geschäft mit aus. Er wohnt noch heute über der Backstube und genießt nun seinen Ruhestand.
Die Handwerkskammer half nicht nur mit Beratungen aus. Neben Betriebsbörsen und Infoveranstaltungen unterstützt sie Neugründungen oder Übernahmen auch finanziell – mit bis zu 10.000 Euro. Finanzielle Hilfe bekam Rhodmann auch von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt. Er profitierte von der sogenannten Meistergründungsprämie.
Meistergründungsprämie Die Meistergründungsprämie wird vom Land vergeben. 10.000 Euro erhalten Handwerksmeister und -meisterinnen als Förderung bei der Gründung von Betrieben. Die Handwerkskammer unterstützt bei der Antragsstellung.
Dennoch stand er bereits in seinem ersten Jahr vor finanziellen Herausforderungen: "Ich hatte übernommen und mit einem Mal sind die Mehlpreise explodiert." Später stiegen die Energiekosten und Zucker wurde doppelt so teuer. Das waren große Probleme gleich nach der Übernahme – aber insgesamt seien sie gut durch das erste Jahr gekommen.
Rhodmann setzt auf Regionalität und Tradition
Inzwischen betreibt Philipp Rhodmann neben der Bäckerei in Jerichow auch eine Filiale in Genthin, ein Café sowie einen mobilen Verkauf für die umliegenden Dörfer. Ab Mai ist noch ein weiterer Wagen geplant, denn der Bäcker ist wichtig für die Region – so wichtig, dass die Landräte der Umgebung ihn persönlich anrufen. Doch nicht nur im Verkauf, sondern auch schon bei der Produktion zeigt sich seine regionale Verbundenheit.
Das Mehl bezieht Rhodmann aus Magdeburg, für das neue Spargelbrot sowie für die Obstkuchen kommen viele Zutaten von regionalen Höfen. Wenn er Sonntagnachmittag in der Backstube steht und den Sauerteig zubereitet, weiß er, was er am Ende des Tages geleistet hat. Jedes Brötchen sieht bei ihm anders aus und von der Qualität sind die Kunden überzeugt. Trotz harter Arbeitszeiten steht für Rhodmann fest: "Ich möchte gar nicht anders arbeiten."
Philipp Rhodmann führt die Bäckerei und Konditorei Rode inzwischen in der vierten Generation fort. Bisher wurde sie von der Familie betrieben, deshalb hat sich Rhodmann entschieden den Traditionsnamen beizubehalten. Noch in diesem Jahr feiert das Unternehmen sein 110-jähriges Bestehen – voraussichtlich im August. Bis dahin ist Rhodmann noch auf zahlreichen anderen Festen mit dem Verkaufswagen persönlich unterwegs.
MDR (Laura Saalfeld, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 02. Mai 2023 | 13:41 Uhr
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