Trotz Arbeitskräftemangels Zwei Jahre Jobvermittlung für Rentner im Harz: Programm läuft schleppend

10. Januar 2025, 20:05 Uhr

Um dem Arbeitskräftemangel vieler Unternehmen im Harz zu begegnen, startete im Landkreises vor zwei Jahren das Programm "Jobvermittlungsoffensive Generation60+". Die Idee war, Rentner als Aushilfen oder zur Bewältigung von Engpässen an Firmen zu vermitteln. Die Bilanz nach zwei Jahren ist durchwachsen.

Es klingelt. Helgard Quasthoff greift zum Telefonhörer. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch in der Stadtverwaltung von Blankenburg. Eigentlich ist die 68-Jährige längst Rentnerin. Doch nachdem die frühere Buchhalterin ein Jahr im Ruhestand verbracht hatte, brauchte sie Abwechslung. "Ich habe festgestellt: Das erfüllt mich nicht", sagte sie MDR SACHSEN-ANHALT. Sie habe dann nach einer Möglichkeit gesucht, einen Teilzeitjob zu finden, der ihr Spaß macht.

Eine ältere Frau sitzt in einem Büro am Computer.
Helgard Quasthoff arbeitet 20 Stunden pro Woche für die Stadt Blankenburg, obwohl sie Rentnerin ist. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Vor eineinhalb Jahren begann sie schließlich in der Stadtverwaltung von Blankenburg noch einmal zu arbeiten. Erst war sie in der Finanzbuchhaltung, jetzt bearbeitet sie die kommunalen Steuern. Drei Tage pro Woche, 20 Stunden Teilzeit, freut sich die frühere Buchhalterin. Ihr mache die Arbeit am Computer sehr viel Spaß. Sie habe außerdem das Gefühl, noch einmal etwas richtig Sinnvolles zu tun.

Arbeitgeber machen kaum Job-Angebote

Ihre Stelle bekam Helgard Quasthoff über das Programm "Jobvermittlungsoffensive Generation60+" des Landkreises Harz. Vor zwei Jahren war es auf Initiative des Landrates ins Leben gerufen worden. Interessenten werden seitdem von der Kommunalen Beschäftigungsagentur (KoBa) beraten und vermittelt.

Helgard Quasthoff ist allerdings nur eines von wenigen positiven Beispielen. Das Programm läuft schleppend. Es sei viel schwieriger als ursprünglich gedacht, sagt Cathleen Cassel. Sie ist die für das Projekt Verantwortliche bei der KoBa Jobcenter Harz. Die Seniorinnen und Senioren, die bei ihr vorsprechen, würden nach konkreten Angeboten fragen. Es gebe aber nur wenige konkrete Anfragen von Arbeitgebern.

Ein Rentner und eine Jobvermittlerin sitzen an einem Besprechungstisch.
Cathleen Cassel vom Jobcenter bei einer Beratung mit einem Rentner in Quedlinburg. Auch er möchte arbeiten. Bildrechte: Landkreis Harz

Enkel und Hobby passen nicht in Betriebsabläufe

Und wirklich: Nur wenig mehr als 100 Anfragen gab es in den zwei Jahren seit Bestehen des Programms. Die meisten davon kamen von an Jobs interessierten älteren Menschen, nur wenige von Unternehmen. Offensichtlich treffen dabei verschiedene Welten aufeinander.

Die Halberstädter Hörakustikerin Yvette Grön zum Beispiel hat durchaus Bedarf, doch eine erfolgreiche Vermittlung gab es bislang nicht. Das Programm gefalle ihr sehr gut, sagt sie. Aber bisherige Gespräche wären an mangelnder Flexibilität gescheitert. Viele Ältere wollen demnach nur stundenweise arbeiten, haben Hobbies oder wollen auch Enkelkinder betreuen. In ihrem Betriebsalltag funktioniere das nicht.

Ältere als Reserve für Arbeitsmarkt

Trotzdem wird bei der KoBa weiter fleißig um interessierte Senioren und Arbeitgeber geworben. Die "Jobvermittlungsoffensive Generation60+" soll unbedingt weiterlaufen, das ist ausdrücklicher politischer Wille im Harz. Landrat Thomas Balcerowski (CDU) sieht die Älteren als eine Art Reserve am Arbeitsmarkt. Er höre oft von Seniorinnen und Senioren, dass viele noch gern arbeiten würden. Solange auch Firmen Bedarf hätten, bräuchte es eine Kommunikations- und Vermittlungsplattform. "Die bieten wir und da bleiben wir dabei. Da wollen wir weiter ein Angebot machen", so Balcerowski. 

Landrat Thomas Balcerowski präsentiert mit einer Mitarbeiterin des Jobcenters Harz ein Dokument.
Landrat Thomas Balcerowski und Projektleiterin Cathleen Cassel beim Start des Programms im Dezember 2023. Bildrechte: Landkreis Harz

Bei Helgard Quasthoff jedenfalls läuft es gut, auch weil die Stadt Blankenburg als Arbeitgeber Zugeständnisse bei der Arbeitszeit gemacht hat. Für KoBa-Harz-Sprecherin Anita Denecke ein Beispiel, dass es funktionieren kann. Man müsse mehr aufeinander zugehen. Die Interessen der Senioren und die der Arbeitgeberseite müssten besser in Einklang gebracht werden. "Wenn das klappt, dann kann solch eine Teilzeitarbeit mit Ruheständlern sehr gut funktionieren. Das kann man am Beispiel von Frau Quasthoff in Blankenburg sehen", so Denecke.

Win-Win-Situation

So ist für beide – die Seniorin, die arbeiten möchte, und den Arbeitgeber, dem die Fachkräfte fehlen – eine Win-Win-Situation entstanden. Natürlich nicht für ewig. Ein Jahr noch vielleicht würde sie so weiterarbeiten, so Helgard Quasthoff. Doch die rüstige Rentnerin will dann noch nicht aufhören. Sie könne sich gut vorstellen, noch ein paar kleinere Aufgaben zu übernehmen, vielleicht im Tierschutz oder Umweltschutz. Vielleicht kann dabei dann wieder die "Jobvermittlungsoffensive Generation60+" Hilfestellung geben.

MDR (Carsten Reuß, Luise Kotulla)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. Januar 2025 | 19:00 Uhr

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