Religiöser Gesang Jüdische Musik eröffnet Halberstädter Domfestspiele
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18. Mai 2024, 17:56 Uhr
Die Halberstädter Domfestspiele sind mit jüdischem Gesang eröffnet worden. Darunter finden sich auch Lieder aus der Synagoge, die 1938 auf Anweisung der Nationalsozialisten abgerissen werden musste. Der junge Bariton Samuel Berlad lässt die alten Lieder der Gemeinde, die 800 Jahre bestand, wieder erklingen.
- Die Halberstädter Domfestspiele haben mit jüdischer Musik begonnen.
- Die alten Lieder werden unter anderem von der Moses-Mendelssohn-Akademie am Leben gehalten – ansonsten ist deutsche jüdische Liturgie fast ausgestorben.
- Der Bariton Samuel Berlad spürt im Alltag starke Anfeindungen. Auch der Krieg ist oft Thema. Berlad wünscht sich Frieden.
Der Bariton Samuel Berlad hat die Halberstädter Domfestspiele mit jüdischen Liedern eröffnet. Der Deutsch-Amerikaner kam eher durch einen Zufall zu diesem Auftritt, erzählt er im Hof der einstigen Synagoge unterhalb des Halberstädter Domes. Nach seinem Gesangsstudium und der Ausbildung zum jüdischen Kantor in Tel Aviv bewarb er sich deutschlandweit und gelangte an das Theater Halberstadt.
Von der einstigen neoorthodoxen jüdischen Gemeinde hat er nicht viel gewusst, wohl aber den Namen schon einmal gehört. "Ich kenne auch einige Leute, die Halberstadt heißen und es gibt in meiner Frankfurter Synagoge ein Mitglied, dessen Vater aus Halberstadt vertrieben wurde."
Moses-Mendelssohn-Akademie wichtig für Erhalt der Kultur
Berlad zog in die Vorharzstadt und kam mit der Moses-Mendelssohn-Akademie in Kontakt, die die Erinnerung an die einstige Gemeinde wachhält und bis heute Kontakte zu Überlebenden und Nachfahren der jüdischen Halberstädter pflegt. Die Synagoge war eine besondere. Hier wurde nicht nur gebetet, es wurden Rabbiner ausgebildet und es gab eine eigene Liturgie. Das waren jüdische Gebete, die nach einer Halberstädter Melodie gesungen wurden, sagt Uri Faber von der Moses-Mendelssohn Akademie.
Er erinnert sich an Motke Winter, der im Knabenchor der Synagoge mitgesungen hatte. Motke Winter konnte nach Palästina fliehen und überleben. Er berichtete, dass die Sänger vor den hohen Feiertagen strenge Proben hatten und regelmäßig erscheinen mussten. Wer das nicht tat, durfte in den Gottesdiensten nicht nach oben zum Rabbiner gehen, um den Segen zu erhalten. Das war ein peinlicher Moment, den sich viele ersparen wollten sagt Faber und lächelt.
"Deutsche Liturgie nahezu ausgestorben"
Geprobt hat auch Samuel Berlad unter besonders schwierigen Bedingungen. Zwar waren die Noten da, aber niemand, der ihm aus erster Hand schildern konnte, wie die Gebete genau gesungen werden.
"Die deutsche Liturgie ist nahezu ausgestorben. Es gibt nur ein paar Synagogen in der Welt, wo so ein Museumsstück mit Infusionen am Leben gehalten wird. Aber wirklich verbreitet ist das nicht mehr. Und darin liegt auch die Schwierigkeit herauszufinden, wie das gemeint war, da die Noten für Leute geschrieben wurden, die das kannten." Der junge Bariton hat sich in die alte Musik hineinvertieft und ihr wieder eine, nämlich seine Stimme verliehen, die anrührt und beruhigt in diesen unruhigen Zeiten.
Anfeindungen als Jude
Samuel Berlad spürt nahezu täglich in seinem Alltag in Halberstadt, dass er wegen seines Judentums angefeindet wird. "Es ist erschreckend wie unwissend die Welt ist und wie schnell bewertet wird. Der Hass ist unendlich groß. Ich spüre das im Supermarkt, auf der Straße, wenn Leute mich ankeifen und sagen, euch hätte man vergasen müssen."
Der Konflikt in Gaza nach dem Überfall der Hamas auf Israel sorgt in der ganzen Welt für einen zunehmenden Antisemitismus. Auch das Verhalten einiger Künstler beim Eurovision Songcontest betrübt Berlad, als sie sich weigerten mit ihrer israelischen Kollegin gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Der junge Sänger zeigt sich aber auch erleichtert, dass die Zuschauer beim Voting größtenteils für die israelische Sängerin stimmten. Dennoch macht er sich große Sorgen.
Wunsch nach Frieden
"Das macht mich traurig, das macht mich müde, das beschäftigt mich Tag und Nacht. Freunde in Israel verteidigen ihr Land. Ich wäre jetzt auch dort, wenn ich nicht hier singen müsste. Ich würde auch meinen Teil dazu leisten und jetzt in den Theaterferien werde ich das auch tun." Der Wunsch von Berlad ist, dass wieder Frieden herrscht im Nahen Osten und Juden in der ganzen Welt nicht um ihr Leben fürchten müssen und auf Polizeischutz angewiesen sind.
Dabei verweist auf den Anschlag von Halle, der deutlich gemacht habe, dass es ohne Polizei nicht gehe. "Wir stehen jetzt hier an einem Platz, wo eine Synagoge zerstört wurde und das sagt eigentlich alles. Und der Widerstand gegen den Neubau einer Synagoge in Magdeburg, wo es hieß, das ist doch eine Verschwendung und das brauchen wir nicht. Naja, der Steuerzahler hat die alte Synagoge abgebrannt und dann gehört es sich, dass man dann auch wieder eine neue baut." Bei den Domfestspielen in Halberstadt haben die Organisatoren mit diesem Auftakt ein Zeichen für Weltoffenheit gesetzt.
MDR (Sebastian Mantei, Leonard Schubert)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 18. Mai 2024 | 15:40 Uhr
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