Vorbereitende Arbeiten im Wald bei Eickendorf
Ja oder Nein zum Steinbruch?! Im Drömling sorgen sich Anwohner, dass ein Steinbruch entstehen könnte. Im Wald bei Eickendorf gab es schon vorbereitende Arbeiten. Bildrechte: MDR/Uli Wittstock

Drömling Bürgerbeteiligung als Feigenblatt? – Streit um Steinbrüche in der Börde

08. März 2025, 16:59 Uhr

Einen Steinbruch im Naturschutzgebiet – das befürchten die Anwohner von Eickendorf und Kathendorf im Drömling. Sie kämpfen seit Jahren gegen Pläne an, vor ihrer Haustür 60 Hektar Wald in einen Steinbruch zu verwandeln. Das zumindest sieht der aktuelle Landesentwicklungsplan vor. Bürgerbeteiligung versprach die Landesregierung bei der Vorstellung der Pläne. Doch vor Ort spürt man davon nichts.

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Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Bodo Zeymer sitzt für die Grünen im Kreistag des Bördekreises und kämpft seit Jahren gegen neue Steinbrüche in der Region. "Minister Schulze, der sich im Harz um jede Tannennadel kümmert, hat hier an einen Steinbruchbetreiber 60 Hektar Wald verkauft. Und wenn man dort spazieren geht, sieht man, dass der neue Besitzer nicht Pilze sucht, sondern Bäume fällt", sagt Zeymer. Bereits jetzt würden im Landkreis 60 Prozent des Hartsteinaufkommens in Sachsen-Anhalt gefördert. Als Schotter ist Hartstein wichtig für die Bauindustrie.

Minister Schulze, der sich im Harz um jede Tannennadel kümmert, hat hier an einen Steinbruchbetreiber 60 Hektar Wald verkauft. Und wenn man dort spazieren geht, dann sieht man, dass der neue Besitzer nicht Pilze sucht, sondern Bäume fällt.

Bodo Zeymer (Die Grünen), sitzt im Kreistag des Bördekreises

Widerstand vor Ort gegen die Abbaupläne

Seit vier Jahren macht sich der Umweltverein Flechtinger Höhenzug/Drömling gegen die Abbaupläne stark. Sabine Wieter aus Kathendorf gehört zum Vereinsvorstand und organisiert die Proteste vor Ort. Die Anwohner treffen sich zu regelmäßigen Spaziergängen, die vom Verein organisiert werden, ebenso wie Podiumsgespräche mit Politikern – ob aus Kreis- oder Bundestag. Es gehe um die Zukunft der Region, sagt Sabine Wieter. "Wir kämpfen seit Jahrzehnten, dass junge Leute hier bleiben oder wieder zurückkommen. Wir haben hier nicht mehr viel, außer eben diese schöne intakte Natur, den Flechtinger Höhenzug und den Drömling." Dass der Steinbruch neue attraktive Arbeitsplätze schafft, daran glaubt hier vor Ort eigentlich niemand.

Sabine Wieter, Umweltverein Flechtinger Höhenzug-Drömling
Sabine Wieter organisiert die Proteste gegen die Abbaupläne. Bildrechte: MDR/Uli Wittstock

Falsche Vorgaben?

Wo Industriegebiete entstehen sollen, wo der Naturschutz Vorrang hat oder wo Rohstoffe abgebaut werden sollen, das regelt ein Landesentwicklungsplan. Dort erscheinen die 60 Hektar verkaufter Landeswald inzwischen als ein Gebiet für Rohstoffgewinnung. Für Bodo Zeymer basiert das auf falschen Voraussetzungen: "In dem Planentwurf, der uns vorgelegt wurde, steht, dass in der Börde der Hartgesteinsabbau ausläuft. Das aber ist falsch." Er habe sich bei den umliegenden Steinbrüchen erkundigt, es gebe noch für die nächsten Jahrzehnte Abbaugenehmigungen. Das hätten die betroffenen Gemeinden bei ihren Einsprüchen auch deutlich gemacht.

In dem Planentwurf, der uns vorgelegt wurde, steht, dass in der Börde der Hartgesteinsabbau ausläuft. Das aber ist falsch.

Bodo Zeymer (Die Grünen), sitzt im Kreistag des Bördekreises

Probebohrungen im Wald

Zuständig für diesen Landesentwicklungsplan ist das Infrastrukturministerium Sachsen-Anhalt unter der Leitung von Lydia Hüskens. Die FDP-Politikerin stellte den aktuellen Entwurf vor mehr als einem Jahr vor – verbunden mit der Hoffnung auf eine große Bürgerbeteiligung. Doch die Praxis sehe anders aus, so Bodo Zeymer: "Es sieht so aus, als ob wir ignoriert würden. Wir haben klar geschrieben, dass die Abbaugenehmigung für dieses Gebiet rechtswidrig ist." 

Und weil es über einen längeren Zeitraum keine Reaktion gab, sprach dann Bodo Zeymer persönlich im Ministerium vor: "Ich habe mit dem zuständigen Referatsleiter gesprochen. Der sagte, ja er prüft." Vor Ort befürchtet man jedoch, dass inzwischen vollendete Tatsachen geschaffen werden. Es gab schon Probebohrungen im Wald.

Mann läuft durch ein Moor 45 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Knapper Zeitplan – Ministerium prüft Hinweise

Das Ministerium weist den Vorwurf einer Verschleppung zurück. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT heißt es: "Neben der schlichtweg sehr hohen Anzahl von Hinweisen (unterschiedlicher Qualität)…, bedarf insbesondere die fachliche Prüfung und ressortübergreifende Abstimmung der teils sehr hilfreichen und inhaltsschweren Hinweise (für eine rechtssichere Abwägung!) großer Sorgfalt."

Neben der schlichtweg sehr hohen Anzahl von Hinweisen (unterschiedlicher Qualität)…, bedarf insbesondere die fachliche Prüfung und ressortübergreifende Abstimmung der teils sehr hilfreichen und inhaltsschweren Hinweise (für eine rechtssichere Abwägung!) großer Sorgfalt.

Infrastrukturministerium Sachsen-Anhalt

Insgesamt seien rund 5.500 Einzelhinweise eingegangen, die nun bearbeitet werden müssen. Dennoch verfolge man ein ehrgeiziges Ziel: nämlich bis zum nächsten Jahr einen neuen Landesentwicklungsplan verabschieden zu können. Ein zweiter Entwurf soll noch vor der Sommerpause vorliegen.

Beispiel: Der Steinbruch in Flechtingen

Nur wenige Kilometer von dem umstrittenen Waldstück entfernt befindet sich der Steinbruch Flechtingen – nach Angaben von Bodo Zeymer der größte seiner Art in Europa. Es gibt sogar einen Aussichtspunkt, von dem man in das große Loch schauen kann. Man fühlt sich an Bilder aus dem Grand Canyon in den USA erinnert. Die Stadt Flechtingen und der Steinbruchbetreiber hätten hier eine gute Form der Koexistenz gefunden, so Heymer. Davon sei man bei dem geplanten neuen Steinbruch bei Eickendorf und Kathendorf derzeit weit entfernt.

Steinbruch Flechtingen
So sieht der grand-canyon-artige Steinbruch in Flechtingen aus. Bildrechte: MDR/Uli Wittstock

Streit um die wirtschaftliche Zukunft

Der westliche Teil des Landkreises Börde gehört wirtschaftlich zum Hinterland von Volkswagen. Viele Gehöfte sind saniert, nicht selten Fachwerkhäuser, denen man ansieht, wieviel Mühe der Erhalt kostet. Das sei Lebensqualität, die nun von den Abbauplänen bedroht werde, so Sabine Wieter vom Umweltverein Flechtinger Höhenzug/Drömling: "Die Häuser sind teilweise sehr alt und die Straßen sind für solchen Lkw-Verkehr gar nicht ausgelegt. Bei mir zu Hause klirren jetzt schon die Gläser, wenn die Lkws durchdonnern." Statt in einen neuen Steinbruch zu investieren, wäre es wichtiger, Radwege zu bauen, findet Wieter.

Der Drömling mit seiner Moorlandschaft ist inzwischen ein Biossphärenreservat. Sanfter Tourismus erscheint vielen in der Region als Alternative zum Hartsteinabbau. Allerdings ist man vor Ort geübt. Bereits vor 20 Jahren scheiterte ein Investor schon einmal bei dem Versuch, hier einen Steinbruch zu eröffnen. Der Widerstand war härter als das Hartgestein.

MDR (Uli Wittstock, Johanna Daher)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. März 2025 | 17:00 Uhr

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