Arbeiter laufen durch eine Zinkhütte.
Am 23. Februar 2025 ist Bundestagswahl. Dann wird auch über die künftige Wirtschaftspolitik entschieden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Bundestagswahl 2025 | Wirtschaftspolitik "Kleinere Betriebe werden am Wachsen gehindert"

26. Januar 2025, 09:26 Uhr

Am 23. Februar 2025 wird ein neuer Bundestag gewählt. Entschieden wird dann auch über den Kurs in der Wirtschaftspolitik. Sachsen-Anhalt ist überwiegend von eher kleinen Betrieben geprägt. Die schlagen sich vor allem mit Bürokratie und Zukunftssorgen herum. Zum Problem kann aber auch der starke Fokus der Politik auf Großunternehmen werden. Was sich insbesondere das Handwerk von der neuen Bundesregierung wünscht: Teil 2 der MDR-Reihe zur Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt.

Wer die Werkstatt der Magdeburger Firma Mico betritt, bereist die Zeit. Mindestens 35 Jahre springt man in die Vergangenheit. Digitale Bildschirme und Displays existieren nicht. Stattdessen alte, aber gepflegte Maschinen, die nicht ohne Pathos noch das Label "VEB" tragen. Die Mitarbeiter sind von Werkzeugen und Material umgeben. Es riecht nach Metall und Maschinenöl, ab und an wird der Geruch von würzigen Schwaden übertüncht, die Werkbänke und Schraubstöcke vernebeln. Mitarbeiter Achim Böchel produziert sie mit dicken Zigarren.

"Auf moderne Maschinen umzusteigen, ist einfach nicht erforderlich. Die alten laufen", erklärt Mico-Chef Carsten Apel. Der Handwerksbetrieb mit mehr als hundertjähriger Geschichte fertigt Wasserpumpen. Das eigene Modell, die Kreiselpumpe KSE 25, ist seit 1961 technisch unverändert und dürfte eingeweihten Kleingärtnern ein Begriff sein. Die Produktion des Klassikers mache inzwischen aber nur noch einen kleinen Teil des Geschäfts aus, so Apel. Etwa 1.000 Stück im Jahr schraubt das siebenköpfige Team zusammen.

"Papierkram" frisst ein Drittel der Zeit

Vor allem plant, baut und wartet Mico Springbrunnen-, Beregnungs- oder auch Abwasserhebeanlagen, repariert als Dienstleister außerdem alte Pumpentechnik. Moderne, computergestützte Steuerungssysteme gehören trotz des altmodischen Charmes der Werkstatt natürlich zum Portfolio. "Auf unserem Gebiet sind wir die letzte echte Manufaktur mit Reparatur in Magdeburg. Firmen wie wir sterben aus", so Apel. Dementsprechend habe man gut zu tun.

Aus der Zweischneidigkeit dieser Aussage lässt sich bereits erahnen, dass die gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch hier durchaus drücken – trotz guter Auftragslage. Am Schreibtisch im Laden neben der Werkstatt wird das anschaulich: Die Bürokratie sitzt Carsten Apel buchstäblich im Nacken. Das Regal hinter ihm quillt von Aktenordnern geradezu über. Dieser "Papierkram" fresse gut ein Drittel seiner Zeit.

Mann mit Brille und Kinnbart holt einen Aktenordner aus einem Regal.
Aktenordner und Formulare stehlen Carsten Apel sehr viel mehr Zeit, als ihm lieb ist. Bildrechte: MDR/Daniel Salpius

Ich bin Techniker, kein Steuerberater.

Carsten Apel Chef von Mico Pumpen in Magdeburg

Die meiste Arbeit machten Steuern. Er müsse sämtliche Möglichkeiten des Steuerrechts ausschöpfen, um nicht zu viel zu zahlen. "Ohne externen Berater geht das gar nicht, ich bin Techniker, kein Steuerexperte", klagt Apel.

Öffentliche Aufträge: "Völliger Wahnsinn"

Als er zur Wendezeit in den Familienbetrieb einstieg, hätten sein Großvater und sein Vater schon genauso viel Bürokratie zu bewältigen gehabt wie er heute. Damals hatte die Firma allerdings auch noch 50 Mitarbeitende, gibt der 57-Jährige zu bedenken und wünscht sich ein einfacheres Steuersystem. "Angesichts der Digitalisierung müsste das längst alles leichter gehen."

Oftmals viel zu kompliziert werde es auch bei öffentlichen Aufträgen. "Da sind mitunter 15 Formulare für eine kleine Ausschreibung auszufüllen. Das ist Bürokratie, die uns wirklich behindert." Auch die Praxis, dass öffentliche Aufträge immer an den billigsten Anbieter gehen, Ortsansässigkeit und frühere, gute Zusammenarbeiten dagegen keine Kriterien bei der Vergabe seien, versteht Apel nicht. "Das Verfahren ist völliger Wahnsinn."

Kleine Unternehmen prägen Sachsen-Anhalts Wirtschaft

Ein weiteres Problem für den Magdeburger Unternehmer: das Personal. Gerne würde er sein Team vergrößern, Arbeit jedenfalls gebe es genug. Dass er momentan davon abrückt, liege zwar auch am Fachkräftemangel, aber für Apel mehr noch an den hohen Lohnkosten – vor allem an den Lohnabgaben. Als aktuelles Beispiel nennt er die gestiegenen Zusatzbeiträge der Krankenkassen. Die Mehrkosten dafür trage er für jeden seiner Angestellten je zur Hälfte. Das unternehmerische Risiko, mehr Personal einzustellen, sei ihm angesichts der finanziellen Belastung einfach zu groß.

Betriebe wie der von Carsten Apel prägen Sachsen-Anhalts Wirtschaft. Das Land zählte 2022 nach Angaben des Statistischen Landesamtes rund 69.000 Unternehmen, 59.000 davon beschäftigten weniger als zehn Mitarbeitende, sind also Kleinstunternehmen – wobei in diese Kategorie teils auch Freiberufler fallen. Addiert man Betriebe bis 50 Beschäftigte dazu, liegt der Anteil kleiner Unternehmen bei mehr als 97 Prozent. Um die 40 Prozent aller Beschäftigten im Land verdienen ihr Geld in solchen Betrieben.

IWH: Fokus auf Großunternehmen hemmt Innovationen

"Kleine bis mittlere Unternehmen haben eine hohe Bedeutung für die Wirtschaft", bestätigt der Wirtschaftsprofessor Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Befragungen zufolge hätten Unternehmen in Deutschland aber drei zentrale Probleme, die immer wieder genannt würden: erstens die Kompliziertheit des Steuersystems, eher weniger die Höhe der Steuern. Zweitens die hohen Kosten und die Kompliziertheit des Grunderwerbs. Drittens die Dauer der Bearbeitung von Anträgen wie Baugenehmigungen oder Gewerbeanmeldungen.

Da sich in kleinen Betrieben der Chef oft um alles selbst kümmern muss, sind sie von diesen Problemen besonders betroffen. Dabei scheinen politische Lösungen dafür im Grunde nicht sonderlich schwierig zu sein. Holtemöller sieht das genauso, schränkt jedoch ein: "Von der Kompliziertheit des Steuersystems und der des Grunderwerbs leben die Steuerberater und die Notare." Beide Berufsgruppen hätten wiederum starke Lobbys, die viele Argumente fänden, um die Systeme nicht zu vereinfachen.

Großunternehmen gehen nicht pleite, obwohl sie kein tragfähiges Geschäftsmodell mehr haben.

Oliver Holtemöller Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle

Für den Professor hemmt die gegenwärtige Politik Innovationskraft und Dynamik der Wirtschaft. Kleine Unternehmen blieben häufig klein, obwohl sie erfolgreich seien und wachsen könnten. Das liege auch am Ethos der Unternehmer, an teils mangelnder Risikobereitschaft. Vor allem aber sei die Politik darauf ausgerichtet, Großunternehmen durch Subventionen zu stabilisieren und deren Arbeitsplätze zu retten. "Diese Unternehmen gehen also nicht pleite, obwohl sie kein tragfähiges Geschäftsmodell mehr haben", kritisiert Holtemöller. Dadurch blieben Fachkräfte gebunden, die wiederum dann jungen, innovativen Unternehmen zum Wachsen fehlten.

Handwerk lehnt Subventionen ab

"Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die vernünftige Rahmenbedingungen für alle schafft und das Wachstum junger Unternehmen nicht durch Bürokratie und Subventionen für Großunternehmen behindert", fasst Holtemöller zusammen. Zudem müsse der Nachwuchs besser qualifiziert von den Schulen kommen – insbesondere bei mittleren Schulabschlüssen.

Auch der deutsche Handwerkspräsident Jörg Dittrich hatte jüngst kritisiert, dass der Fokus der Politik auf Industrie und Großunternehmen liege. Er forderte eine verlässliche, mittelstandsorientierte Politik, lehnte staatliche Investitionszuschüsse für Handwerksbetriebe zugleich jedoch ab. So sieht es auch Andreas Dieckmann, Präsident der Handwerkskammer Magdeburg (HWK). Es brauche keine Subventionen, wenn stattdessen das Steuersystem reformiert und die überlastende Bürokratie abgebaut werde.

Mann mit langen Locken und Dreitagebart schaut in die Kamera. Er trägt einen Anzug.
Andreas Dieckmann, Präsident der HWK Magdeburg, wünscht sich eine Reform des Steuersystems. Bildrechte: MDR/Daniel Salpius

Es braucht keine Subventionen, wenn stattdessen das Steuersystem reformiert wird.

Andreas Diekmann Präsident der Handwerkskammer Magdeburg

Von der neuen Bundesregierung, die am 23. Februar gewählt wird, wünscht sich Dieckmann somit vor allem eines: "Keine neuen Regeln und Gesetze." Nötig sei stattdessen mehr Freiheit. Sie sei Garant für Wohlstand und Wachstum.

Weniger Beschäftigte in Kleinstunternehmen

Aktuell sieht Diekmann jedoch einen negativen Trend. Die Zahl der Handwerksbetriebe im Land nehme ab. Seit Frühjahr 2024 beobachte die HWK zudem einen Anstieg der Fälle in der Betriebsberatung für Firmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Unternehmensschließungen seien dabei nicht immer zu verhindern.

Dieser Trend zeigt sich auch in den Daten des Statistischen Landesamtes. Gab es in Sachsen-Anhalt 2018 noch rund 64.400 Kleinstunternehmen mit unter zehn Mitarbeitern – wozu viele Handwerksbetriebe zählen –, waren es 2022 nur noch 59.400. Die Beschäftigtenzahlen in Betrieben dieser Größenordnung sanken ebenfalls – zählten sie 2019 insgesamt noch rund 124.000 Angestellte, waren es 2023 nur noch 116.000.

Neben Insolvenzen nennt HWK-Präsident Dieckmann bei den Gründen für Schließungen, dass die Inhaber im Alter oft keine Nachfolger fänden, die den Betrieb weiterführten.

Auch Carsten Apel beschäftigt dieses Thema. Immerhin führt er Mico-Pumpen in der dritten Generation. Seine Kinder hätten bislang jedoch keine Ambitionen, nach ihm weiterzumachen. Er habe aber einen Grundoptimismus, dass sich auch dafür Lösungen fänden. Diese Zuversicht hänge auch mit der langen Firmengeschichte zusammen. Mico, 1923 gegründet, habe vier politische Systeme gesehen. "Wir sind durch alle Zeiten gekommen und sind es daher gewohnt, Probleme zu bewältigen."

Wählerinnen und Wähler geben ihre Stimme ab
Zur Bundestagswahl 2025 werden wieder Millionen Deutsche ihre Stimme abgeben, so wie in diesem Erfurter Wahllokal im September 2021. Bildrechte: imago images/Jacob Schröter

Rechtsruck beschäftigt Mico-Chef Apel

Zu den Firmengründern gehörte mit Nathan Aronson auch ein jüdischer Unternehmer. Carsten Apels Großvater Franz Apel stieg zunächst nur als Lehrling ein. Das Unternehmen geriet laut eigener Chronik in den 1930er-Jahren zunehmend unter den Druck der NSDAP, hatte mit Schikanen zu kämpfen. Aronson musste 1938 schließlich ausscheiden.

Vor diesem Hintergrund betrachtet Apel den heutigen Rechtsruck in der Gesellschaft mit Sorge. Nicht so sehr das Erstarken rechter Parteien treibt ihn um. "Ich finde den Alltagsrassismus schlimm. Den haben wir hier im Betrieb auch." Redeverbote gebe es aber nicht. Apel, der sich als links-liberal-humanistisch einordnet, geht mit dem Thema offen um. Politische Diskussionen seien im Team an der Tagesordnung und erwünscht. "Wir führen den Diskurs und das ist durchaus positiv."

Politische Meinungen gehen auseinander

Befragt nach den Wünschen an die neue Bundesregierung, zeigt sich, wie breit das Meinungsspektrum unter den Mitarbeitern ausfällt. Der 35-jährige Maik Przewdzieng wünscht sich zum Beispiel, dass die Energiewende durchgezogen wird. Rufe nach einer Rückkehr der Atomkraft versteht er nicht. "Warum? Es hat doch jetzt funktioniert ohne." Und der Strompreis sinke auch, wenn nur weiter konsequent auf erneuerbare Energien gesetzt werde, ist er überzeugt.

Was wünscht sich Mico-Mitarbeiter Maik Przewdzieng noch von der neuen Bundesregierung? Das sehen Sie im Video.

Junger Mann mit Kinnbart, Basecap und blauer Arbeitsjacke lächelt freundlich und blickt den Betrachter direkt an. Im Hintergrund hängen Werkzeuge. 3 min
Bildrechte: MDR/Daniel Salpius
3 min

Maik Przewdzieng ist Mitarbeiter bei "Mico Pumpen" in Magdeburg. Von der neuen Bundesregierung wünscht er sich mehr Zusammenarbeit – vor allem in Bezug auf die Energiewende.

MDR FERNSEHEN So 26.01.2025 19:00Uhr 02:31 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/video-wahl-bundesregierung-wuensche-zusammenarbeit-energiewende-100.html

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Mario Krüger beschäftigen vor allem die steigenden Preise für Benzin, Heizkosten, Strom. "Man hat immer weniger zum Leben und da müsste irgendwas passieren, damit man wieder was im Portemonnaie hat am Monatsende." Der 60-Jährige wünscht sich außerdem mehr Sicherheit auf den Straßen.

Man hat immer weniger zum Leben und da müsste irgendwas passieren.

Mario Krüger Mitarbeiter Mico Pumpen

Was wünscht sich Mico-Mitarbeiter Mario Krüger von der neuen Bundesregierung? Das sehen Sie im Video.

Mario Krüger, Mitarbeiter Mico Pumpen 1 min
Bildrechte: MDR
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Mario Krüger ist Mitarbeiter bei "Mico Pumpen" in Magdeburg. Von der neuen Bundesregierung wünscht er sich vor allem mehr Netto vom Brutto und Sicherheit auf den Straßen.

MDR FERNSEHEN So 26.01.2025 19:00Uhr 01:06 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/video-wahl-bundesregierung-wuensche-sicherheit-lohn-100.html

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Unternehmen in Deutschland zu halten, spielt für Mitarbeiterin Marion Ringel eine entscheidende Rolle. Wirtschaftszweige sollten aus ihrer Sicht nicht mehr so stark nach Asien ausgelagert werden, um eine Eigenversorgung aufrechtzuerhalten.

Und der Chef? "Ich wünsche mir Frieden", sagt Carsten Apel. Er wolle morgens nicht mehr vom Kriegsgeschehen lesen, sondern vom Stand von Friedensverhandlungen. Viel zu tun also für die neue Bundesregierung.

Wie wollen die Parteien Deutschland gestalten? Hintergründe zu den Wahlprogrammen finden Sie hier.

MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. Januar 2025 | 19:00 Uhr

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