Rechtsextreme Übergriffe an Hochschulen in Sachsen-Anhalt Interview: Warum Hochschulen für Angriffe der extrem Rechten besonders anfällig sind
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31. März 2025, 09:02 Uhr
Eine aktuelle Kleine Anfrage der Linken zeigt auf, dass es an mehreren Hochschulen in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren rechtsextreme Vorfälle gab. Die Idee, dass an Hochschulen alle demokratisch eingestellt seien, hat wenig mit der Realität zu tun, sagen zwei Menschen, die zu dem Thema forschen. Wie der Stand der Dinge an den einzelnen Hochschulen Sachsen-Anhalts ist – und was die Hochschulen im Kampf gegen Rechtsextremismus tun können.
Der Soziologe Christoph Haker und die Soziologin Rebekka Blum forschen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt zum Umgang von Hochschulen mit rechtsextremen Tendenzen. Haker arbeitet schon länger gemeinsam mit dem Wissenschaftler Lukas Otterspeer an der Europa-Universität Flensburg zum Thema. Blum, ansässig an der Universität in Marburg, hat in der Vergangenheit vor allem zu Antifeminismus geforscht und ist im Februar 2025 neu in das Projekt eingestiegen. Um sich selbst vor rechtsextremen Angriffen zu schützen, veröffentlicht sie keine Fotos von sich. Leider sei sie als Wissenschaftlerin viel stärker von Angriffen bedroht als ihre männlichen Kollegen, sagt Blum.
Kleine Anfrage und erster Teil des Interviews zur Einschätzung der Hochschulsitutation
Hintergrund der Recherche
Diese Recherche beruht auf einer Kleinen Anfrage der Partei Die Linke an die Landesregierung Sachsen-Anhalt. Hochschulen in Sachsen-Anhalt wurden dabei nach rechtsextremen Vorfällen in 2023 und 2024 befragt. Fünf Hochschulen meldeten dabei größtenteils mehrere Vorfälle. Bei den gemeldeten Zahlen ist allerdings von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen, weil den Hochschulen einige potenzielle Vorfälle unbekannt bleiben dürften.
MDR SACHSEN-ANHALT: Herr Haker, Sie haben bereits eine Studie zu Rechtsextremismus an Hochschulen gemacht. Ist das denn wirklich ein Thema?
Haker: Das ist auf jeden Fall ein Thema! Diese Annahme, die viele haben, dass Menschen an Hochschulen automatisch demokratisch eingestellt sind, weil sie höhere Bildungsabschlüsse haben, das ist unseren Erkenntnissen nach fragwürdig. In unserer Forschung geht es darum, welche Fälle von Rechtsextremismus es an Hochschulen gibt und wie diese auf die Hochschulgemeinschaft wirken.
Und gab es in Ihrer Studie Erkenntnisse, die Sie überrascht haben?
Haker: Es gibt da so ein paar blinde Flecken, die wir ins Blickfeld genommen haben. Zum Beispiel denkt man bei dem Thema häufig an rechtsextreme Äußerungen von Studierenden, aber nicht unbedingt an das Lehrpersonal und dessen Vernetzung ins rechtsextreme Milieu. Und dann haben viele beim Thema Rechtsextremismus automatisch Bilder von aggressiven Männern im Kopf und schauen auch eher auf männlich dominierte Studiengänge wie Jura oder Ingenieurswissenschaften.
Diese Vorstellungen sind nicht ganz falsch, erfassen das Thema Rechtsextremismus an Hochschulen aber nicht umfänglich. Deswegen konzentrieren wir uns in unserer Studie auch ganz bewusst auf pädagogische Studiengänge.
Blum: In pädagogischen Berufen ist es besonders folgenschwer, wenn eine Person eine extrem rechte Einstellung hat, weil sich das dann oft unbemerkt weiterverbreitet in einen breiten Querschnitt der Gesellschaft. Man spricht bei Frauen in dem Kontext von einer doppelten Unsichtbarkeit. Sie werden oft als unpolitisch eingeschätzt – und wenn doch, dann nicht als rechtsextrem oder gewaltbereit. Das beruht auf den traditionellen Vorstellungen von Geschlechtern: Weil Frauen sich entsprechend ihrer Sozialisierung eher sozial und empathisch verhalten, vermutet man bei ihnen weniger eine rechtsextreme Gesinnung, dabei müssen rechte Einstellungen nicht aggressiv vorgetragen werden, um problematisch zu sein.
Nehmen rechtsextreme Einstellungen an Hochschulen zu?
Haker: Das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, da die Studienlage sehr dünn ist. Was wir beobachten, ist eine stärkere Ausdifferenzierung des Rechtsextremismus. Damit meine ich: Rechtsextremismus an Hochschulen beschränkt sich nicht nur auf das klassische Bild radikaler Burschenschaften, das Auftreten des Rechtsextremismus wandelt sich. Diese Veränderungen konnte man auch an dem Aufkommen der Identitären Bewegung sehen, wie sie beispielsweise an den Universitäten in Magdeburg und in Halle vertreten war. Ein anderes Beispiel wäre die AfD als sogenannte Professorenpartei oder die Versuche rechtsextremer Verlage, scheinbar wissenschaftliche Publikationen auf den Markt und in die Bibliotheken zu bringen. Für die engagierte Zivilgesellschaft und für engagierte Hochschulen ist gerade das Nebeneinander aber auch die Vernetzung verschiedener Gruppen eine Herausforderung.
Blum: Ich stimme zu. Bei den Angriffen auf einzelne Fachbereiche denke ich manchmal, dass sie schon eine neue Qualität haben. Die Gender Studies werden immer wieder angegriffen, auch nicht zufällig, sondern ganz klar geplant, eine digitale Kampagne. Angriffe gegen kritische Wissenschaften sind jedoch nicht wirklich neu, werden aber durch die sozialen Medien stärker sichtbar und leichter mobilisierbar. Gerade die Identitäre Bewegung nutzt ja gern digitale Strategien, um Raum einzunehmen und zu mobilisieren.
Lässt sich etwas dazu sagen, wo Rechtsextremismus an Hochschulen ein besonders großes Problem ist?
Haker: Im öffentlichen Diskurs zeigt sich immer wieder die Vorstellungen, dass Rechtsextremismus insbesondere ein ostdeutsches Problem sei. In unserer Studie sehen wir aber Rechtsextremismus an Hochschulen in allen Bundesländern. Es gibt sicher regionale Unterschiede: Wo sind seit langem finanziell gut ausgestattete Burschenschaften? Da gibt es zum Beispiel Fälle in Halle und Leipzig, aber auch in Hamburg, Mainz, Marburg und Würzburg. Wo haben Rechtsextreme gute Chancen, unerkannt Qualifikationen bis hin zur Promotion zu erlangen? Wo gibt es Professoren und Professorinnen, die für rechtsextreme Studierende offen sind?
Gleichzeitig ist aber auch die andere Seite wichtig: An welchen Hochschulstandorten ist die kritische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus besonders stark? Aus unser Forschungsperspektive lässt sich sagen, dass es an vielen Standorten durchaus hohe Expertise für die Situation vor Ort gibt. Ein Überblick über das Feld fehlt aber. Ich würde auch davor warnen, da vorschnell ein Stadt-Land-Thema draus zu machen. Wir beobachten rechtsextreme Vorfälle an großen und kleinen Hochschulen. Welche Möglichkeiten Hochschulen und Betroffene haben, um auf Rechtsextremismus vor Ort und an der Hochschule zu reagieren, ist aber sicherlich vom lokalen Kontext abhängig.
Blum: Klar, in einer Kleinstadt und an einer kleineren Hochschule ist man weniger anonym. Da kann sich vielleicht nicht bewusst für ein Wohnviertel oder für bestimmte Lehrveranstaltungen entscheiden, in denen man sich sicher fühlt. Aber diese Nähe funktioniert auch andersherum. Das kann auch eine Chance sein. Wenn an einer kleinen Uni das Rektorat eine neue Maßnahme einführt, spüre ich das möglicherweise viel direkter. Und in kleineren Städten können ansässige Hochschulen möglicherweise eine stärkere Wirkung auf die Stadt entfalten.
Das Interview geht nach dem Lagebericht über die Situation an den Hochschulen in Sachsen-Anhalt, den sie einzeln aufklappen können, darunter weiter.
So ist die Lage beim Thema Rechtsextremismus an den Hochschulen Sachsen-Anhalts
Hochschule Magdeburg-Stendal
Als Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken hatte die Hochschule Magdeburg-Stendal drei Vorfälle aus 2024 und 2023 benannt: Im Januar 2023 hätten bei einer Veranstaltung der Fangemeinschaft des 1. FCM mutmaßlich der rechten Szene angehörige Personen teilgenommen. Ende 2023 und Anfang 2024 seien in einem Whatsapp-Gruppenchat, der als Angebot Erstsemesterstudierende eingerichtet worden war, homophobe und misogyne sowie die AfD unterstützende Posts, aufgetaucht und erst nach mehrmaliger Aufforderung durch die Hochschule von den Moderatoren entfernt worden. Im August habe eine augenscheinlich rechte Gruppierung hochschulfremder Personen die Sportflächen der Hochschule für Aktivitäten und verfassungsfeindliche Handlungen genutzt.
Antidiskriminierungsbeauftragte Josefine Heusinger erwähnt im Gespräch zwei weitere Ereignisse an der Hochschule Magdeburg-Stendal in den vergangen Jahren: 2022 hätten Menschen ein Studierendenwohnheim auf dem Campus mit einem Brandanschlag angegriffen, dabei hätten sie rassistische Parolen gerufen. Im selben Jahr hätten Unterstützerinnen oder Unterstützer der rechtsextremen Identitären Bewegung mehrmals eine Vielzahl an Werbeaufklebern der Bewegung auf dem Campus verteilt. "Das sind auf jeden Fall Sachen, die ich eindeutig als rechtsextrem einordnen würde", sagt sie. Auf dem Campus in Stendal, ergänzt ihre Kollegin Doreen Falke-Schröder, hätten unbekannte Täter ehemalige Bushaltestellen, die als sogenannte "Lesegärten" genutzt würden, mit Hakenkreuzen beschmiert. Zukünftig sollen die Lesegärten in einen frei einsehbaren Bereich des Campus versetzt werden, um weitere Schmierereien zu vermeiden.
Allerdings vermutet Professorin Heusinger, dass es insgesamt noch weitere Vorfälle gibt, die der Hochschule nicht bekannt sind. Zum einen, weil die Studierenden viele negative Erfahrungen außerhalb des Campus, häufig in der Tram, machten: "Die Studierenden, mit denen ich gesprochen habe, sagen, das Hochschulgelände ist der Himmel, die Stadt ist die Hölle." Das gelte erst recht seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg, seit dem viele als migrantisch wahrgenommene Personen sich in Magdeburg zunehmend unsicher fühlen. Heusinger sagt: "Zwei Studentinnen, die Kopftuch tragen, haben mir erzählt, dass sie sich in den ersten zwei Semesterwochen krank gemeldet haben, weil sie sich in der Tram so unwohl gefühlt haben und nicht wussten, wie sie auf den Campus kommen sollen."
Zum anderen blieben ihrer Einschätzung nach auch auf dem Campus viele Vorfälle "unter der Schwelle der Sichtbarkeit." Gerade ausländische Studierende würden sich teilweise nicht trauen, negative Erfahrungen zu melden oder wüssten womöglich auch nicht, dass das eine Möglichkeit sei. Heusinger selbst ist als Antidiskriminierungsbeauftragte an der Hochschule Magdeburg-Stendal eine Person, bei der Studierende rechtsextreme Vorfälle anzeigen können. Allerdings sagt sie auch: "Es ist ein chronisches Problem, das bekannt zu machen." 12,5 Prozent ihrer Arbeitszeit sei sie für ihre Aufgabe als Antidiskriminierungsbeauftragte freigestellt. Hauptamtlich arbeite sie als Professorin. Die Doppelrolle könne es teilweise erschweren, für Studierende einen geschützten Raum zu schaffen, gibt sie zu. Als problematischer schätzt sie etwas anderes ein: "Betroffene Studierende haben bei uns leider nicht die Möglichkeit, sich niedrigschwellig mit ihren Sorgen an eine migrantische Person zu wenden."
Strukturen zur Unterstützung ausländischer oder als migrantisch wahrgenommener Studierender gebe es an der Hochschule Magdeburg-Stendal allerdings durchaus: Eine Antidiskriminierungsbeauftragte an jedem Standort, das International Office zur Unterstützung ausländischer Studierender bei verschiedensten Angelegenheiten, ein Buddy Programm, bei denen internationale Studierende eine Ansprechpersonen zur Seite gestellt bekommen, die sich vor Ort auskennt. In englischsprachigen Studiengängen stehe außerdem mehr Lehrpersonal zur Verfügung, um eine gute Betreuung sicherzustellen. Das "Netzwerk Mosaik" widme sich dem Diskriminierungsschutz und organisiere ehrenamtlich Veranstaltungen, um die Hochschulkultur positiv zu verändern. "Und auch die Stadt bemüht sich ja mit ihrem Welcome Center", fügt Heusinger hinzu.
Sie sagt: "Wir müssen lernen, es nicht als Netzbeschmutzung zu sehen, wenn wir über das Thema Rechtsextremismus reden." Diese Probleme gebe es überall und es sei wichtig, darüber zu sprechen.
Otto-von-Guericke Uni Magdeburg
Die Otto von Guericke-Universität in Magdeburg hat als Reaktion auf die Kleine Anfrage der Linken keine rechtsextremen Vorfälle an der Uni in den Jahren 2024 und 2023 benannt. Der Studierendenrat der OVGU teilte MDR SACHSEN-ANHALT auf Anfrage allerdings mit, dass es den vergangenen ein bis anderthalb Jahren rassistisch motivierte tätliche Übergriffe auf dem Campus gegeben habe. Im vergangenen Jahr seien zudem vereinzelt Hakenkreuz-Schmierereien an Wohnheimen auf dem Campus aufgetaucht.
Nach Angaben der Uni ist der Anteil internationaler Studierender in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsen und liegt derzeit bei über 20 Prozent. Auf die Frage nach Strukturen, um rechtsextreme Vorfälle zu verhindern oder gegen sie vorzugehen, antwortet die Uni mit einem Link zu Beratungsstellen und einem Awareness-Portal. So gibt es an der OVGU offenbar ein Integrationsteam. Fälle von Gewalt, Diskriminierung und Belästigung können Menschen an der OVGU offenbar über eine digitale Plattform melden. Inwiefern Menschen Vorfälle anonym und ohne eigene Nachteile melden können, inwiefern die genannten Strukturen sicher finanziert sind und inwiefern die Universität sich präventiv gegen Rechtsextremismus einsetzt, dazu hat die OVGU MDR SACHSEN-ANHALT keine Informationen zukommen lassen.
Der Studierendenrat erwähnte MDR SACHSEN-ANHALT gegenüber auch das Meldeportal. Er teilte allerdings auch mit: "Von Seiten der Universität gibt es unseres Erachtens bisher kein richtiges Schutzkonzept zur Prävention und zu Schutz vor rassistischen Übergriffen am Campus." Viele Informationen seien zudem nur auf Deutsch erhältlich. In der Studierendenschaft habe sich aber nach den erwähnten tätlichen Übergriffen auf dem Campus eine Arbeitsgruppe "AG Schutzkonzept" gebildet, um ein Schutzkonzept für migrantisch gelesene Menschen auszuarbeiten. Die Arbeitsgruppe wolle ebenfalls als Anlaufstelle für von Rassismus betroffene Menschen dienen. "Initiativen wie die "AG Schutzkonzept" und das Bündnis "Studierende gegen Rechts", die sich explizit mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigen, sind vor allem studentisch organisiert", so der Studierendenrat.
Martin-Luther-Universität Halle
Die Martin-Luther-Universität in Halle hatte als Reaktion auf die Kleine Anfrage der Linken angegeben, dass es in Halle 2023 und 2024 keine Vorfälle im Sinne der Abfrage gegeben habe. Allerdings schreibt die Uni von "Graffiti-Beschmierungen an universitären Objekten" in "wenigen Fällen". Der rechte Hintergrund der Beschmierungen sei allerdings nicht eindeutig gewesen, da es sich nicht um verfassungsfeindliche Symbole gehandelt habe. Die Graffiti seien sofort entfernt und nicht zur Anzeige gebracht worden.
Eine kleine Ergänzung hat Ferdinand Kirchfeld, Co-Vorsitzender des Studierendenrates der MLU. Er erzählt von Vorfällen an der Schnittstelle zwischen Uni- und Privatleben. So habe es in Halle beispielsweise auf einer Demo "am Vorabend des feministischen Kampftages", die von Studierenden mitorganisiert und vom Studierendenrat finanziell unterstützt worden sein, Übergriffe von mutmaßlich Rechtsextremen gegeben. Die subjektive Wahrnehmung vieler Studierender in seinem Umfeld sei, dass solche Übergriffe in den letzten Jahren "parallel zum Wahlerfolg der AfD", so Kirchfeld, zugenommen hätten.
Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT schreibt eine Sprecherin der Universität, es gebe an der Uni "etablierte Verfahren" und eine Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung, Belästigung und Gewalt, außerdem seit 2018 eine Präventions- und Beratungsstelle Antidiskriminierung: "Die Stelle informiert, analysiert, sensibilisiert zu den Themen, sie entwickelt entsprechende Verfahren weiter, sie berät vertraulich und anonym." Dabei gebe es auch Kooperationen mit externen Beratungsstellen wie der Mobilen Opferberatung Sachsen-Anhalt. Auf ihrer Website hat die MLU einen Leitfaden für den Umgang mit Gewalt und Diskriminierung veröffentlicht.
Studierendenrats-Sprecher Kirchfeld lobt, die Uni habe Anlaufstellen gegen Diskriminierung im Allgemeinen in den letzten Jahren ausgebaut. Seiner persönlichen Meinung nach seien die aktuell vorhandenen Strukturen allerdings noch nicht ausreichend. So arbeiteten beispielsweise manche Beratende zusätzlich auch in anderen Funktionen für die Universität. Die Doppelrolle könne eine vertrauensvolle Beratung erschweren. Die Uni selbst hatte MDR SACHSEN-ANHALT keine Informationen zu möglicherweise bestehenden Doppelrollen oder zur langfristigen Finanzierung der benannten Strukturen zukommen lassen.
In der Vergangenheit hatte an es an der MLU durchaus rechtsextremistische Vorfälle gegeben. Denn die rechtsextreme Identitäre Bewegung hatte in Halle ein Hausprojekt betrieben – ganz bewusst direkt gegenüber mehrerer Unigebäude. Studierende hatten von Angriffen durch die Rechtsextremen berichtet. Weil mehrere der Aktivistinnen und Aktivisten auch an der Universität eingeschrieben waren und Lehrveranstaltungen besuchten, hatte die Universität davon gesprochen, einen Leitfaden für das Lehrpersonal erarbeiten zu wollen. Einen solchen Leitfaden erwähnte die Pressestelle der Universität auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT allerdings nicht. Das Haus der Identitären Bewegung in Halle besteht nicht mehr.
Kunsthochschule Burg Giebichenstein
Die Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle hat als Reaktion auf die Kleine Anfrage der Linken keine rechtsextremen Vorfälle an der Uni im Jahr 2023 und 2024 benannt.
Auf die Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT antwortete die Hochschule mit einem Maßnahmenkatalog. Zur Präventionen von Diskriminierung sowie zur Unterstützung Betroffener gebe es zum einen Schulungen für Mitarbeitende und Studierende zu Themen wie rassistische Diskriminierung, Diversität und Demokratieförderung. Es bestehe zum anderen eine Kommission zum Schutz vor Benachteiligung sowie eine externe Diskriminierungsberatung als Anlaufpunkt für Betroffene. An der Hochschule gibt es ein digitales Meldetool, über das Betroffene Fälle von Machtmissbrauch oder Übergriffe anonym melden können. Außerdem gibt es laut Hochschule Kooperationen mit externen Beratungsstellen und lokalen Initiativen. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT nennt die Hochschule auch aktuelle Herausforderung. So arbeite man weiter an der Professionalisierung des Meldetools und der Absicherung der entsprechenden Kommunikationskanäle. Zudem seien einige der genannten Strukturen bisher nur temporär finanziert.
Kürzlich hatte an der Kunsthochschule gegen eine Lehrperson der Vorwurf von Rassismus im Raum gestanden. Nach Untersuchungen war die Hochschule zu dem Schluss gekommen, dass seitens der Professorin "kein absichtliches rassistisch-diskriminierendes Verhalten" vorliege. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT betonte die Kunsthochschule, dass der untersuchte Vorwurf keinen rechtsextremen Hintergrund gehabt habe. Seine Untersuchung hätte allerdings " zu einer deutlich größeren Sensibilität gegenüber struktureller und alltäglicher Diskriminierung" geführt. Der Anteil internationaler Studierender an der Hochschule liege bei etwa 14 Prozent.
Der Studierendenrat der Hochschule hatte nicht auf die Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT reagiert.
Hochschule Merseburg
Als Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken zu rechtsextremen Vorfällen in den Jahren 2023 und 2024 hatte die Hochschule Merseburg einen Vorfall aus dem vergangenen Sommer benannt. Bei einem Hochschulfest habe ein Mitarbeiter der Hochschule habe zunächst anzügliche Rufe getätigt. Als ein Awareness-Team eingeschritten sei, habe der Mitarbeiter eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Parole gerufen. Er sei des Geländes verwiesen worden. Später sei der Vorfall hochschulintern rekonstruiert und aufgearbeitet worden. Es seien "enge, verbindliche Konsequenzen" gezogen und umgesetzt worden, die die Hochschule nicht genauer benennt. Der Studierendenrat der Hochschule Merseburg habe bei der Polizei Anzeige erstattet.
Zusätzlich schreibt die Hochschule auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT von "vereinzelten antisemitischen Symboliken". Der Merseburger sowas e.V. benennt in einer Stellungnahme zusätzlich einen Vorfall im Herbst 2023 im Club "Wärmetauscher" auf dem Campus, bei dem menschenverachtende Parolen gerufen worden sein sollen. Laut dem Verein soll außerdem einer Person mit Nähe zur völkischen Anastasia-Bewegung, die der Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft, am Hochschulsportzentrum der Hochschule Merseburg unterrichten.
Die Hochschule antwortet auf die Frage nach möglichen weiteren Mitarbeitenden, von denen eine ähnliche Gesinnung bekannt ist wie bei der Person, die auf dem Campusfest aufgefallen war: "Die persönliche Gesinnung von Mitarbeitenden fällt unter den Schutz der Privatsphäre. Letztlich spiegelt die Hochschule jedoch die Gesellschaft wider."
Eine ehemalige Studierende der Hochschule Merseburg, die anonym bleiben möchte, berichtete MDR SACHSEN-ANHALT im Gespräch von rassistischen Erfahrungen, die Kommilitoninnen und Kommilitonen auf dem Campus und in der Stadt gemacht hätten. Im Fachbereich Soziale Arbeit, wo sie studiert habe, seien die meisten Menschen sehr reflektiert und aufmerksam. Studierende aus anderen Fachbereichen hätten ihr allerdings mehrmals berichtet, dass es in anderen Fachrichtungen "eine ganz andere Welt" sei.
Der Studierendenrat der Hochschule Merseburg schrieb auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, Rechtsextremismus sei an der Hochschule Merseburg aus seiner Sicht kein akutes Problem: "In der Vergangenheit kam es vereinzelt zu Vorfällen in Zusammenhang mit rechtem Gedankengut. Diese wurden unserer Meinung nach gut aufgearbeitet, es wurden entsprechende Konsequenzen gezogen und Maßnahmen ergriffen."
Die Zahl internationaler Studierender an der Hochschule Merseburg ist nach deren Angaben in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Bei Problemen biete die Hochschule eine Vielzahl von Anlaufstellen, die allerdings nicht thematisch spezialisiert seien. Die Hochschule benennt in dem Kontext die Vertrauensstelle, zur Verfügung stehen außerdem eine Gleichstellungsbeauftragte, eine Ombudsstelle, eine interne Meldestelle. Alle Beratungsstellen und Interessenvertretungen der Hochschule würden von hauptamtlich Beschäftigten betreut, mit Ausnahme der studentischen Gremien und bieten laut Hochschule damit einen geschützten Raum für Beratung und Unterstützung. Anonyme Beschwerden und Hinweise seien möglich.
Als Herausforderungen benennt die Hochschule die nachhaltige Finanzierung demokratiestärkender Maßnahmen und Institutionen und die Weiterentwicklung von Kommunikationskanälen, um sie barrierearm zu halten. Die Hochschule Merseburg setze sich aktiv für Demokratie und Vielfalt ein, unter anderem, indem sie sich klar positioniere und regelmäßig an gesellschaftspolitischen Aktionen beteilige. Hochschulveranstaltungen und andere kulturelle Formen seien auf die Ermöglichung von Austausch und Diskurs hin ausgerichtet, ohne extremistischen Positionen Raum zu geben. Es gebe Kooperationen mit der Zivilgesellschaft, beispielsweise dem sowas e.V.
Hochschule Harz
Als Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken gab die Hochschule Harz drei Vorfälle aus den Jahren 2023 und 2024 an. Im Februar 2024 sei ein Banner über jüdisches Leben beschädigt worden, in zwei anderen Fällen waren Hakenkreuze in Hochschul-Gebäuden gefunden worden. Laut einer Sprecherin der Hochschule habe es sich dabei in einem Fall um ein mit Kreide an eine Tafel gezeichnetes Hakenkreuz gehandelt und in einem anderen Fall um ein Hakenkreuz aus Tape, das nach einer Party auf einem Toilettendeckel gefunden wurde. Alle drei Fälle habe die Hochschule zur Anzeige gebracht. Der Studierendenrat der Hochschule ergänzt auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, dass es auf einer Party vor einem reichlichen Jahr rechtsextremen Gesten gegeben habe.
Er erwähnt zudem Berichte über diskriminierende Vorfälle in den Wohnheimen, insbesondere gegenüber internationalen Studierenden, ergänzt aber auch: "Grundsätzlich nehmen wir die Situation an unserer Hochschule als nicht stark problematisch wahr."
Von solchen Vorfällen erwähnt die Sprecherin der Hochschule nichts. Sie sagt allerdings, sie sei optimistisch, dass die Hochschule über mögliche rechtsextreme Übergriffe Bescheid wüsste – alleine schon, weil die Hochschule mit 2.800 Studierenden so klein sei. Die Rückmeldungen der Studierenden in einem neuen englischsprachigen Master seien positiv. Für die größtenteils internationalen Studierenden gebe es mehrere Betreuungsstränge, über die sie mögliche Vorfälle melden könnten, teilweise besetzt durch Lehrpersonal, teilweise aber auch durch andere Personen. Unter anderem gebe es eine Studienberatung, die jederzeit sehr niedrigschwellig auch über WhatsApp erreichbar sei. "Die Studierenden nutzen das gern", versicherte die Sprecherin. Sie verweist auch auf die Gleichstellungskommission und das International Office der Hochschule.
Der Studierendenrat der Hochschule Harz ergänzt als Maßnahmen und Strukturen zur Förderung eines respektvollen Miteinanders den Campuscodex und das Gleichstellungsbüro. Der Studierendenrat führe außerdem eine "Blacklist" mit Personen, die bei studentischen Partys Fehlverhalten gezeigt hätten und deswegen temporär oder langfristig von studentischen Veranstaltungen ausgeschlossen seien. Verschiedene Institutionen und studentische Initiativen förderten Austausch beispielsweise durch internationale Events. Zur Einschätzung der bestehenden Maßnahmen schreibt der Studierendenrat: "Ob diese Maßnahmen ausreichen, ist schwer zu beurteilen. In vielen Fällen scheinen sie zu greifen, aber gerade in Bezug auf Vorfälle in den Wohnheimen oder bei studentischen Veranstaltungen gibt es noch Handlungsbedarf." Eine Herausforderung sei auch die Frage, ob Studierende die Angebote wahrnehmen und nutzten.
Um mehr zu erreichen, schlägt das Studierendengremium vor, Themen wie Antidiskriminierung stärker in die Studieninhalte zu integrieren – und bestehende Strukturen transparenter und sichtbarer zu machen.
Hochschule Anhalt
Die Hochschule Anhalt hatte auf die Kleine Anfrage der Linken hin mehrere Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund in den Jahren 2024 und 2023 benannt. So seien auf dem Dessauer Klink Festival 2023 Teilnehmende der Hochschule beleidigt worden, nach Angaben der Hochschule mit rechtsradikalem Hintergrund. Im Januar 2024 habe der rechtsextreme Kleinpartei Dritter Weg in Köthen Flyer mit diskriminierenden Parolen verteilt. Im Juni 2024 hatten Unbekannte wiederholt ein Wohnheim angegriffen, in dem vorrangig ausländische Studierende wohnen. Dabei waren unter anderem Fenster, Fahrräder und Klingeln zerstört wurden, die Täter hatten rechtsradikale Parolen gerufen. Die Hochschule habe die Vorfälle angezeigt. Im Dezember 2024 hätten in der Nähe des Campus in Dessau Rechtsextreme außerdem einen Studenten und Mitarbeiter der Hochschule bedroht.
Nach den Übergriffen auf der Studierendenwohnheim hatte die Hochschule in Köthen den Wachschutz temporär verstärkt, Videoüberwachung eingeführt. Auch die Polizei war temporär verstärkt Streife gefahren, außerdem hatte es eine Inforveranstaltung für Studierende mit Polizei, Hochschule und der Oberbürgermeisterin Köthens gegeben. Auf Wunsch der Studierenden hin verstärkte der Hochschulsport sein Angebot mit Selbstverteidigungskursen. Außerdem gab es nach Angaben der Hochschule mehrere interne Workshops zu verwandten Themen für Hochschulinstitutionen. Der Studierendenrat der Hochschule kritisiert die Maßnahmen als "nicht ausreichend". Es sei fraglich, inwieweit Videoüberwachung tätliche Übergriffe verhindern solle – "ganz zu schweigen davon, dass die ursächlichen Gründe angegangen werden".
Der Anteil ausländischer Studierender an der Hochschule Köthen ist laut der Hochschule schon seit dessen Begründung hoch und liege aktuell bei über 30 Prozent. Die englischsprachigen Studiengänge seien nach wie vor beliebt, auf jeden Studienplatz bewerben sich etwa zehn Personen.
Nach Angaben der Hochschule würden die ausländischen Studierenden vor allem vom International Office betreut und fänden dort im Falle negative Erfahrungen auch Ansprechpersonen, die nicht an der Lehre beteiligt seien. Der Austausch zwischen beiden Seiten sei vertrauensvoll und eng, versichert eine Sprecherin. Das bestätigten MDR SACHSEN-ANHALT auch einige Studierende.
An der Hochschule Anhalt gibt es außerdem mehrere Ombudspersonen, an die sich Studierende im Fall von Problemen wenden können. Dabei handelt es sich allerdings um Lehrpersonal der Hochschule. Außerdem gibt es an der Hochschule ein sogenanntes Buddy Programm, bei dem lokale Studierende internationale Studierende bei Problemen im Alltag unterstützen und für sie auch als Ansprechpersonen fungieren. Es gibt weiterhin eine zentrale und mehrere dezentrale Gleichstellungsbeauftragte, bei denen es sich allerdings um Lehrpersonal handelt.
Der Studierendenrat der Hochschule Anhalt schreibt auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, dass er die Situation an der Hochschule beim Thema Rechtsextremismus als "unbefriedigend" empfinde. Die Hochschule Anhalt sei laut Zielvereinbarung mit dem Bildungsministerium federführend für die Integration ausländischer Absolventen in den Arbeitsmarkt verantwortlich. Leider herrsche vielerorts aber nicht die dafür nötige Willkommenskultur: "Viele ausländische Studierende haben auch mit Sorge die Wahlergebnisse der Bundestagswahl verfolgt und fühlen sich dadurch in ihrer Wahrnehmung, nicht erwünscht zu sein, bestärkt."
Es müsse sehr viel mehr passieren, schreibt das Studierendengremium: "Mehr Geld für Prävention und Schutz, mehr Maßnahmen von Seiten der Stadt, mehr Solidarität zwischen Einheimischen und ausländischen Studierenden, mehr von Seiten der Hochschule, da dort oft viele schöne Worte gesprochen werden, aber dann für konkrete Maßnahmen oder Aktionen kein Geld vorhanden ist."
Zweiter Teil des Interviews
Was wollen die Rechtsextremen denn an Hochschulen?
Haker: Die extreme Rechte weiß, dass sie in alle Funktionsbereiche der Gesellschaft rein muss, um etwas zu erreichen – also auch in den Bereich Wissenschaft und Hochschulbildung. Die Strategien, die sie dabei nutzt, sind ganz unterschiedlich. Sie greifen die Unis einerseits von außen an, indem sie ihnen vorwerfen, "links" zu sein. Das verursacht Verunsicherung. Mit Blick auf die Daten lässt sich das zwar nicht halten, aber für die extreme Rechte ist alles links, was nicht ihrer Meinung entspricht. Zum anderen versuchen die Rechtsextremen trotzdem, personell in den Unis Fuß zu fassen oder sich institutionell der Wissenschaft anzunähern. So können sie von dem Prestige und der Autorität profitieren, die Wissenschaftlichkeit immer noch verleiht. Da denke ich zum Beispiel an die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung oder an die neurechte Denkfabrik in Schnellroda. Dieser Doppelstrategie müssen wir uns bewusst sein. Alles, was die extreme Rechte tut, verfolgt ein Ziel: eine homogene, hierarchische Gesellschaft, in der die Menschen, die im extrem rechten Weltbild dazu gehören, einen festen Platz zugewiesen bekommen und in der die Menschen, die als nicht zugehörig gelten, angegriffen und ausgeschlossen werden.
Sind Hochschulen gegen diese Art Angriffe gut geschützt?
Haker: Sie können in jedem Fall mehr tun. Hochschulen sind zum einen anfällig, weil Universitäten sehr sehr weiße und oft männliche Institutionen sind. Das gilt etwa mit Blick auf die Literatur, die gelesen wird oder die Koryphäen eines Faches, die hohe Reputation genießen. Das gilt aber auch für das wissenschaftliche Personal und die Studierenden, die die Vielfalt der Gesellschaft nicht abbilden. Das ist natürlich ein Nährboden für Diskriminierungen aller Art, auch für Rassismus, und bietet Anknüpfungspunkte für Rechtsextremismus. Zum anderen sind Hochschulen anfällig, weil Wissenschaft auf eine spezifische Weise organisiert ist. Sie ist sehr stark darauf ausgerichtet, dass Studierende und Forschende an ihrer eigenen Qualifikation und Karriere arbeiten. Gerade frühe Karrierephasen von Forschenden finden unter prekären Bedingungen statt, es gibt starke Konkurrenz, über vieles wird nicht offen gesprochen, erst recht nicht über Probleme und Fehler. An Hochschulen ist es deswegen teilweise so, dass Menschen sich nicht trauen, über rechtsextreme Vorfälle zu sprechen. Weil sie fürchten, dass es für sie Nachteile bedeutet.
Das sagt eine Umfrage an den Hochschulen Sachsen-Anhalts dazu
Bei einer Befragung der Hochschulen Anhalt, Harz, Magdeburg-Stendal und Merseburg sowie der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben 2022 42 Prozent der rund 1.500 Befragten im Hochschulkontext angegeben, in den letzten zwei Jahren Diskriminierung erfahren zu haben. Die Zahl derjenigen, die nach solchen Erfahrungen schweigen oder sich handlungsunfähig sehen, liegt demnach bei 80 Prozent.
Laut der Erhebung sind Hochschulen in Sachsen-Anhalt wenig divers. Je höher die Statusgruppe, umso homogener (männlich, weiß, deutsch) ist demnach ihre Zusammensetzung.
Die Datenerhebung zeigt auch, dass aufgrund der Homogenität der Leitungsebenen das Risiko steige, Entscheidungen zu treffen, die Diskriminierung verstärken oder verursachen. Laut der Umfrage kennen an den Hochschulen nur der Hälfte der Menschen bereits bestehende Unterstützungsangebote.
Blum: Das nutzen extrem Rechte aus und greifen gezielt einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an. Und das beobachten natürlich alle anderen und überlegen, wie sie sich verhalten können, um nicht selbst angegriffen zu werden. Dieses Klima der Angst, das extrem Rechte schaffen, findet an Hochschulen leider Nährboden. Wenn Menschen an Hochschulen einen rechtsextremen Übergriff erleben, trifft es sie oft doppelt. Zum einen durch den Übergriff an sich, zum anderen dadurch, wie die Institution damit umgeht, nämlich oft zurückhaltend. Deswegen ist es so wichtig, dass Betroffene an Hochschulen Solidarität erfahren und spüren, dass sie nicht allein sind und geschützt werden.
Wie können Hochschulen denn noch gegen Rechtsextremismus vorgehen?
Blum: Es ist ganz wichtig, dass Hochschulen Probleme nicht kleinreden, sondern dass im Gegenteil Strukturen schaffen, um bewusst über gesellschaftliche Probleme wie Rechtsextremismus zu sprechen. Das muss dann auch klar benannt werden. Und ich würde mir wünschen, dass Hochschulen nicht nur auf Vorfälle reagieren, sondern sich schon vorher mit dem Thema beschäftigen. Um im Ernstfall Ansprechpersonen und Schutzstrukturen zu haben, die Betroffene unterstützen können. Ein klares Selbstverständnis und eine klare Positionierung der Hochschule, so dass allen klar ist, welche Regeln und Leitbilder wo gelten. Und damit meine ich nicht Regenbogenflaggen, um nach außen gut dazustehen. Sichere Räume schafft man beispielsweise auch über entsprechend ausgebildetes Lehrpersonal.
So sollte eine Antidiskriminierungsstelle arbeiten
Haker erklärt: "Wichtig ist zum Beispiel, dass ganz klar erkennbar ist, für welche Fälle die Stelle zuständig ist, gern auch mit Beispielen. Es muss klar sein, was passiert, wenn ich mich dort melde. Und es braucht wirkliche anonyme Kommunikationskanäle und viel Glaubwürdigkeit. Entscheidend ist auch, wer in der Stelle arbeitet. Das könnten externe Personen sein. Wichtig ist, dass die Person keine Doppelrolle hat und nicht beispielsweise auch als Professorin oder Professor an der Hochschule arbeitet. Sonst ist Anonymität nicht wirklich möglich. Die Antidiskriminierungsstelle sollte außerdem ausreichend Geld zur Verfügung haben. Wer dort arbeitet, sollte nicht befristet angestellt sein.
Haker: Hochschulen muss klar sein, dass sie all das nicht nur für ihre Studierenden tun. Klar gibt es gute moralische, politische, ökonomische oder rechtliche Gründe, sich gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Gerade Hochschulen sollten das Thema aber auch aus einer wissenschaftsinternen Perspektive thematisieren. Rechtsextremismusprävention dient auch dazu, bessere Forschung und Lehre zu ermöglichen. Denn offene, inklusive und vielfältige Wissenschaft ist bessere Wissenschaft. Was der Wissenschaft und den Hochschulen bevorsteht, wenn extrem rechte Parteien an die Macht kommen, sehen wir aktuell in den USA und kennen wir schon, etwa aus Ungarn oder der Türkei.
Gerade in solchen Zeiten ist die Vernetzung von Hochschulen wichtig. Ich würde keiner Hochschule empfehlen, rechtsextreme Übergriffe ausschließlich intern klären zu wollen. Ich denke schon, dass Hochschulen jeden kleinen Sticker mit verbotenen Symbolen anzeigen sollten. Und: sich Hilfe holen! Wenn es um die Schaffung von Schutzkonzepten geht, kann eine externe Beratung hilfreich sein. Eine erste Adresse wäre die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus. Insgesamt nehme ich es so wahr, dass immer mehr Hochschulen sich über das Thema Rechtsextremismus Gedanken machen und Schutzkonzepte ins Leben rufen. Darüber freue ich mich.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist nicht kommentierbar. Warum? Die Redaktion hat einen Schwerpunkt zum Thema Rechtsextremismus an Hochschulen veröffentlicht. Um eine geordnete Diskussion zu ermöglichen, möchten wir Sie bitten, hier zu kommentieren.
MDR (Alisa Sonntag) | Erstmals veröffentlicht am 30.03.2025
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 30. März 2025 | 19:00 Uhr