Resilienz-Boni Solar in der Krise: Sachsen-Anhalt fordert schnelle Hilfe für heimische Hersteller
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08. Februar 2024, 18:43 Uhr
Um Solarhersteller in Deutschland zu halten, fordert Sachsen-Anhalt ein schnellstmögliches Signal aus Berlin. Die heimische Industrie könne mit der Billigkonkurrenz aus China nicht mithalten. Wirtschaftsminister Sven Schulze spricht sich daher für sogenannte Resilienz-Boni aus. Mit Meyer Burger steht auch in der Region eine Solar-Produktion auf der Kippe.
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- Resilienz-Boni sollen die Preisdifferenz zwischen Solar-Importen aus Fernost und Modulen deutscher Herkunft ausgleichen.
- Meyer Burger will bis Mitte Februar über die Schließung seiner mitteldeutschen Werke in Tahlheim und Freiberg entscheiden.
- Die Ampel in Berlin scheint uneins beim Thema Resilienz-Boni.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) hat die Bundesregierung zu schnellen Lösungen für die strauchelnde deutsche Solarindustrie aufgefordert. Es brauche jetzt ein Signal aus Berlin, wenn man Solarproduzenten über die nächsten Jahre und Jahrzehnte weiter in Deutschland halten wolle. Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT plädierte der Minister für sogenannte Resilienz-Boni. "Das ist die Möglichkeit, die wir jetzt diskutieren sollten." Die Zeit dränge.
Schulze: "Momentan kein fairer Wettbewerb"
Mit Resilienz-Boni soll die preisliche Differenz zwischen günstigen Solar-Importen aus Fernost und den teureren Solarmodulen aus deutscher Produktion über staatliche Mittel ausgeglichen werden. Auf diese Weise sollen Solarpaneele Made in Germany für Verbraucher attraktiver werden. So jedenfalls die Idee. Wie das genau funktionieren soll, ist derzeit allerdings noch unklar. Möglich wäre, dass für Solaranlagen, die vorrangig aus europäischer Produktion stammen, eine höhere Einspeisevergütung gezahlt wird.
Laut Schulze ist schnelles Handeln geboten, weil im Solarbereich momentan kein fairer Wettbewerb bestehe. Da China den europäischen Markt mit billigen Solarzellen geflutet hat, werden ansässige Hersteller wie Meyer Burger ihre teureren Produkte nur schwer los. Das Unternehmen musste daher nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr dreistellige Millionenverluste hinnehmen und denkt seit Januar laut darüber nach, seine Werke im sachsen-anhaltischen Thalheim (350 Mitarbeiter) sowie im sächsischen Freiberg (500 Mitarbeiter) zu schließen – letzteres möglicherweise schon im April.
Meyer Burger: Deadline verstreicht Mitte Februar
Auch der Dresdner Solarmodulhersteller Solarwatt erwägt, seine Fabrik aufzugeben. Bereits im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 85 Mitarbeitende entlassen – nach eigener Aussage wegen mangelnder Nachfrage.
Meyer Burger hatte im Januar mit einer Deadline noch einmal versucht, den zeitlichen und politischen Druck auf Berlin zu erhöhen. Mitte Februar, so die Aussage damals, will die schweizerische Firma final über seine deutschen Werke entscheiden, wobei sie deren Erhalt direkt an staatliche Unterstützungsmaßnahmen geknüpft hat. Das Unternehmen sprach sich hierbei bereits im Dezember für Resilienz-Boni als Subventionsmaßnahme aus.
Auch der Bundesrat mahnt den Bund zu Tempo
Auch der Bundesrat hatte in der vergangenen Woche eine Unterstützung des Bundes für die Solar-Branche angemahnt. Die Länderkammer stimmte am Freitag einer Initiative aus Sachsen und Sachsen-Anhalt zu, wonach der Bundestag das sogenannte Solarpaket I schnellstmöglich beschließen solle. Um der Branche in Deutschland und Europa kurzfristig zu helfen, sollen zudem sogenannte Resilienz-Ausschreibungen und -Boni im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankert werden.
Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) sagte: "Wir brauchen dringend eine auskömmliche Förderung für die Solarindustrie im Land, um die Produktionskapazitäten bei uns zu sichern und um den Ausbau hierzulande anzureizen." Er verwies auf die USA, wo die Solarindustrie Standorte in großem Umfang ausbaue. Zugleich betonte er, dass neue Regelungen nicht zu negativen Auswirkungen für die Stromverbraucher oder das Ausbautempo führen dürften. Quelle: dpa
Ampel bei Resilienzboni nach Medienberichten uneins
Berlin hält sich beim Thema aktuell jedoch bedeckt. Zwar hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Dezember gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) bereits eine "Pilotausschreibung für eine Art Resilienz-Bonus" in Aussicht gestellt. Diese wollte er möglichst schnell über das Solarpaket I, das aktuell den Bundestag passiert, festschreiben. Habeck hatte außerdem betont, dass er es für wichtig hält, sich im Solar-Bereich nicht ausschließlich von chinesischen Importen abhängig zu machen. Doch laut RND soll es zuletzt Streit mit dem Koalitionspartner FDP über die Finanzierung solcher Boni gegeben haben.
Entsprechend zurückhaltend reagierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf eine Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT zu Resilienzmaßnahmen. Die Fragen, wie das Boni-Modell funktionieren soll, welche Mittel dafür notwendig wären und woher sie kommen sollen, ließ das Ministerium unbeantwortet. Auch die Frage, ob das Solarpaket I noch im Februar beschlossen wird, ließ es unkommentiert.
Bundesregierung bestätigt lediglich Prüfung von Resilienz-Boni
Stattdessen teilte ein Sprecher mit: "Die Bundesregierung treibt für Deutschland mit dem Solarpaket I die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen weiter deutlich voran." Sie prüfe zudem verschiedene Maßnahmen, darunter auch Resilienz-Boni und Resilienz-Ausschreibungen sowie weitere förderpolitische Maßnahmen, um die deutsche Photovoltaikindustrie zu unterstützen.
Eine solche Willensbekundung dürfte der Branche nicht ausreichen. So ließ der Geschäftsführer von Meyer Burger, Gunter Erfurt, am Mittwoch bei einer digitalen Pressekonferenz durchblicken, dass das Unternehmen als Entscheidungsgrundlage für einen Erhalt seiner deutschen Produktionsstätten konkrete Vorschläge braucht.
"Die Lösung muss gut sein und uns die Möglichkeit zur Planung geben", so Erfurt, der zuvor eine Zusammenarbeit von Meyer Burger mit dem digitalen Solar-Marktplatz Otovo verkündet hatte. Mit dieser Kooperation wolle man den Vertrieb stärken. Auswirkungen auf die Entscheidung, ob das Unternehmen auch weiterhin in Deutschland Module und Zellen produziere, habe die neue Partnerschaft allerdings nicht, betonte Erfurt. Diese Entscheidung sei noch nicht getroffen.
Meyer Burger optimistisch: Gute Signale aus Berlin
Erfurt zeigte sich jedoch optimistisch, dass der Bundestag noch im Februar über Unterstützungsmaßnahmen befinde. Es gebe gute Signale aus Berlin. Ähnlich äußerte sich auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister im MDR-Gespräch: "Ich denke, dass wir in den nächsten Tagen oder Wochen konkrete Informationen aus Berlin bekommen", so Sven Schulze.
Ob Sachsen-Anhalt dann auch bereit wäre, einen finanziellen Beitrag zu Resilienz-Boni zu leisten, komme darauf an, wie das Modell funktionieren soll und um welche Größenordnungen es gehe, sagte der Minister. Oft präsentiere der Bund Lösungen und stelle die Länder vor vollendete Tatsachen. "Wenn wir anteilig etwas bezahlen sollen, will ich vorher wissen, was der Bund genau will. Und auf dieser Grundlage sollten sich Bund und Länder zusammensetzen, um gemeinsam eine Lösung zu finden."
Die Nachfrage nach Sonnenstrom ist jedenfalls hoch. Nach Branchenangaben wurden 2023 so viele Solaranlage installiert wie niemals zuvor. Profitieren kann davon momentan allerdings vorwiegend die von Peking subventionierte, chinesische Billigkonkurrenz, zu deren Solarpaneelen die Verbraucher greifen.
MDR (Daniel Salpius)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Februar 2024 | 15:00 Uhr
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