KI-Werkzeug für Lehrer Sachsen-Anhalts Lehrer können ChatGPT offiziell nutzen

von Marcel Roth, MDR SACHSEN-ANHALT

17. November 2023, 12:11 Uhr

Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt können sich als einzige in Mitteldeutschland jetzt von ChatGPT unterstützen lassen. Das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) hat auf dem Bildungsserver einen entsprechenden Zugang eingerichtet. Lehrer, die ChatGPT so nutzen wollen, müssen zunächst eine Fortbildung machen. ChatGPT würde über den Bildungsserver eingebunden – so würde der Datenschutz eingehalten, sagt das LISA.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
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Es ist eines der meist diskutierten Online-Werkzeuge 2023: ChatGPT. Das Angebot des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI bietet einen Chatbot, der sämtliche Fragen zu beantworten verspricht. Schüler nutzen ihn für Hausaufgaben und stellen so einmal mehr das klassische Schul-Konzept in Frage: Wenn ChatGPT jede Frage beantworten kann, funktioniert es noch, dass in der Schule einfach nur Wissen vermittelt wird und Zuhause die Aufgaben erledigt werden?

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Der Bayerische Rundfunk hat ChatGPT im Frühjahr sogar die Abi-Prüfung machen lassen. Das Werkzeug hat mit der Note zwei bestanden, jedenfalls in der neuesten Version (GPT-4). Mit der Vorgänger-Version (GPT-3.5) hatte ChatGPT das Bayern-Abi nicht bestanden. Die Version GPT-3.5 ist kostenlos verfügbar, für die neueste Version verlangt OpenAI von Privatkunden 20 Dollar pro Monat.

ChatGPT: nur mit Fortbildung und Konto beim Bildungsserver

Beide Versionen können seit Anfang November nun auch Sachsen-Anhalts Lehrerinnen und Lehrer kostenlos benutzen. Auf dem Bildungsserver heißt das Werkzeug "EmuGPT". Im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben" sagt Kay Adenstedt vom Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) in Halle: "Dazu müssen Lehrkräfte vorher eine Fortbildung machen, ein Konto beim Bildungsserver haben, das wir dann für diese Funktion freischalten." Er leitet dort die Abteilung "Digitalität in der Schule". Adenstedt sagt, man habe das eingerichtet, damit Lehrkräfte den Dienst kritisch erproben könnten.

Wir haben das eingerichtet, damit Lehrkräfte den Dienst kritisch erproben können.

Kay Adenstedt vom Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA)

Den Zugang zu ChatGPT gibt es auf dem Bildungsserver seit 1. November. Erste Fortbildungen hätten bereits stattgefunden. Bislang gäbe es 60 Lehrkräfte, die die Fortbildung gemacht haben und das Tool nutzen. Weitere 40 hätten sich bereits für Fortbildungen angemeldet, sagt Adenstedt, der vor seiner Zeit am LISA Lehrer für Englisch und Geschichte war. Bislang fanden die Fortbildungen in Präsenz statt, bald sollen Lehrkräfte in weniger als einer Stunde eine Online-Fortbildung machen können. In Sachsen-Anhalt gibt es fast 44.000 Schülerinnen und Schüler und 14.000 Lehrkräfte.

Wofür Sachsen-Anhalts Lehrer ChatGPT nutzen können

In seiner Handreichung hat das LISA neun Empfehlungen, wie Schüler und Lehrer mit ChatGPT umgehen können. Damit ließen sich Prüfungen, Lehrmaterialien oder Unterrichts-Konzept gestalten. "Für den Einstieg in eine Unterrichtsstunde sucht man vielleicht mal nach einer guten Metapher oder Anekdote, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Das fällt einer Lehrkraft vielleicht allein am Schreibtisch abends um halb zehn nicht so leicht", sagt Adenstedt. Dafür könne ChatGPT eine Art Sparringspartner werden.

ChatGPT könne auch bei Formulierungen helfen. Es ist ein Sprach- und kein Wissens-Modell und kann so zum Beispiel Fragen oder Aufgaben schnell umformulieren. "Man kann ChatGPT zum Beispiel sagen, formuliere die zentrale Aufgabenstellung für ein Projekt für zwei, drei verschiedenen Niveaus", sagt Adenstedt.

Und er sagt auch: "Natürlich ist EmuGPT auch ein Anwendungs-Fall für Seiteneinsteiger. Bereiten sie Zuhause eine Stunde vor, kann das Werkzeug als Sparringspartner dienen. Das ist besser als nichts", sagt Adenstedt. Er betont aber, keine Lehrkraft sollte sich sorgen, ersetzt zu werden. Die Arbeit mit ChatGPT sei ein konstruktiver Prozess, der Impulse geben kann.

Was ChatGPT das Land kostet

Das Bildungsministerium hat einen so genannten Enterprise-Tarif gebucht und bezahlt für die Zahl der Anfragen. Nach den öffentlichen Preislisten von OpenAI kostet das je nach Modell unterschiedlich und hängt auch von der Zeichen-Zahl und der Sprache ab. Die aktuellste Version ist 30 Mal teurer als die Vorgänger-Version: 1.000 Token kosten 0,03 Dollar oder 0,001 Dollar. "Meine Frage nach einem Education-Tarif wurde bislang nicht beantwortet", sagt Adenstedt. Er glaubt, wenn eine neue Version kommt, werden sich die Preise wieder verändern. "Die Vierer-Variante ist qualitativ hinreichend attraktiv für den schulischen Kontext."

Um ChatGPT oder andre KI-Systeme zu steuern, müssen Nutzer sogenannte Prompts als Befehle eingeben. Je konkreter diese Anweisungen sind, desto besser wird das Ergebnis. Deshalb kann es im Schul-Umfeld sinnvoll sein, ChatGPT mitzuteilen, dass der Nutzer Lehrer ist. Das müssen normale Nutzer dem Werkzeug bei jeder Anfrage erneut mitteilen.

Kay Adenstedt, Mathias Magdowski und Podcast-Macher Marcel Roth (v.l.n.r.)
Podcast-Aufzeichnung von "Digital leben" im Bildungshaus Riesenklein in Halle: Kay Adenstedt, Mathias Magdowski und Podcast-Macher Marcel Roth (v.l.n.r.) Bildrechte: Heinz Josef Sprengkamp, LzpB

EmuGPT auf dem Bildungsserver will es den Lehrkräften einfacher machen, sagt Adenstedt: "Wir haben aktuell drei System-Prompts hinterlegt. Da gibt es beispielsweise den vor-definierten pädagogischen System-Prompt für die Gestaltung oder das Design einer Unterrichtseinheit", sagt Adenstedt.

Solche System-Prompts zu entwickeln, sieht er auch als seine Aufgabe: "Wir müssen zu pädagogischen System-Prompts kommen, die uns in unserer Arbeit nützen." Ein weiterer Prompt sei direkt für Schüler gedacht als "ein Tutor, an dem man erproben kann, wie es wäre, einen Lehrer rund um die Uhr zu haben."

Ohne Schüler: ChatGPT des Landes nur für Lehrer

Nur: Schülerinnen und Schüler können EmuGPT auf dem Bildungsserver des Landes gar nicht nutzen. Bislang geht es dem LISA nur um Lehrkräfte. Greta Tosca Steinmetz, die Vorsitzende des Landesschülerrates von Sachsen-Anhalt, findet gut, dass Lehrerinnen und Lehrer das Tool ausprobieren und nutzen können.

Sie sagt aber auch, dass Schüler die gleiche Unterstützung bekommen sollten wie Lehrer. Denn Lehrer und Schüler würden gemeinsam lernen. "Nach einer Testphase muss man schon fragen, ob nicht auch die Schülerschaft so einen Zugang vom Land bekommen", sagt Steinmetz. Und die Frage würde dann wichtiger werden, wenn die kostenfreie Version deutlich schlechtere Antworten gäbe als die Bezahl-Variante.

So hängt derzeit der Zugang zu einem besseren KI-Werkzeug für Schüler von den Finanzen ab. Es gibt Eltern, die ChatGPT vielleicht selbst nutzen und für die bessere Variante 20 Euro im Monat ausgeben. Und es gibt Eltern, die das nicht wollen oder können. So wirft ein technisches Werkzeug die Frage nach der Bildungsgerechtigkeit auf.

Kay Adenstedt vom LISA macht sich darüber Gedanken, sagt er. Und er weist darauf hin, dass vor einem Jahr noch niemand groß über ChatGPT gesprochen habe. "Dass der Staat oder der Schulträger Sprach-Modelle oder eine KI-Lernsoftware finanziert, ist eine sehr junge Frage." Das LISA habe innerhalb kürzester Zeit die Schnittstelle eingebaut und nutzbar gemacht.

Bislang ist EmuGPT ein Werkzeug für Lehrkräfte, kann es aber auch für Schülerinnen und Schüler sein, sagt Adenstedt. Wie sie Zugang bekommen, müsse man verhandeln. Technisch sei es jedenfalls problemlos zu realisieren.

Im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben" sagt der Hochschullehrer Mathias Magdowski von der Uni Magdeburg: "Ich hätte das auch gern." Bislang nutze er ChatGPT privat und zahle 20 Dollar plus Mehrwertsteuer im Monat. Aber Magdowski wird wohl als Hochschul-Beschäftigter nicht so schnell an einen Landes-Zugang kommen wie Schüler. Denn die Hochschulen liegen nicht im Verantwortungsbereich des Bildungs-, sondern des Wissenschaftsministeriums.

Datenschutz und der Blick in andere Bundesländer

Bemerkenswert an ChatGPT auf dem Bildungsserver des Landes: Die Nutzung sei datenschutz-konform, sagt Adenstedt. OpenAI erhalte keine Daten über die Nutzer – anders, als wenn Hochschul-Beschäftigte, Eltern oder Schüler sich privat ein Konto bei OpenAI einrichten. Das LISA hat auf seinem Bildungsserver eine Schnittstelle zu ChatGPT (API) eingerichtet.

Dabei sei der Datenschutzbeauftragte des LISA und des Bildungsministeriums eingebunden gewesen, Sachsen-Anhalts Landes-Datenschutzbehörde nicht. Und weil das LISA die Schnittstelle selbst in der Hand habe, könne man auch jederzeit zu anderen Werkzeugen wechseln, sagt Adenstedt. "Das ist etwas anders als es zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern macht."

Als erstes Bundesland hatte Mecklenburg-Vorpommern seinen Lehrkräften im Oktober ChatGPT besorgt. Die Landesverwaltung dort hat ChatGPT über das Hamburger Bildungs-Start-Up Fobizz eingekauft. Es hält in seiner Software eine Schnittstelle zu ChatGPT und zur KI der deutschen Firma Aleph Alpha bereit. In Mitteldeutschland ist Sachsen-Anhalt derzeit das einzige Land, das seinen Lehrkräften einen solchen Zugang ermöglicht.

Kay Adenstedt vom LISA: "Wir leben in einem dynamischen kleinen Bundesland, das auf die Ressourcen guckt und digital souverän agieren sollte." Mit einer selbst eingerichteten Schnittstelle mache man sich nicht abhängig und könne jederzeit zu einem anderen Anbieter wechseln.

MDR (Marcel Roth)

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