Weltanschauungsbeauftragter Spirituelle Organisation im Harz: Das steckt hinter der SSRF
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25. Oktober 2021, 18:03 Uhr
In Allrode im Harz hat die "Spiritual Science Research Foundation" vor kurzem ein ehemaliges Hotel gekauft. Sören Brenner ist Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und erklärt im Interview, was es mit der spirituellen, hinduistisch geprägten Gruppe auf sich hat.
- In Allrode bei Thale hat sich vor geraumer Zeit die "Spiritual Science Research Foundation" angesiedelt – eine hinduistische Gruppe, die die Satsang-Lehre vertritt.
- Die Gruppe bietet Angebote gegen Stress und Alltagsprobleme. Experte Sören Brenner rät davon ab, diese Angebote wahrzunehmen.
- Sorge vor einem "spirituellen Woodstock mit kiffenden Hippies" müssen Anwohnerinnen und Anwohner nach Einschätzung des Experten aber nicht haben.
MDR SACHSEN-ANHALT: Herr Brenner, was ist bislang über die "Spiritual Science Research Foundation" (SSRF) bekannt, die vor einigen Monaten ein ehemaliges Hotel in Allrode im Harz gekauft hat?
Sören Brenner: Die SSRF ist eine hinduistische Gruppe, die die sogenannte Satsang-Lehre vertritt. Meines Wissens ist sie die erste Satsang-Gruppe in Sachsen-Anhalt. Von meinen internationalen Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass die Gruppe bereits in verschiedenen Orten in Europa bekannt ist, in Deutschland ist sie allerdings bislang nur ganz am Rande in Erscheinung getreten. In Westdeutschland ist die Gruppe bereits aufgetreten, aber es gab noch keine Niederlassung. Mit dem Kauf des Objektes in Allrode versucht die SSRF nun offenbar, einen Fuß auf den Boden zu setzen. Dazu kommt: Die Organisationsstruktur der Gruppe ist sehr intransparent.
Was hat es mit der Satsang-Lehre auf sich?
Bei Gruppen, die sich auf Satsang berufen, steht im Hintergrund ein Guru, der der Spiritus Rector ist, also der spirituelle Anführer. Unterhalb dieses Gurus gibt es Lehrer, sozusagen "Unter-Gurus", die private Lehrer-Schüler-Verhältnisse initiieren, innerhalb derer sie ihre Schülerinnen und Schüler zur Erleuchtung führen wollen. Im Falle der SSRF ist das Ganze verpackt in niedrigschwellige Angebote zur Hilfe gegen Stress und Alltagsprobleme. So klingt es erstmal wenig nach einer hinduistischen Guru-Gruppe. Problematisch dabei ist, dass esoterische Angebote wie die der SSRF versprechen, Menschen von den Schwierigkeiten zu heilen, die die Zivilisation mit sich bringt. Dem Westen wird also unterstellt, dass er Menschen krank macht mit seiner Lebensart. So wird eine kulturelle und spirituelle Überlegenheit der eigenen Lehre deutlich gemacht. Ich würde davon abraten, bei so etwas mitzumachen.
Zur Person: Sören Brenner Sören Brenner wurde 1969 in Leipzig geboren. Er hat in Leipzig und Birmingham Theologie studiert. Heute ist er Pfarrer, Schulbeauftragter für die Probstei Halle-Wittenberg und Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
Wer ist der Guru der SSRF?
Im Fall der SSRF handelt es sich bei dem Guru um Jayant Athavale. Er wirkt allerdings zunehmend im Hintergrund, weil ihm in Indien hindunationalistische Bestrebungen nachgesagt werden, die dort auch zu juristischen Verfolgungen geführt haben. Einer Gruppe namens Sanatan Sanstha, die Athavale gegründet hat, wird außerdem die Beteiligung an Bombenanschlägen und Morden in Indien vorgeworfen.
Haben Sie eine Vorstellung davon, was künftig auf dem Gelände der SSRF in Allrode passieren könnte?
Auch wenn Allrode jetzt zum Europa- oder zumindest Deutschland-Zentrum dieser Bewegung werden sollte, wird es da keine Kommune mit Bhagwan-ähnlichen Zuständen geben. Aber es wird einzelne Lehrer-Schüler-Beziehungen geben und es wird Seminare geben, wo diese Beziehungen gepflegt werden. Was innerhalb dieser Seminare passiert und was den Menschen da offeriert wird als Heilmethoden gegen weltliche und seelische Gebrechen, ist kritisch zu betrachten. Die Lehre, die die SSRF vertritt, tritt mit einer Allmacht auf, alles heilen und alles bewältigen zu können. Es ist eine Bewegung, die darauf abzielt, Menschen zumindest temporär an sich zu binden, damit diese ihr Leben umstellen.
Müssen sich die Menschen in Allrode deshalb Sorgen machen?
Ich kann verstehen, wenn Menschen wegen der Ansiedlung der SSRF verunsichert sind. Sicherlich schwingt da auch die Angst mit, dass eine Kommune errichtet wird, eine Art spirituelles Woodstock mit kiffenden Hippies auf der Wiese. Diese Angst ist in meinen Augen nicht berechtigt. Aber die Befürchtung, dass mit den Seminarangeboten Menschen aus ganz Europa angezogen werden, von denen manche vielleicht ernstzunehmende Probleme haben und ärztliche Behandlung bräuchten, kann ich verstehen. Die Frage ist ja auch: Ist das wirklich nur ein Seminarhotel oder wird dort ein Zentrum einer weltweit agierenden Organisation aufgemacht, durch das vielleicht internationale Gelder fließen?
Ist die SSRF eine Sekte?
Organisationen wie die SSRF bezeichnen wir als Neue Religiöse Bewegungen. Sekten sind religionswissenschaftlich betrachtet Abspaltungen von einer Mehrheitsreligion. Baptistische Glaubensgemeinschaften oder die Neuapostolische Kirche wurden zum Beispiel lange Zeit als Sekten bezeichnet. Der Begriff hat sich dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verselbständigt und eine negative Konnotation bekommen. Heute wird er in Fachkreisen nicht mehr verwendet.
Die Fragen stellte Lucas Riemer.
MDR/Lucas Riemer
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 24. Oktober 2021 | 19:00 Uhr
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