Gastkommentar Sachsen-Anhalts neue Digitalstrategie: Mehr erhofft

08. Oktober 2023, 11:48 Uhr

Digitale Verwaltung, intelligentes Planen und Bauen, Open Data und Smart Cities – die neue Digitalstrategie der Landesregierung fasst viele Themen an. Aber so richtig zufrieden kann man damit nicht sein, schreibt MDR SACHSEN-ANHALT Gastautor Stefan Haun, vom Magdeburger Verein Netz39.

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Die ersten Absätze in der neuen Digitalstrategie der Landesregierung klingen nach Aufbruch: "Im Jahr 2030 erfüllt Sachsen-Anhalt die digitalen Ansprüche seiner Bürgerinnen und Bürger", steht dort. Oder: "Als aktiver Mitgestalter treibt das Land die Digitalisierung in Deutschland und Europa voran."

Endlich, denke ich mir. Aber dabei schwingt auch eine Portion Zynismus mit. Denn etwa 50 Jahre, nachdem der Begriff Digitalisierung zum ersten Mal auftaucht, will Sachsen-Anhalts Landesregierung Gas geben. Unser kleines Bundesland will nicht nur aufholen, sondern vorangehen. Jetzt soll alles in nicht einmal mehr sieben Jahren passieren.

2030 ist schon bald. Dabei hat die Landesregierung nach dem Koalitionsvertrag zwei Jahre gebraucht, um die Strategie zu erstellen. Erste Maßnahmen sollen schon in weniger als drei Jahren kommen: Bis 2026 sollen zum Beispiel Basisdienste in allen Kommunen etabliert werden.

Digitalstrategie: Das ist gut

Die Zielstellungen sind gut, richtig und wichtig. Und natürlich muss KI auftauchen. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass es die nie gebrauchte Blockchain nicht ins Dokument geschafft hat.

Positiv überrascht war ich auch davon, dass soziale Aspekte in der Digitalstrategie berücksichtigt wurden. Wenn wir das Land digitalisieren, müssen wir dafür sorgen, dass auch jede und jeder Einzelne Zugang zum Internet und seinen Diensten hat – unabhängig vom Geldbeutel oder dem Bildungsstand.

Ich finde gut, was das Land plant. Könnten wir diese Ziele tatsächlich bis 2030 erreichen, wären wir ein deutliches Stück weiter. Allerdings auch nicht weiter, als wir und die anderen jetzt schon sein sollten.

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MDR SACHSEN-ANHALT Fr 06.12.2024 12:47Uhr 00:25 min

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Was an der Digitalstrategie stört

Damit endet leider meine Euphorie. Denn die Ziele greifen zwar nach den Sternen, aber um sie real werden zu lassen, muss man die Sternwarte verlassen. Oft ist es Teil der Ziele der Strategie, sie überhaupt abzustimmen und zu definieren. Es soll "ausgelotet", "unterstützt", "empfohlen", "mitbedacht" und "verbessert" werden.

Aber all die schönen Ziele und Festlegungen – sie gelten sowieso nur für die unmittelbare Verwaltung, die der Landesregierung unterstellt ist. Bei den Kommunen ist zu hoffen, dass sie Lust haben, mitzumachen. Ich finde, die kommunale Verwaltung sollte gleich mitziehen und nicht nur mit Pilotprojekte gefördert werden.

Wer ist Netz39? Netz39 ist ein eingetragener Verein in Magdeburg, der sich selbst als Hackerspace versteht und etwa 50 Mitglieder hat. Netz39 finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Im Netz39-Hackerspace gibt es 3D-Drucker, eine Elektronik-Werkstatt aber auch Nähmaschinen, eine Holz-Werkstatt und Ätzlabor. Netz39 versteht sich als Anlaufpunkt für den technischen, gesellschaftlichen und kulturellen Austausch im Bereich informationsverarbeitender Technologien, schreibt er auf seiner Internetseite.

Außerdem wolle man eine technische Infrastruktur und eine Community für diese Themen in Magdeburg schaffen und pflegen. Die Magdeburger Hacker treffen sich immer Mittwochsabends, einige Mitglieder kümmern sich auch um die Freifunk-Initiative in Magdeburg, die öffentliche Internet-Zugänge in der Stadt schafft.

Und wo die Ziele konkret sind, frage ich mich, warum sie nicht schon längst umgesetzt sind: Bis Mitte 2024 soll die Polizei mit mobilen Endgeräten ausgestattet werden, bis Dezember 2024 soll die Internetseite der Landesregierung überarbeitet werden und bis 2030 soll eine leistungsfähige Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen existieren.

Aber Webseiten überarbeiten und neue Technik nutzen – das gehört zum normalen Geschäft. Das sind Wartungsarbeiten und keine Strategie!

Stefan Haun, Netz39 e.V., Magdeburg Gastkommentator

Selbstverständliche Alltagsarbeit statt Strategie

Bei den Zielen zu Open Data hätte ich mir gewünscht, dass die Landesregierung vorangeht und die offene Daten rechtlich sicher bereitstellt und technisch möglich macht! Aber in den Zielen zu Open Data steht, dass bis 2030 die "gesetzlichen Anforderungen" erfüllt und die “nicht zugangsbeschränkten Geodaten“ zugänglich sind –und all das nur "soweit technisch möglich".

Wie es nun konkret weitergehen soll, sollen die verschiedenen Ministerien dun ihre Fachabteilungen in den kommenden Monaten erarbeiten. Es soll auch öffentliche Veranstaltungen geben, sagt Digitalministerin Hüskens im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben". Ich befürchte: Die Umsetzung der Strategie wird ein Projekt der nächsten Landesregierung werden.

Was die Digitalstrategie über die Politik von heute sagt

Wenn ich das Dokument lese, spüre ich förmlich, wie an verschiedenen Stellen gezogen wurde, wie Einzelne sich aufgeopfert haben, damit es mit dem Text weiter geht und wie andere ihre kleinen Siege errungen haben, um einen Satz doch noch unterzubringen oder zu streichen.

Politik ist langsam und schwierig. Für den Aufwand, der in die Strategie geflossen ist, habe ich viel Anerkennung. Dass wir eine Digitalstrategie haben, ist gut und wichtig. Insgesamt ist sie aber zu zahnlos und unkonkret. Aber: Ich hatte mir mehr erhofft.

MDR (Marcel Roth)

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