Podcast "Digital leben" Das Stromnetz der Zukunft ist komplex. Und digital
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von Marcel Roth, MDR SACHSEN-ANHALT
27. Januar 2024, 12:24 Uhr
Smart Meter sind ein wichtiger Teil der Energienetze der Zukunft. Mit diesen intelligenten Messeinrichtungen kann der Stromverbrauch viertelstündlich erfasst und stundengenau abgerechnet werden. Smart Meter sind eine wichtige Technologie für die Energiewende – je mehr Eigenheimbesitzer zum Beispiel Solarstrom ins Netz einspeisen, desto wichtiger ist es, den Überblick zu behalten, Netzschwankungen auszugleichen und die Stromversorgung zu sichern.
- Private Solaranlagen, Solaranlagen auf großen Flächen und Windkrafträder erzeugen sauberen Strom. Ihre Leistung schwankt ja nach Wetterlage und Jahreszeit. Um das Stromnetz stabil zu halten, sind deshalb viele Daten nötig.
- Wer Strom erzeugt und ins Netz einspeist, braucht ein Smart Meter. Solche intelligenten Messsysteme sind noch nicht weit verbreitet, sollen bis 2032 aber flächendeckend eingesetzt werden.
- Digitale Technologien und Strom aus Erneuerbaren Energien machen das Stromnetz komplexer. Sind sie dadurch einfacher angreifbar?
Dass Daten das neue Öl sind, lässt sich nirgends so anschaulich erklären wie in den Stromnetzen: Sonnenstand, Schnee, Wind, Regen, Nebel – all das hat Einfluss darauf, wie viel Strom aus Solaranlagen und Windrädern kommt. Und je mehr Solaranlagen auf privaten Dächer stehen und den Strom in das Netz einspeisen, desto mehr Daten müssen erfasst und ausgewertet werden. Vorausschauend müssen Stromnetzbetreiber auch eine steigende Zahl von Wetter- und Klimavorhersagen auswerten können, um das Stromnetz stabil zu halten.
Und je vernetzter und digitaler die Energienetze werden, umso mehr werden auch die Datenmengen steigen. "Für IT-Systeme muss das Ganze in Zukunft händelbar bleiben", sagt Steffen Grau. Er ist Smart-Meter-Experte bei der GISA GmbH, ein IT-Dienstleister aus Halle mit deutschlandweit 870 Mitarbeitern. Grau sagt, in Zukunft könnten viele Gebäude in der Lage sein, ihren Energiebedarf innerhalb gewisser Grenzen selbst zu regeln. Dafür sind Smart Meter nötig.
Smart Meter ist nicht gleich Smart Meter
Jedenfalls Smart Meter der neuesten Generation, die nicht nur die Werte des Stromverbrauchs erfassen, sondern die Werte auch an den Netzbetreiber melden oder gar messen, wie viel Strom aus der eigenen Solaranlagen gerade ins Netz eingespeist wird. Solche intelligenten Messsysteme sind noch in der Minderheit. Laut Bundesnetzagentur gibt es deutschlandweit 321.000 solche Stromzähler der allerneusten Generation – bei fast 53 Millionen Messstellen.
Ein Betreiber von Messstellen und Smart Meters in Sachsen-Anhalt ist die Mitnetz Strom AG aus Kabelsketal bei Halle. Mit seinen Stromnetzen versorgt das Unternehmen 2,2 Millionen Menschen im südlichen Teil von Sachsen-Anhalt, in Teilen von Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Mitnetz betreibt mehr als 15.000 Trafostationen und mehr als 180 Umspannwerke. Für das Stromnetz von Mitnetz ist Dirk Hünlich verantwortlich. Im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben" sagt er: "Von den ungefähr 1,6 Millionen Messpunkten bei unseren Kunden sind 600.000 mit intelligenten Zählern und ungefähr 30.000 mit intelligenten Messsystemen ausgerüstet."
Bis 2032 sollen solche Smart Meter flächendeckend in Haushalten und Unternehmen eingesetzt werden. Dass Smart Metern bislang noch nicht weiter verbreitet sind, hat viele Gründe. Der Gesetzgeber schreibt zwar den Einbau vor, macht ihn aber davon abhängig, ob und wie viel Solar-Strom eingespeist wird, sagt Steffen Grau von Gisa: "Bei Anlagen, die mehr als sieben Kilowatt erzeugen können, muss ein intelligentes Messsystem eingebaut werden. Darunter ist der Einbau für den Messstellenbetreiber optional."
Andere Experten glauben, dass die Zahl privater Anlagen schneller wächst, als Smart Meter eingebaut werden können – auch weil Fachkräfte fehlen. Für den Einbau, die Wartung und das Messen sind die Messstellenbetreiber zuständig. Sie sind neben den Stromerzeugern und den Netzbetreibern die dritten Unternehmen, die auf dem Strommarkt wichtig sind.
Das Kompetenzzentrum für Energieeffizienz durch Digitalisierung (KEDi) in Halle
"Energiewende und Digitalisierung sind nur gemeinsam zu lösen", sagt Andrea Gauselmann. Sie ist promovierte Volkswirtin und leitet das Kompetenzzentrum für Energieeffizienz durch Digitalisierung (KEDi) in Halle. Das KEDi ist ein Projekt der Deutschen Energieagentur (Dena) und hat in Halle derzeit 23 Mitarbeitende, 30 sollen es werden.
"Vieledigitale Lösungen gibt es bereits. Sie werden aber vor allem von den großen Industrieunternehmen genutzt oder innerhalb von Industrieparks", sagt Gauselmann. Das KEDi will klein- und mittelständische Unternehmen und Unternehmen der Gebäudewirtschaft bei der Energiewende helfen und durch das Dickicht an Technologien, Ideen und Förderung leiten. "Wir entwickeln quasi Entscheidungshilfen, Factsheets und zeigen Möglichkeiten auf, woran man sich orientieren kann", sagt Gauselmann im MDR-SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben".
Denn mit digitaler Hilfe und modernen Energiemanagement könnten auch Unternehmen unabhängiger werden und Kosten einsparen. Bürogebäude könnten zum Beispiel die Abwärme aus einer Industriepark oder einem Rechenzentrum zum Heizen nutzen. Solche Ideen sind unter dem Stichwort Smart Grid bekannt. Dabei wünscht sich Gauselmann, dass auch die öffentliche Hand ein Vorbild ist und ihre Gebäude mit PV-Anlagen ausstattet.
Die Zahl der Solaranlagen auf privaten Dächern steigt, sagt Dirk Hünlich von Mitnetz. "Wie sich jetzt die Technologien bei den Kunden entwickeln, das haben wir vor vielen Jahren nicht gesehen." So wird es für die Stromnetzbetreiber komplexer, die Netze zu steuern. Damit das Stromnetz stabil bleibt, können Netzbetreiber ab 2025 auch private Anlagen teilweise regeln. "Wir haben quasi gemischte Systeme aus Kraftwerken und Anlagen der Erneuerbaren und müssen das Netz konstant halten. Das ist die Aufgabe der Zukunft", sagt Hünlich im MDR-SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben".
In der Region wird mehr Strom erzeugt als verbraucht
In den Mitnetz-Netzen haben die erneuerbaren Energien bereits jetzt eine Kapazität, die den Verbrauch in der Region übersteigt: "Bei einer Last von ungefähr 2,5 Gigawatt ist eine Leistung der Erneuerbaren von zehn Gigawatt installiert." Der Großteil stammt aus Windkraftanlagen und großen Flächen für Solarkraft. In Mitnetz-Gebiet würde heute mehr erzeugt als verbraucht. "Und das wird noch viel, viel weiter gehen", sagt Hünlich. Mitnetz gehe von einer Verdopplung bis Verdreifachung der Photovoltaikanlagen aus.
Für einen Netzbetreiber ist herausfordernd, immer zum richtigen Zeitpunkt die richtige Strommenge zur Verfügung zu stellen. Dabei spielen auch Stromspeicher eine Rolle – in Form von Akkus oder in Form von Wasserstoff. Hünlich glaubt, dass durch den chemischen Vorgang der Elektrolyse Wasserstoff ein wichtiger Stromspeicher wird. "Es wird ein qualitativer Sprung, den wir jetzt machen müssen, um ein zukunftsorientiertes Energiesystem zu entwickeln. Dafür brauchen wir Daten und Technologie."
Und dabei reichen Smart Meter allein nicht aus. Denn was nutzen sie, wenn sie ihre Daten nicht senden können, weil es vor Ort keine ausreichende Mobilfunk- oder Internetverbindung gibt?
Digitaler. Komplexer. Und auch gefährdeter?
Kriminelle oder staatliche Akteure, die die Energieversorgung eines Landes auf digitalem Weg angreifen – ein Szenario, das Romanautoren und Drehbuchschreiber inspiriert. Aber Mitnetz-Mann Dirk Hünlich sagt: "Unsere Infrastruktur ist sicher." Es gäbe klare gesetzliche Regeln für die Systeme und die Bundesnetzagentur und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik würden sie überwachen. "Wir werden ganz haarklein analysiert und zertifiziert, damit wir diese Anforderungen auch umsetzen."
Bisher bekannt gewordene Cyberangriffe auf Energieunternehmen haben es vor allem auf Kunden- oder Mitarbeiterdaten abgesehen. Kriminelle wollten zum Beispiel Enercity erpressen, einen kommunalen Energieversorger aus Hannover. Auch die Stadtwerke Karlsruhe und der kommunale Energieversorger im Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen wurden bereits Opfer von Cyberangriffen. Von solchen Vorfällen erfahre er zügig per E-Mail, sagt Hünlich von Mitnetz. "Es gibt ganz feste Kontaktpartner und Informationskanäle für einen deutschlandweiten Austausch über solche Auffälligkeiten."
MDR (Marcel Roth)
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