Hochwasser an der Helme Oberröblingen auf dem Weg zur Normalität: "So viel Hilfe noch nie erlebt"
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von Lucas Riemer, MDR SACHSEN-ANHALT
12. Januar 2024, 18:45 Uhr
Wochenlang war der Sangerhäuser Stadtteil Oberröblingen akut vom Hochwasser der Helme bedroht. Nun entspannt sich die Lage langsam – auch weil Anwohner und Helfende von außerhalb zusammengehalten haben. Der Ortsbürgermeister hofft auf die Hilfe der Bundesregierung, um ähnliche Katastrophen in Zukunft zu verhindern. Eine Reportage.
- Der Ortsbürgermeister ist dankbar für die vielen Helfer, die Oberröblingen gegen das Wasser verteidigt haben.
- Helfer von außerhalb sind beeindruckt von der Unterstützung der Menschen im Ort.
- Eine Renaturierung der Helme könnte künftig Hochwasserkatastrophen verhindern, hofft der Bürgermeister.
Arndt Kemesies ist die Erleichterung anzusehen. Der Oberröblinger Bürgermeister beugt sich über das Geländer der Helme-Brücke in seinem Ort und zeigt auf zwei Linien an einem der Brückenträger. Die eine, neongrün mit Sprühfarbe angezeichnet, markiert die Dammhöhe. Die andere, dunkel und schmutzig, liegt nur ein paar Zentimeter darunter. Sie zeigt, wie hoch das Wasser hier noch vor ein paar Tagen stand.
Inzwischen sinkt der Pegel der Helme seit einigen Tagen – und Ortsbürgermeister Kemesies kann endlich wieder ruhiger schlafen. "Wir sind mit zwei blauen Augen davon gekommen", sagt er am Donnerstag. Zwar seien einige Gärten überschwemmt worden, aber weder Häuser noch Infrastruktur in dem Sangerhäuser Ortsteil hätten dauerhafte Schäden erlitten.
Zu verdanken sei das, sagt Kemesies, nicht nur dem erst in den 2000er Jahren errichteten Helme-Damm, ohne den weite Teile Oberröblingens jetzt vollgelaufen wären. Sondern auch dem unglaublichen Einsatz der Menschen in dem 1.500-Seelen-Ort.
Bürgermeister und Oberröblinger dankbar
"So etwas habe ich noch nie erlebt", sagt Kemesies und lächelt. "Alle haben angepackt, Sandsäcke gefüllt, Essen gebracht. Zeitweise hatten wir 300 Freiwillige hier, dazu all die Helfer von Feuerwehr, THW und Bundeswehr. Dafür bin ich sehr dankbar, dafür sind alle Oberröblinger sehr dankbar."
Trotz sinkender Pegel und dem offiziellen Ende des Katastrophenfalls im Kreis Mansfeld-Südharz, in dem Oberröblingen liegt, ist es für eine endgültige Entwarnung noch zu früh. An der Helme herrscht weiterhin Hochwasseralarmstufe 4.
Hilfseinsätze laufen noch
Und auch die Hilfseinsätze in Oberröblingen laufen wohl noch einige Tage weiter, allerdings in kleinerem Umfang. Direkt neben der Helme-Brücke in Oberröblingen verladen ein paar Männer vom THW am Donnerstagnachmittag eine Pumpe auf einen Anhänger. Sie wird inzwischen nicht mehr gebraucht.
Rund 200 Meter weiter hinten läuft aber weiterhin eine andere Pumpe und befördert pro Minute 7.000 Liter Wasser aus dem kleinen Mühlgraben, der überzulaufen drohte, in die Helme. Rund 25 Helfer vom THW sind aktuell noch in Oberröblingen im Einsatz, sagt Einsatzleiter Julien Plötz. Sie kommen aus Berlin, Neuruppin, Merseburg und Sangerhausen, viele von ihnen waren auch beim Hochwasser im Ahrtal vor zweieinhalb Jahren im Einsatz.
Große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung
Was den Einsatz in Oberröblingen besonders mache, sei die Unterstützung und Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung, erzählt einer der THW-Männer. "Wir bekommen hier von den Anwohnern beinahe mehr Essen und Getränke vorbeigebracht, als wir brauchen", sagt er.
Wie zum Beweis dafür kommt kurz darauf ein Nachbar vorbei und fragt bei Einsatzleiter Julien Plötz, wann die THW-Helfer an diesem Tag gerne ihr Abendessen hätten. Was es geben soll? "Bockwürstchen und Kartoffelsalat." Er sei froh, dass die THW-Leute in Oberröblingen seien, sagt der Nachbar. Die Anwohner hätten inzwischen eine Art Rotationsprinzip entwickelt: Jeden Tag sei ein anderer zuständig, die Helfer mit Essen zu versorgen.
Anwohner fühlt sich noch nicht sicher vor dem Wasser
Dankbar für die Hilfe von THW, Feuerwehr, Bundeswehr und Freiwilligen ist auch Peter Schlennstedt. Er wohnt mit seiner Familie mitten im Oberröblinger Hochwassergebiet, direkt hinter dem Garten fließt der Mühlgraben, die Helme ist nur hundert Meter entfernt. Die Schläuche, mit denen das THW Wasser aus dem Mühlgraben in die Helme pumpt, verlaufen direkt vor seiner Einfahrt.
Als MDR SACHSEN-ANHALT Schlennstedt am 3. Januar zum ersten Mal besuchte, hatte er gerade seine Hühner gerettet und Möbel aus dem Erdgeschoss nach oben gebracht. Sicher vor dem Wasser fühlt er sich noch nicht. "Wir müssen immer damit rechnen, dass doch noch was kommt", sagt er. "Das ist zermürbend." Immerhin: Auch der Pegel des Mühlgrabens, der hinter Schlennstedts Garten fließt, ist inzwischen einige Zentimeter gesunken.
Die, die gepöbelt haben, haben selbst nicht einen Sandsack geschleppt.
Geärgert hat sich Peter Schlennstedt über die Menschen, die Bundeskanzler Olaf Scholz beschimpften, als der vor ein paar Tagen in Oberröblingen war, um sich ein Bild der Hochwasserlage zu machen. "Mein Schwiegersohn und ich, wir haben mitgeholfen, Dämme zu bauen, um den Ort schützen. Selbst aus Sangerhausen sind junge Menschen hergekommen, um anzupacken, das hat mich richtig berührt. Aber die, die da gepöbelt haben, haben selbst nicht einen Sandsack geschleppt", sagt Schlennstedt. Dann steigt er über den selbstgebauten Sandsackwall vor seinem Grundstück und geht zurück in sein Haus.
Kanzlerbesuch als Zeichen der Wertschätzung
"Für mich war es ein Zeichen der Wertschätzung, dass der Bundeskanzler, Umweltministerin Lemke und Ministerpräsident Haseloff hierhergekommen sind", sagt Oberröblingens Ortsbürgermeister Arndt Kemesies, der SPD-Mitglied ist. Die Anfeindungen gegen die Bundes- und Landespolitiker hat auch er mitbekommen. "Mit konstruktiver Kritik hat sowas nichts zu tun", findet Kemesies. Die meisten der Menschen, die die Politiker beschimpften, seien seiner Beobachtung nach keine Oberröblinger gewesen.
In einem persönlichen Gespräch habe er Scholz, Haseloff und Lemke auf die Fehler der Vergangenheit aufmerksam gemacht, als die Helme begradigt und aus ihrem natürlichen Flussbett gedrängt worden sei, so Kemesies. Ein Konzept zur Renaturierung der Helme habe er bei der Gelegenheit gleich mit übergeben.
Hoffnung auf Hilfe vom Bund
Das für die Helme-Renaturierung benötigte Investitionsvolumen von geschätzt 50 bis 60 Millionen Euro könnten eine Stadt oder ein Kreis alleine niemals stemmen, sagt der Ortsbürgermeister. Deshalb brauche es die Unterstützung des Bundes. "Ich wäre froh, wenn die Ideen, die wir aufs Papier gebracht haben, Anstoß sind, um hier etwas zu tun und den Fluss zu renaturieren."
Das Hochwasser im Winter 2023/24 hätte dann nicht nur den Zusammenhalt im Ort gestärkt, sondern wird vielleicht sogar künftige Hochwasserkatastrophen in Oberröblingen verhindern.
MDR (Lucas Riemer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. Januar 2024 | 17:40 Uhr
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