Antisemitismus-Skandal Imbiss als "Jude" bezeichnet: Ministerium sieht Polizei auf gutem Weg der Aufarbeitung

02. März 2023, 18:18 Uhr

Die jüngst bekannt gewordenen rassistischen Chats einer Anwärterklasse waren nur einer von vielen Skandalen in Sachsen-Anhalts Polizei: Im Jahr 2020 wurde bekannt, dass ein Imbiss bei der Bereitschaftspolizei in Magdeburg jahrelang als "Jude" bezeichnet wurde. Eine Sonderkommission erarbeitete darauf konkrete Handlungsempfehlungen. Seither habe sich viel getan – sagt jedenfalls das Innenministerium.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Felix Fahnert
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Sachsen-Anhalts Innenministerium sieht die Polizei im Land nach einem Antisemitismus-Skandal aus dem Jahr 2020 auf einem guten Weg der Aufarbeitung. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT erklärte die Behörde, als Reaktion "wurden diverse Maßnahmen getroffen, um die Interkulturelle Kompetenz und die Demokratische Resilienz in der Landespolizei zu stärken". Dazu zählten etwa die in diesem Zusammenhang erweiterte Ausbildung und Fortbildung, das gezielte Anwerben von Menschen mit Migrationshintergrund oder eine veränderte Aufarbeitung von Fehlverhalten.

"Jude" und "Faschistendienstag" waren bei der Polizei geläufig

Sachsen-Anhalts Polizei war in der Vergangenheit immer wieder durch Skandale in die Schlagzeilen geraten. Zuletzt sorgten menschenverachtende Chatnachrichten einer Polizeianwärterklasse in Aschersleben für Aufsehen. Im Jahr 2020 war bekannt geworden, dass ein Imbiss bei der Bereitschaftspolizei in Magdeburg jahrelang als "Jude" bezeichnet wurde. Was folgte, war eine eigens eingerichtete Sonderkommission, die sich mit einem möglichen institutionellen Rassismus und Antisemitismus beschäftigte. Im März 2021 legte sie einen Bericht vor – mit ausdrücklichen Handlungsempfehlungen, um solche und ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden.

Dem Bericht zufolge waren diskriminierende Begriffe wie "Jude" für eine geschäftstüchtige Person bei der Polizei weit verbreitet. Eine polizeiliche Kontrolle von Ausländerinnen und Ausländern sei zudem etwa als "Faschistendienstag" bezeichnet worden. Auch diskriminierende Begriffe für Menschen aus dem arabischen Raum oder Personen mit dunkler Hautfarbe waren demnach geläufig. Institutionellen – also durch die Strukturen vor Ort bedingten – Rassismus und Antisemitismus konnte bei der Landespolizei dem Bericht zufolge zwar nicht festgestellt werden. Allerdings wurden "Fälle des sogenannten Alltagsrassismus festgestellt", heißt es in dem Bericht.

Hintergründe zum Antisemitismus-Vorfall hören Sie auch im MDR-Podcast "Was bleibt" vom Oktober 2020.

Ministerium spricht von "ernstem Befund"

Das Innenministerium erklärte MDR SACHSEN-ANHALT nun, man teile "nach wie vor die Einschätzung der Sonderkommission, dass es sich um einen ernsten Befund handelt". Von Bediensteten der Landespolizei könne erwartet werden, "im dienstlichen wie im privaten Umgang antisemitische, rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen zu unterlassen". Die Handlungsempfehlungen der Kommission böten "eine gute Grundlage, um auf diesen Befund zu reagieren".

Konkret habe die Fachhochschule der Polizei in Aschersleben bereits im November 2020 – und damit kurz nach Bekanntwerden des Falls – ein ganzheitliches Konzept "Interkulturelle Kompetenz" in Auftrag gegeben. Ziel sei es, die Sensibilität von Polizeibeamten bei Einsätzen mit interkulturellem Kontext zu erhöhen und das Verständnis für die Opfer von rassistischem und extremistischen Denken zu erhöhen.

Interkulturelle Kompetenz: Multiplikatoren führen Lehrgänge durch

Bis Juli 2022 seien hierfür bereits zehn Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet worden, die im September 2022 mit den Lehrgängen begonnen hätten. Zwölf weitere Multiplikatoren stünden nach dem zweiten Ausbildungslehrgang ab sofort für Workshops von Bediensteten zur Verfügung. Auch in Ausbildung und Studium von angehenden Polizistinnen und Polizisten werde die interkulturelle Kompetenz gestärkt.

Außerdem werden dem Innenministerium zufolge gezielt Menschen mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst angeworben. Dies betreffe die Öffentlichkeitsarbeit, aber auch ein gezieltes Vorbereitungsprogramm, um die Chancen beim Auswahlverfahren für Menschen mit Migrationshintergrund zu erhöhen. Auch das Einstellungs- und Auswahlverfahren selbst sei verändert worden. Überarbeitet wurde demnach etwa der Sprach- und Rechtschreibtest. Auch der sogenannte Intelligenzstrukturtest sei so angepasst worden, dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht systematisch benachteiligt werden.

Supervisionen nach kritischen Einsätzen

Auf die Forderung der Kommission nach einer verbesserten Fehlerkultur habe man bei der Polizei ebenfalls reagiert. Landeskriminalamt und die Bereitschaftspolizei würden nach besonders kritischen Einsätzen etwa Nachsorgetermine in Anspruch nehmen. Diese würden zusammen mit Polizeipfarrern als Supervisoren gestaltet. Auch den Spezialeinheiten und dem Personenschutz würden Reflexionsmöglichkeiten und Supervisionen angeboten, an denen Polizeiseelsorger, Psychologen und Betriebsmediziner teilnehmen würden.

Fehlverhalten von Beamtinnen und Beamten werde unverzüglich angezeigt – dabei stünden auch Fälle im Zusammenhang mit Extremismus, Rassismus, Homophobie, Antisemitismus, Islamismus oder der Reichbürgerideologie im Fokus, hieß es vom Innenministerium. Experten warnen unterdessen immer wieder davor, dass viele Fälle unentdeckt bleiben könnten. So erklärte zuletzt Polizeiwissenschaftler Rafael Behr im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT, dass es eine Polizistenkultur gebe, in der einer der höchsten Grundsätze sei, dass man keine Kameraden verpfeife.

Mehr zum Thema: Rassismus in der Polizei

MDR (Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 24. Februar 2023 | 19:00 Uhr

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