Zukunftsinvestition Pellets statt Gas: Heizkraftwerk in Gräfenhainichen wird umgebaut
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08. September 2024, 09:12 Uhr
Viele Städte in Sachsen-Anhalt basteln gerade daran, wie die Wärmeplanung der Zukunft aussehen soll. Der Kurs ist überall ähnlich: Auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas soll in absehbarer Zeit verzichtet werden. In Gräfenhainichen im Landkreis Wittenberg wird deshalb gerade das Gaskraftwerk zu einem Holzpelletskraftwerk umgebaut. Das Millionenprojekt ist nicht unumstritten.
- Das Heizkraftwerk in Gräfenhainichen wird bis Oktober 2024 umgebaut.
- 6.700 Megawattstunden sollen nach dem Umbau mit 750 Tonnen Pellets erzeugt werden.
- Das Umweltbundesamt steht den Holzpellets kritisch gegenüber.
Bürgermeister Enrico Schilling schaut immer noch verwundert nach oben. Sein Blick ruht auf den 16 Meter hohen Schornstein am Heizkraftwerk. Im Sommer war der Betonkoloss an seinem neuen Standort aufgestellt worden, musste zuvor aber von einem mächtigen Kran durch eine zweimal eine Meter große Dachluke eingefädelt werden. "Das war richtige Präzisionsarbeit. Jetzt sieht es so aus, als wäre der Schornstein schon immer da gewesen. Optisch ist der überhaupt kein Fremdkörper." Das gilt auch für die beiden Silos, die am Gräfenhainicher Heizkraftwerk montiert wurden. Elf Meter ragen sie in die Höhe und können insgesamt 100 Kubikmeter Pellets aufnehmen.
6.700 Megawattstunden mit 750 Tonnen Pellets
Uwe Störzner, der Chef des Wasserversorgers Midewa, geht zu seinem Auto und bringt eine Probepackung mit, schüttelt einige blassbraune Zylinder hervor, die wie Düngestäbchen aussehen: 25 Tonnen davon sollen pro Woche in Gräfenhainichen verbrannt werden, 750 Tonnen im Jahr. Bei Pellets handelt es sich mehr oder weniger um zusammengepresste Reste aus der Holzverarbeitung, sogenannte Nebenprodukte, die aber durchaus zur Energieerzeugung genutzt werden können.
In Gräfenhainichen sollen pro Jahr 6.700 Megawattstunden thermische Energie erzeugt werden – das ist so viel, um 75 Prozent des Stadtgebietes zu beheizen: sämtliche Wohnungen der beiden großen Vermieter sowie Schulen und Kindertagesstätten. Der derzeit praktizierte Wechsel von Gas auf Biomasse sei die richtige Entscheidung gewesen, glaubt Störzner: "Die Varianten sind nicht unendlich. Wir werden Wasserstoff nicht in Kürze haben, Hackschnitzel kommen nicht in Frage, auch andere Stoffe waren nicht verfügbar, so dass wir uns für Pellets entschieden haben, weil das auch in einer überschaubaren Zeiteinheit umsetzbar ist."
Umweltbundesamt ist skeptisch
Störzner kümmert sich seit 2010 auch um das Fernwärmenetz von Gräfenhainichen. Er ist sich sicher, dass Pellets eine gute Übergangslösung für die Heidestadt sind: Diese seien gut verfügbar, preislich stabil und hätten einen guten Energieertrag. Ganz nebenbei entstehe eine CO2-Ersparnis pro Jahr von 1.000 Tonnen.
Dass das Dessauer Umweltbundesamt – Deutschland wichtigste Umweltbehörde – dennoch Holzpellets wegen ihrer vermeintlich schlechten Klimabilanz nur mit spitzen Fingern anfasst, ärgert Störzner: "Auf der europäischen Ebene ist es dagegen noch umweltfreundlich. Ich glaube, das sind die Probleme, die wir in Deutschland haben, dass wir permanent die Rahmenbedingungen ändern und den Unternehmen keine Planungssicherheit geben. Aber wir müssen Entscheidungen treffen und haben sie getroffen."
Stabile Preise für Kundinnen und Kunden
Gräfenhainichens Bürgermeister Enrico Schilling sieht es ähnlich. Aktuell sei das Holzpellets-Kraftwerk die beste und vernünftigste Lösung für die Heidestadt. Wie es in ein, zwei oder fünf Jahren aussehe, wisse er nicht – auch weil die Bundespolitik immer wieder ihr Vorgehen kurzfristig ändere.
Schilling verweist gleichzeitig darauf, dass das 1,5 Millionen-Euro-Projekt zu einem Drittel vom Bund gefördert wird. Dann könne es doch nicht so umweltschädlich sein, findet der Bürgermeister. Er sei deshalb guten Mutes, auf die richtige Karte gesetzt zu haben. "Unser Fernwärmenetz für Gräfenhainichen stammt ja noch aus der Zeit, als das Kraftwerk Zschornewitz in Betrieb war. Jetzt in Zeiten von Wärmeplanung und Klimawandel stand für uns die Frage, wie kommen wir in gutes Fahrwasser? Biomasse ist ein nachwachsender Rohstoff, wir sind nicht mehr von der CO2-Bepreisung abhängig und die Kunden können sich auf eine gewisse Preisstabilität verlassen."
Die Umbauarbeiten beim Heizkraftwerk, die Ende vorigen Jahres begonnen haben, sollen Mitte Oktober abgeschlossen sein – pünktlich zu Beginn der Heizperiode.
MDR (André Damm, Moritz Arand)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. September 2024 | 12:00 Uhr
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