Parteientscheidung Umstrittene Russland-Reise: AfD-Politiker gerügt
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07. Oktober 2022, 18:41 Uhr
Die Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald sind zurück aus Russland. Sie verteidigen die umstrittene Reise, wurden nun aber vom AfD-Bundesvorstand gerügt. Nun soll auch der Landtag in Sachsen-Anhalt die Reise missbilligen. Und noch immer bleiben Fragen zur Finanzierung und Organisation unbeantwortet.
Die Russland-Reise dreier AfD-Politiker beschäftigt weiterhin die Bundes- und die Landespolitik in Sachsen-Anhalt. Am Dienstag rügte der AfD-Bundesvorstand die beteiligten Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald aus Sachsen-Anhalt sowie Christian Blex aus Nordrhein-Westfalen.
Von Russland in den russisch besetzten Teil der Ukraine
Die drei waren Ende September nach Russland gereist, um von dort aus weiter in den russischen besetzten Teil der Ostukraine zu reisen. Auf parteiinternen Druck hin wurde die Reise aber im Südwesten Russlands abgebrochen. Die Reisegruppe hatte die AfD-Bundesspitze mit ihrem Vorhaben überrascht, die Parteichefs Tino Chrupalla und Alice Weidel distanzierten sich teilweise.
Hintergründe zur Reise der Abgeordneten gibt es im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Was bleibt".
Die nun beschlossenen Maßnahmen gegen die Abgeordneten bestätigte ein Sprecher des AfD-Bundesvorstands der dpa am Mittwoch. Zuvor hatte die "Mitteldeutsche Zeitung" berichtet. Schon im Vorfeld war Christian Blex zudem aus der AfD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen worden. Ähnlich Schritte sind in Sachsen-Anhalt nicht zu erwarten.
Landesfraktion streckte Kosten vor
Im Fokus der Diskussion steht dennoch weiterhin die Organisation und Finanzierung der Reise. Tillschneider, Wald und Blex reisten offiziell im Auftrag der AfD-Landtagsfraktion und mit dem Ziel, sich vor Ort ein eigenes Bild "der humanitären Lage" zu machen. Die Fraktion erklärte gegenüber dem MDR zunächst, "allein die Flugkosten" seien "als Reisekosten nach Maßgabe des Abgeordnetengesetzes Sachsen-Anhalt" durch die Fraktion vorgestreckt worden – und damit aus Steuergeldern. Weitere Anfragen ließ die Pressestelle unbeantwortet. Etwa auch die Frage, ob der Antrag auf Erstattung mittlerweile gestellt wurde.
Die Angaben decken sich weitestgehend mit internen Stellungnahmen von Tillschneider, Wald und Blex, über die zuerst "Der SPIEGEL" berichtet hatte und die dem ARD-Hauptstadtstudio und dem MDR vorliegen. So versicherte Blex bereits während der Reise gegenüber seiner Fraktion in Düsseldorf an Eides statt, dass er seine Reisekosten privat zahle. Die von der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt für ihn bereits übernommenen Flugkosten wolle er zurückzahlen.
Wald, der an den Bundesvorstand schrieb, stellt sich lediglich als Mitfahrer dar. Man habe ihm erklärt, dass der Vorstand der Fraktion in Sachsen-Anhalt "die Reise begrüße und durch einen entsprechenden Beschluss finanziell die Flug- und Übernachtungskosten trägt." Alles andere sollte aus eigener Tasche bezahlt werden, so die Vorgabe.
In einer E-Mail von Tillschneider an den Bundesvorstand legte der die Kostenübernahme allerdings weiter aus. So sollte die Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt neben den Flügen auch für "weitere Kosten aufkommen, sofern sie nach den gesetzlichen Bestimmungen für derartige Fraktionsreisen erstattungsfähig sind".
Sowohl Tillschneider als auch Blex betonten, von russischer Seite seien keine Gelder geflossen. Anfragen zur Reise ließ Tillschneider derweil unbeantwortet.
Tillschneider und Wald verteidigen Reise
Weniger wortkarg zeigten sich die Reisenden nach ihrer Rückkehr Anfang September vor Parteifreunden: Daniel Wald hielt wenige Tage später einen Vortrag über die Reise in seinem Kreisverband.
Hans-Thomas Tillschneider verteidigte die Fahrt während einer AfD-Demo am Montag in Magdeburg. In seiner Rede stellte der Politiker Russland als eine Art Idealland dar, in dem es sich wesentlich besser und freier leben lasse als in Deutschland. Über den derzeitigen Krieg, der mit dem russischen Überfall auf die Ukraine begann, sagte Tillschneider, dahinter steckten in Wahrheit die USA, die "mit allen Mitteln" verhindern wollten, "dass Deutschland und Russland zusammenfinden".
Tillschneider sieht keinen "Schaden für die Partei"
Schon in seiner E-Mail an den Bundesvorstand hatte Tillschneider geschrieben, er sehe keinen "Schaden für die Partei". Der Bundesvorstand hätte die Reisegruppe deshalb gewähren lassen sollen. Er bedauere, die Menschen im vom russischen Kräften besetzten Donbass "allein gelassen zu haben".
Unklar bleibt bislang, wie genau es zu der Reise kam. Aus Parteikreisen heißt es, die Gruppe habe im Vorfeld bei der Verwaltung der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk" einen Besuchswunsch gestellt. Dort sei man aber abgeblitzt und letztendlich dann auf Einladung russischer Stellen hin geflogen. Das Außenministerium der "Volksrepublik" ließ mehrere Anfragen dazu unbeantwortet.
Christian Blex schreibt dazu lediglich, er habe die Reise vorbereitet und die für ein Visum nötige Einladung über eine "russische Hilfsorganisation" erhalten.
AfD-Fraktionschef will sich nicht äußern
Am Dienstag tagte nun erstmals seit der Rückkehr der Fraktionsvorstand, dessen Mitglied Tillschneider ist. Co-Fraktionschef Ulrich Siegmund wollte anschließend gegenüber dem MDR keine Stellungnahme abgeben. Diese solle es frühestens am kommenden Dienstag geben, wenn die gesamte Fraktion tagt, so Siegmund.
Auch AfD-Landeschef Martin Reichardt, der laut Tillschneider in die Reisepläne eingeweiht gewesen war, schwieg bislang. Neben Reichardt soll laut Parteikreisen auch der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke zu den Mitwissern im Vorfeld gezählt haben.
Grüne: Landtag soll Reise missbilligen
Die anderen Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt haben die Reise durchweg verurteilt. Eine gemeinsame Positionierung im Ältestenrat blieb in dieser Woche aber aus. Auf Antrag der Grünen wird man sich aber in der nächsten Landtagssitzung erneut mit der Reise befassen. Die Fraktion fordert, das Parlament müsse die Reise missbilligen.
Deren Planung und Durchführung sei "ohne offizielle Unterstützung des Putin-Regimes" bis hin zu Geldflüssen und einer Zusammenarbeit mit russischen Geheimdiensten "nicht denkbar", heißt es zur Begründung. Dadurch betreffe der Vorgang auch die Sicherheitsinteressen Deutschlands.
dpa, MDR (Thomas Vorreyer, Mario Köhne)
MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir
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