"Stätte der Mahnung" Neue Infotafel für judenfeindliches Relief an der Stadtkirche Wittenberg
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17. April 2023, 19:32 Uhr
Die Gemeinde der Stadtkirche Wittenberg hatte im Oktober beschlossen, dass die umstrittene "Judensau"-Plastik an der Kirchenfassade bleiben soll – aber einen neuen Kontext bekommt. Dieser ist nun präsentiert worden. In der Kirche informiert die Gemeinde über Judenfeindlichkeit im Christentum, an der Fassade bittet sie auf einer neuen Infotafel um Vergebung.
- Die antijüdische Schmähplastik an der Stadtkirche in Wittenberg ist um einen neuen Infotext ergänzt worden.
- In der Kirche informiert Gemeinde nun über Judenfeindlichkeit im Christentum.
- Zuvor hatte es jahrelangen Streit um die Darstellung an der Kirchenfassade gegeben. Letztlich hatte die Gemeinde entschieden, sie hängen zu lassen.
Die Gemeinde der Stadtkirche Wittenberg hat die umstrittene antisemitische Schmähplastik an den Kirchenmauern mit einem neuen Infotext versehen. Der Text auf der Infotafel zum sogenannten "Judensau"-Relief wurde demnach um die Bitte um Vergebung an "Gott und das jüdische Volk" ergänzt. Zudem heißt es nun im Text: "Die Evangelische Kirche sieht sich in der Verantwortung, ihren Anteil zur jahrhundertelangen Gewaltgeschichte gegen Juden kritisch aufzuarbeiten und gegen Antijudaismus und Antisemitismus aktiv einzutreten."
Kirche informiert über Judenfeindlichkeit im Christentum
Auch im Gebäude will die Gemeinde künftig über Hass und Hetze gegen Juden innerhalb des Christentums aufklären. Dafür seien drei Roll-Ups aufgestellt worden, die unter anderem über Antijudaismus beim Reformator Martin Luther und in Verschwörungstheorien informieren.
Antijudaismus hat eine tradierte Geschichte im Christentum. Das kann heute nicht mehr sein.
"Wir wollen uns – wie in der Vergangenheit gefordert – stärker von Antisemitismus, Antijudaismus und Fremdenfeindlichkeit im Allgemeinen distanzieren", sagte der Vorstand des Gemeindekirchenrats, Jörg Bielig. Auf diesem Wege wolle die evangelische Kirche Verantwortung übernehmen und zeigen, dass sie sich mit ihrer Schuldgeschichte auseinandersetze.
Langfristiges Ziel der Gemeinde ist laut Bielig eine Dauerausstellung in der Kirche, die über Antijudaismus informiert. Dadurch sollten judenfeindliche Äußerungen auch in religiösen Schriften bewusster wahrgenommen werden. "Antijudaismus hat eine tradierte Geschichte im Christentum. Das kann heute nicht mehr sein", sagte Bielig.
Streit um Schmähplastik in Wittenberg ging bis vor den Bundesgerichtshof
Zuvor hatte es jahrelangen Streit um die Darstellung gegeben. Das Relief, das um 1300 an der Kirche angebracht wurde, zeigt eine Sau, an deren Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz. Schweine gelten im Judentum als unrein. Seit 1988 gibt es darunter eine Bodenplatte, die sich auf den Völkermord an den Juden im Dritten Reich bezieht, nicht aber auf das Relief.
Ein jüdischer Mann aus Bonn hatte gefordert, die Darstellung ganz von der Kirchenfassade zu entfernen. Dafür war er vor Gericht gezogen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat im vergangenen Juni letztlich entschieden, dass die Plastik zwar für sich betrachtet "in Stein gemeißelter Antisemitismus" sei, aber hängen bleiben dürfe.
Der Gemeindekirchenrat hatte im Oktober schließlich entschieden, dass das Sandstein-Relief an der Kirche erhalten bleiben solle, man allerdings eine "bleibende Kontextualisierung" und ein pädagogisches Konzept entwickeln wolle, um eine Stätte der Mahnung daraus zu machen.
dpa, kna, epd, MDR (Maren Wilczek)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. April 2023 | 18:00 Uhr
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