Verdacht der Volksverhetzung Tweet zu Messer-Angriff in Wolmirstedt: Staatsanwalt ermittelt gegen CDU-Mann Gürth
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10. Juli 2024, 18:22 Uhr
Die Linken-Politikerin Henriette Quade hat den ehemaligen Landtagspräsidenten Detlef Gürth wegen Volksverhetzung angezeigt. Dieser habe mit einem Tweet zum Messer-Angriff von Wolmirstedt zu Hass angestachelt und die Menschwürde einer ganzen Bevölkerungsgruppe angegriffen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.
- Gegen den früheren Landtagspräsidenten Detlef Gürth wird ermittelt.
- Der fragliche Tweet wurde kurz nach Veröffentlichung gelöscht.
- In dem Zusammenhang postete Gürth auch eine falsche Bild-Schlagzeile.
Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt gegen den früheren Landtagspräsidenten Detlef Gürth. Wie eine Sprecherin MDR SACHSEN-ANHALT bestätigte, geht es um den Verdacht der Volksverhetzung. Hintergrund sei die Reaktion des CDU-Landtagsabgeordneten auf die Messerattacke von Wolmirstedt vor dreieinhalb Wochen. Gürth hatte auf der Plattform "X" geschrieben, es sei gut, dass die Polizei diesen, so wörtlich, "feigen, hinterlistigen Afghanen erschossen hat". Man füttere sie durch und dann ermordeten sie unschuldige Menschen. Gürth wörtlich: "Dieses Pack muss raus aus Deutschland." Zuerst hatte die "Magdeburger Volksstimme" über die Ermittlungen berichtet.
Den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge ist der amtierende Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) über den Vorgang in Kenntnis gesetzt worden. Es gelte weiter die Unschuldsvermutung. Wann die Ermittlungen abgeschlossen werden könnten, sei unklar. In der Regel seien solche Verfahren unabhängig von der Funktion der Beteiligten innerhalb eines Vierteljahrs abgeschlossen. Zunächst hatte die "Magdeburger Volksstimme" über die Ermittlungen berichtet.
Tweet umgehend gelöscht
Der Tweet war kurz nach der Veröffentlichung gelöscht worden. Politiker aller Parteien im Landtag hatten die Äußerungen kritisiert. Solche Aussagen schürten den Hass und heizten die aktuelle Situation weiter an. Aus der CDU-Fraktion im Landtag hieß es damals laut "Mitteldeutscher Zeitung": "Äußerungen auf eigenständigen Accounts in den sozialen Medien sind Einzelmeinungen". Gürth selbst äußerte sich nicht.
Bereits Ende Juni hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, den Vorgang von Amts wegen zu prüfen. Zuvor hatte die Landtagsabgeordnete der Linken in Sachsen-Anhalt, Henriette Quade, nach eigenen Angaben Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Halle als Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet gestellt.
Gürth verlasse Boden der Grundordnung
Für Quade steckt allein schon hinter der Bezeichnung von Afghanen als "Pack" eine "Beschimpfung von Teilen der Bevölkerung". Ihnen werde dabei das grundlegende Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft abgesprochen. Das greife die Adressaten in ihrer Menschenwürde an.
"Im Weiteren lässt sich der Post bei verständiger Würdigung nicht anders auslegen, als dass alle im Inland lebenden Afghanen potenzielle Mörder seien", so Quade per Pressemitteilung. Damit stachele Gürth auch zu Hass gegen Teile der Bevölkerung an. Er verlasse damit den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Linke kritisiert auch CDU-Landeschef Schulze
Von der Linken kommt zudem auch Kritik an CDU-Landeschef Sven Schulze. Dessen Schweigen und Aussitzen sei verantwortungslos, sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Eva von Angern, MDR SACHSEN-ANHALT. Gürth sei nicht irgendein Abgeordneter, sondern Alterspräsident des Landtags sowie Vorsitzender des Finanzausschusses. Die CDU müsse jetzt erklären, ob sie ihn noch als tragfähig erachtet.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Rüdiger Erben, sagte mit Blick auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, sie würden zeigen, dass vor dem Gesetz alle gleich seien. "Alle haben dieselben Gesetze zu wahren und deswegen ist es auch richtig, dass die Staatsanwaltschaft in Halle die Ermittlungen aufgenommen hat", so Erben. Man müsse nun sehen, was dabei herauskomme.
AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner sagte: "Mehr als das, was Gürth nach dem Amoklauf vom Wolmirstedt äußerte, ist zu verurteilen, was die CDU mit unserem Land seit 2015 machte." Merkel und ihre Parteikollegen, zu denen Gürth selbst gehört, hätten derlei Zustände überhaupt erst möglich gemacht. Damit bezieht er sich auf die Situation im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise im Sommer und Herbst 2015.
Grüne: Entschuldigung von Gürth nötig
Olaf Meister, der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, sagte, er erwarte eine Entschuldigung von Gürth. Er würde sich von ihm einen kritischen Umgang mit der Äußerung wünschen. Auch Kinder würden von einem führenden Landespolitiker als Pack bezeichnet.
CDU und FDP wollten sich aufgrund des laufenden Verfahrens bislang nicht zu dem Fall äußern.
Gefälschte Bild-Schlagzeile
Im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Gürth hatte ebenfalls eine mit dem Tweet gepostete "Bild-Schlagzeile" irritiert. Sie hatte sugerriert, ein Fußball-Fan sei bei dem Angriff ums Leben gekommen. Wie die Mitteldeutsche Zeitung recherchierte, handelte es sich dabei um eine Fälschung. Tatsächlich starben bei dem Vorfall im Juni in Wolmirstedt ein Landsmann des Täters sowie der Täter selbst. Für Henriette Quade stellt die gefälschte Bild-Schlagzeile eine "demokratiegefähredende Desinformation" dar.
Detlef Gürth war zwischen 2011 und 2015 Präsident des sachsen-anhaltischen Landtages. Laut Quade hat er nach wie vor eine herausgehobene Stellung im Verfassungsleben des Landes. Würden der aktuelle Präsident und seine Stellvertreter ausfallen, käme ihm die Aufgabe zu, die Landtagssitzung zu leiten.
dpa, MDR (Lars Frohmüller, Daniel Salpius) | zuerst veröffentlicht am 24. Juni 2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. Juli 2024 | 15:30 Uhr