Trotz Kritik Russland-Reise bleibt für AfD-Abgeordnete in Sachsen-Anhalt ohne Konsequenzen

11. Oktober 2022, 19:55 Uhr

Für ihre Reise nach Russland, die eigentlich in den besetzten Teil der Ukraine führen sollte, wurden Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald vom AfD-Bundesvorstand gerügt. Die Fraktion in Sachsen-Anhalt stellte sich derweil hinter sie und trägt weiter die Reisekosten. Im Landtag hat deshalb eine Diskussion über mehr Kontrolle von Fraktionsgeldern begonnen.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt geht wegen ihrer umstrittenen Russland-Reise nicht gegen die Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald vor. Das teilte die Fraktion am Dienstag mit. Die Entscheidung kommt nicht überraschend: Tillschneider und Wald waren schließlich offiziell im Auftrag der Fraktion gereist.

AfD-Fraktion sieht "keinen weiteren Handlungsbedarf"

Man nehme die Reaktionen der AfD-Bundesspitze "zur Kenntnis" und sehe darüber hinaus keinen weiteren Handlungsbedarf, hieß es zudem. Der AfD-Bundesvorstand hatte Tillschneider, Wald und ihren Mitreisenden Christian Blex, AfD-Landtagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, vergangene Woche für die mit der Parteispitze nicht abgestimmte Reise gerügt.

Das Trio war Mitte September nach Russland geflogen, um von dort aus in den Donbass, einen von Russland und seinen Verbündeten besetzten Teil der Ostukraine, zu fahren. Man wolle sich ein eigenes Bild der humanitären Lage vor Ort machen, hieß es zur Erklärung.

Parteichef Tino Chrupalla soll den drei Reisenden persönlich mit einem Parteiausschlussverfahren gedroht haben, sollten sie tatsächlich in die Ostukraine reisen. Christian Blex entschied dann, die Reise abzubrechen. Hans-Thomas Tillschneider wäre dem Vernehmen nach wohl dennoch gerne weiter gereist.

Die drei AfD-Politiker verbrachten die folgenden Tage im Südwesten Russlands. Laut Tillschneider hat man dort Material für eine Videodokumentation aufgenommen. Tillschneider hat in der Vergangenheit immer wieder Verständnis für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geäußert und zeigte sich erst am vergangenen Samstag auf einer AfD-Demo in Berlin mit einer Russland-Fahne. Daniel Wald hielt derweil bereits einen Vortrag über die Reise.

Reisekosten wohl vierstellig und aus Steuermitteln

Fragen bleiben vorerst zur Finanzierung der Reise. Die Fraktion hatte dem MDR gegenüber zunächst erklärt, "allein die Flugkosten" der Abgeordneten seien "als Reisekosten nach Maßgabe des Abgeordnetengesetzes Sachsen-Anhalt" durch die Fraktion vorgestreckt worden – und damit aus Steuergeldern. Nun ist von "erstattungsfähigen Reisekosten" die Rede, die von der Fraktion "im gesetzlichen Rahmen'' übernommen würden. Weitere Information werde man nicht geben.

AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner hatte am Montag allerdings vor Journalisten von einer "vierstelligen Summe" gesprochen. Verausgabt wurden auch die Reisekosten von Christian Blex, obwohl der nicht Mitglied der Fraktion ist. Blex hat aber bereits erklärt, das Geld zurückzuzahlen.

Üblicherweise werden Reisen von Abgeordneten aus einem Topf bezahlt, der jeder Fraktion jährlich dafür zusteht. Dafür muss allerdings ein Antrag auf Erstattung bei der Landtagsverwaltung gestellt werden. Stand Montag lag ein solcher aber nicht vor, wie eine Landtagssprecherin dem MDR auf Anfrage mitteilte. Fraktionen können theoretisch aber auch ihre regulären Zuschüsse für Reisekosten verwenden.

Ruf nach mehr Kontrolle durch den Landesrechnungshof

Politiker anderer Fraktionen zeigten sich irritiert über das AfD-Vorgehen. Es sei üblich, dass Abgeordnete Reisekosten zunächst selbst vorstreckten und erst dann begleichen ließen, sagte etwa Rüdiger Erben, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD.

Erbens Grünen-Kollege Sebastian Striegel sprach angesichts der Reise von "Landesverrat" und regte eine Ausweitung der Prüf- und Transparenzrechte des Landesrechnungshofs an. Dieser prüft die sorgsame Verwendung von Fraktionsmitteln, allerdings mit einem zeitlichen Abstand von oft mehreren Jahren.

Auf Antrag der Grünen berät der Landtag von Sachsen-Anhalt am Donnerstag zudem über eine Missbilligung der Reise.

Rechtliche Konsequenzen müssen Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald derweil wohl nicht fürchten. Sowohl bei den Staatsanwaltschaften in Magdeburg und Halle als auch bei der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg liegen keine Anzeigen gegen sie vor.

MDR (Thomas Vorreyer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Oktober 2022 | 20:00 Uhr

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