Nachtschicht So hilft die Luftrettung von Oppin Menschen
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Marc Weyrich, MDR SACHSEN-ANHALT
30. Dezember 2023, 14:47 Uhr
Geht es um die Luftrettung, ist Sachsen-Anhalt gut aufgestellt. Drei Rettungshubschrauber gibt es im Land. Einer in Magdeburg, zwei in Oppin im Saalekreis. Einer davon, "Christoph Sachsen-Anhalt", hat den Auftrag, 24 Stunden am Tag Menschenleben zu retten. Keine Selbstverständlichkeit – im Saarland und Rheinland-Pfalz etwa gibt es keine Nacht-Luftrettung. Die DRF-Luftrettung hat MDR SACHSEN-ANHALT eingeladen, bei einer Nachtschicht dabei zu sein.
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Das Telefon im Büro der DRF Luftrettung am Flugplatz Halle-Oppin klingelt. Die Leitstelle teilt mit, dass ein Junge von einem Pferd in den Bauch getreten wurde – zufälligerweise direkt in Oppin. Gleich kommt der Rettungswagen vorbei und sammelt die Notärztin ein, die eigentlich auf dem Rettungshelikopter fliegen sollte.
Ein bisschen Improvisation zum Start in die Nachtschicht der DRF-Luftrettung. "Wenn ihr mit dem Patienten an die Uniklinik fahrt, holen wir dich dort mit dem Heli ab", ruft Pilot Thorsten Schramm der Notärztin hinterher, denn: Schon seit einigen Stunden zeichnet sich ein Überführungsflug ab, der eine Patientin von Haldensleben nach Halle bringen soll.
"Diese Flüge kommen in der Nacht häufig vor. Gerade in einer sich verändernden Krankenhauslandschaft ist es nötig, Patienten von kleineren Kliniken in welche mit einem höheren Versorgungsgrad zu bringen." Schramms Kollege Thomas Amtmann ergänzt: "Man muss sich vorstellen, dass bei Patientenüberführungen immer ein Arzt mit dabei ist. Wenn man nun bodengebunden von Haldensleben nach Halle fahren würde, dann wäre ein Arzt in Haldensleben sehr lange weg und könnte sich nicht vor Ort um Patienten kümmern."
Gerade in einer sich verändernden Krankenhauslandschaft ist es nötig, Patienten von kleineren Kliniken in welche mit einem höheren Versorgungsgrad zu bringen.
Check-Up des Helikopters "Christoph Sachsen-Anhalt"
Während Notärztin Christine Staak sich um den Jungen mit dem Pferdetritt kümmert, prüft Pilot Thomas Amtmann in Ruhe seinen Heli, den weiß-roten "Christoph Sachsen-Anhalt". Unzählige Klappen macht er auf und zu, leuchtet hinein. Am Heli versteckt sind ausklappbare Trittflächen. Darüber kommt Amtmann aufs Dach. Mit einem der fünf Rotorblättern zwischen den Beinen prüft der Pilot die Oberflächen der Rotorblätter. "Ich schaue, ob es etwa Schäden durch Vogelschlag gegeben hat, eine reine Sichtprüfung." Käme ein Alarm, so der 46-Jährige, würde der Check-Up auf ein Minimum reduziert und losgeflogen.
Auch im Heli wird eifrig gewerkelt. Nico Hiller ist HEMS TC (Abkürzung für: Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member) – also Rettungssanitäter der Lüfte mit einer entsprechenden Zusatzausbildung. Er prüft die Medikamentenbestände und technische Geräte an Bord. Anschließend gibt es Buchführung am PC: "Es gibt einen Haufen Bürokratie zu bewältigen", sagt Hiller und sein Seufzen zeigt, dass der Dienst am Patienten eher sein Ding ist als der Papierkram.
Wenn wegen schlechten Wetters nicht geflogen werden kann
Währenddessen beugen sich die beiden Piloten in dieser Nacht über die Wettervorhersage. "Optimales Flugwetter heute in großen Teilen des Landes", konstatiert Pilot Thorsten Schramm mit Blick auf die Karten. Eine Regenfront aus Frankreich kommt erst in den nächsten Tagen.
Allerdings ist um Wittenberg und in der Altmark das Wetter schlecht. "Da werden wir vermutlich heute Nacht irgendwann nicht mehr fliegen können", sagt der Pilot und ergänzt, dass solche Entscheidungen durchaus schmerzhaft sein können: "Wenn man helfen müsste, aber nicht kann, macht das durchaus nachdenklich. Solche Momente nehmen wir auch in den Ruheraum mit und sprechen darüber", so Schramm.
Wenn man helfen müsste, aber nicht kann, macht das durchaus nachdenklich. Solche Momente nehmen wir auch in den Ruheraum mit und sprechen darüber.
Einsatzflug nach Haldensleben
Dann, ein lautes Piepsen, ein Gong ertönt: "Das ist der Alarm", stellt Thorsten Schramm trocken fest und nippt am Wasserglas. "Obwohl wir wissen, dass es der Überführungsflug ist, muss uns ein Alarm zugewiesen werden – ab dann läuft die Zeit." Zeit, die nachts in größerer Fülle zur Verfügung steht als am Tag. "Tagsüber sind wir in zwei Minuten in der Luft, nachts dürfen es bis zu 15 Minuten sein – wir sind meist nach acht Minuten oben", verrät der Pilot zufrieden.
Die Notärztin, die doch schon früher zurück zur Station gekommen ist, telefoniert unterdessen zunächst mit der Klinik in Haldensleben, erkundigt sich nach dem Zustand der Patientin und meldet sie anschließend an der Uniklinik Halle an. "Das Krankheitsbild kann lebensbedrohlich sein, aber die Patientin ist stabil, es wird sicher nicht dramatisch", sagt die Ärztin auf dem Weg zum Hubschrauber.
"Thomas, zünd' den Hobel an", sagt Thorsten Schramm zu seinem Kollegen. Der tut wie ihm geheißen: "Triebwerk 1 und 2 gehen an", erwidert dieser, und unter großem Geheul beginnen sich die Rotoren zu drehen. Verständigung an Bord ist nur noch über Kopfhörer und Mikrofone in den Helmen möglich. 300 Liter Kraftstoff brauchen die Triebwerke in etwa pro Stunde – Kosten pro Flugminute pi Mal Daumen 100 Euro.
Nachtluftrettung: Teuer, aber wichtig
"Christoph Sachsen-Anhalt" ist für die Nacht extra mit einem Hochleistungsscheinwerfer ausgestattet, mit dem Landeplätze mühelos ausgeleuchtet werden können. In der Nase des Helis steckt ein Wetterradar. Nachts fliegt die DRF grundsätzlich mit zwei Piloten. Alle sind ausgestattet mit einer Nachtsichtbrille, die pro Stück 35.000 Euro kostet und einer Lizenz zum Instrumentenflug. Kostenpunkt pro Pilot gut 70.000 Euro. Dieses Gesamtpaket ist nach DRF Angaben Alleinstellungsmerkmal. Auch seien die Rot-Weißen jene mit den meisten 24-Stunden-Konzessionen bundesweit. "Nachtrettung ist teuer", gibt Pilot Thorsten Schramm zu, aber, so sagt er, es gebe aus seiner Sicht keinen vernünftigen Grund, nicht nachts zu retten. "Jemand, der bei Nacht erkrankt oder verunfallt, hat das gleiche Recht auf eine schnelle Hilfe wie bei Tag", so Schramm.
Die entsprechenden Beauftragungen kommen aus den zuständigen Ministerien der Länder, hier müsse man sich bewegen, so der Pilot, der aus dem Saarland stammt, wo es keine Luftrettung bei Nacht gibt, ebenso wenig wie in Rheinland-Pfalz. "Ein weiterer Wunsch wäre, dass wir den Weg unserer europäischen Nachbarn gehen. In der Schweiz oder Skandinavien können nachts die Schwerpunktkrankenhäuser im Instrumentenflugverfahren angeflogen werden." Was bei schlechtem Wetter schon jetzt technisch ginge, ist in Deutschland derzeit nicht erlaubt. "Die Folge ist, dass wir nicht alle Einsätze fliegen können", erklärt Schramm. "Hier wünsche ich mir einen Ausbau der Luftrettung."
Ein weiterer Wunsch wäre, dass wir den Weg unserer europäischen Nachbarn gehen. In der Schweiz oder Skandinavien können nachts die Schwerpunktkrankenhäuser im Instrumentenflugverfahren angeflogen werden.
Zwei neue Rettungshubschrauber im neuen Jahr
Nach einem kurzen Zwischenstopp in Haldensleben geht es mit der Patientin an Bord zurück zur Uniklinik nach Halle. Es ist ein entspannter Flug mit einer älteren Dame, der es den Umständen entsprechend gut geht. Ihre Bilanz nach 25 Minuten im Heli: "Die Himmelsstraße muss neu gepflastert werden, es fühlt sich an wie eine Hoppelstraße", aber sie habe den Flug genossen, es sei angenehm gewesen. Eines von vielen Patientenfeedbacks, die dem Nachtflugteam Auftrieb und Motivation ist.
Mit dem neuen Jahr werden auf dem Flugplatz im Saalekreis gleich zwei moderne H145-Rettungshubschrauber – jeder kostet über neun Millionen Euro – stationiert werden, der kleinere "Christoph Halle" geht in den Gerätepool der DRF. Für die Menschen im Land eine gute Sache, denn dann gibt es zwei Helis, die genug Platz und Technik haben, etwa künstliche Herzen oder Inkubatoren durch die Lüfte zu bewegen. Nach Angaben der Piloten nimmt die Luftrettung rund 0,3 Prozent der Gesamtausgaben des Gesundheitswesens ein.
MDR (Marc Weyrich, Johanna Daher)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 30. Dezember 2023 | 08:30 Uhr
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