Delegierte stimmen auf einem AfD-Parteitag ab
Der Verfassungsschutz hat die AfD Sachsen-Anhalt geprüft: "Das Ergebnis ist eindeutig." (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Zuvor Verdachtsfall AfD Sachsen-Anhalt als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft

08. November 2023, 14:09 Uhr

Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt hat den AfD-Landesverband als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Dem Verfassungsschutzchef zufolge hat sich die Partei weiter radikalisiert, seit sie als Verdachtsfall behandelt wird.

Der Verfassungsschutz hat den Landesverband Sachsen-Anhalt der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.

Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt hat den AfD-Landesverband als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Das hat der Leiter der Behörde, Jochen Hollmann, MDR SACHSEN-ANHALT mitgeteilt.

AfD Sachsen-Anhalt seit 2021 Verdachtsfall

Seit Beginn der Beobachtung hätten sich die tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht weiter verdichtet. Die nun erfolgte Einstufung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung sei die rechtliche Konsequenz.

Hollmann teilte mit, dass die AfD Sachsen-Anhalt seit der Einstufung als Verdachtsfall im Januar 2021 intensiv geprüft worden sei. Man habe sich bei der Bewertung streng an dem gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzgesetzes orientiert.

Verfassungsschutz: AfD hat sich seit Corona-Pandemie radikalisiert

Hollmann sagte: "Das Ergebnis ist eindeutig: Der Landesverband vertritt nicht nur weiterhin verfassungsfeindliche Positionen, die zur Einstufung als Verdachtsfall geführt hatten, sondern hat sich vielmehr seit der Corona-Pandemie derart radikalisiert, dass eine systematische Beobachtung unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gerechtfertigt ist."

Jochen Hollmann, Abteilungsleiter Verfassungsschutz im Ministerium für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt
Jochen Hollmann leitet die Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums in Sachsen-Anhalt. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Die Verfassungsschutzabteilung sei gesetzlich dazu verpflichtet, die Einstufung als gesichertes Beobachtungsobjekt im Phänomenbereich Rechtsextremismus vorzunehmen. Es gebe eine "Vielzahl von Aussagen des Landesverbandes und zahlreicher Funktions- und Mandatsträger der AfD Sachsen-Anhalt, welche die Bestrebungen dieser Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung belegen", so Hollmann.

Der Verfassungsschutz komme seinem "ebenfalls gesetzlich definierten Informationsauftrag als Frühwarnsystem der Demokratie" nach, indem er die Entscheidung öffentlich bekannt gibt.

Kategorien des Verfassungsschutzes "Gesichert extremistische Bestrebung" ist die höchste Kategorie des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Prüffall, Verdachtsfall, gesichert extremistisch.

Bei als gesichert extremistischen Bestrebungen sind die Hürden für das Abhören von Telefongesprächen oder dem Einsatz von V-Leuten niedriger als bei Verdachtsfällen.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

AfD strebt laut Verfassungsschutz gegen freiheitliche demokratische Grundordnung

Die AfD Sachsen-Anhalt verstößt nach Angaben des Verfassungsschutzes gegen das Prinzip der Menschenwürde, gegen das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip.

MDR-Informationen zufolge umfasst die Beweissammlung mehr als einhundert Seiten. Demnach wurden vor allem öffentliche Quellen wie YouTube-Mitschnitte von Parteiveranstaltungen, Wahlkampfreden und Interviews ausgewertet.

Verstoß gegen Prinzip der Menschenwürde

Äußerungen der AfD Sachsen-Anhalt, die mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar sind, bezeichnete der Verfassungsschutz als "besonders relevant". Der Verfassungsschutz teilte mit, dass führende Vertreter der Partei Menschengruppen abwerten, indem sie Migranten zum Beispiel als "Invasoren", "Eindringlinge" oder "kulturfremde Versorgungsmigranten" diffamieren oder deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationshintergrund als "Passdeutsche" bezeichnen.

Hollmann zufolge hat der Verfassungsschutz zahlreiche muslimfeindliche, rassistische und antisemitische Aussagen von Funktions- und Mandatsträgern des Landesverbandes ausgewertet. Sie belegten, dass die Partei ein "ethnokulturell homogenes Staatsvolk" anstrebe und die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion fordert.

Verstoß gegen das Demokratieprinzip

Außerdem strebe die Partei die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie an. Die AfD Sachsen-Anhalt versuche, "das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland sowie seine Institutionen und deren Vertreter verächtlich zu machen." Der Verfassungsschutz spricht von einer Delegitimierungskampagne.

Insbesondere während der Corona-Pandemie habe der Landesverband die Bundesrepublik immer wieder mit autokratischen oder gar totalitären Regimen sowie die Coronamaßnahmen mit der Judenverfolgung im Dritten Reich gleichgesetzt.

Auch dabei wurden antisemitisch geprägte Begriffe herangezogen, etwa die Verschwörungstheorie des "Great Reset", nach der eine globale Elite die Pandemie instrumentalisiert oder geplant habe, eine von ihr gesteuerte neue Weltordnung zu errichten.

Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip

Gegen das Rechtsstaatsprinzip würden Äußerungen der AfD Sachsen-Anhalt verstoßen, in denen der Verfassungsschutz das Bestreben erkenne, ganze soziale Gruppen zu entrechten und einer faktischen Willkürherrschaft zu unterwerfen.

Die AfD Sachsen-Anhalt sowie ihre Teil- und Unterorganisationen würden die Ideologie des Ethnopluralismus vertreten. Das deute darauf hin, dass sich die Ziele der Partei nicht ohne die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze umsetzen lassen.

AfD in Thüringen bereits als "gesichert rechtsextremistisch"

In Thüringen war die AfD vor zwei Jahren vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg gilt die Einstufung für die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative.

AfD: Entscheidung politisch motiviert

AfD-Co-Fraktionschef Oliver Kirchner sagte: "Es interessiert mich nicht, was der Verfassungsschutz behauptet." Laut Kirchner ist die Einschätzung politisch motiviert. Das Innenministerium werde von der CDU geführt, an der die AfD laut einer kürzlich erschienenen Wählerumfrage vorbeigezogen ist, so der Co-Chef.

Landespolitiker nicht überrascht

Eva von Angern, die Fraktionschefin der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, sagte wie mehrere Landespolitiker, sie sei nicht überrascht von der Entscheidung. "Überall in Sachsen-Anhalt erleben wir regelmäßig, wie diese Partei Grund- und Menschenrechte mit Füßen tritt."

Eva von Angern, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Landtag Sachsen-Anhalt, stellt auf einer Pressekonferenz vor der Bundespressekonferenz die Forderungen ihrer Partei einer gerechten Lastenverteilung der Krisenkosten und Wiedererhebung der Vermögensteuer vor.
Linken-Fraktionschefin Eva von Angern zeigte sich nicht überrascht von der Entscheidung. Bildrechte: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, sagte der Nachrichtenagentur dpa, er könne die Entscheidung nachvollziehen. Das Problem des Rechtsextremismus sei damit aber nicht gelöst.

Die Landesvorsitzende der Grünen, Madeleine Linke, schrieb auf X (ehemals Twitter): "Nun ist bestätigt, was wir alle schon lange wussten: Die #noAfD ist eine rechtsextreme Partei. Denn diese Partei geht von der Ungleichwertigkeit von Menschen aus, verharmlost den Nationalsozialismus & hat eine starke Affinität zu diktatorischen Regierungsformen...".

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MDR (Karsten Kiesant, Marcel Knop-Schieback, Julia Heundorf, Sebastian Gall), dpa | Erstmals veröffentlicht am 07.11.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 07. November 2023 | 19:00 Uhr

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