Blick auf Pouch von oben, zwischen Stausee und Goitzsche.
In Bitterfeld-Wolfen soll der Verkauf großer Flächen an der Goitzsche rückgängig gemacht werden. Das hat der Stadtrat beschlossen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Steffen Schellhorn

Umstrittene Privatisierung Verkauf der Goitzsche: Stadtrat von Bitterfeld-Wolfen beschließt Rückabwicklung

06. Dezember 2023, 12:50 Uhr

Der umstrittene Goitzsche-Verkauf soll rückgängig gemacht werden. Das hat der Stadtrat von Bitterfeld-Wolfen am Montagabend in einer Sondersitzung beschlossen. Der Käufer soll vertragliche Pflichten verletzt haben. Mitglieder des Stadtrats zeigten sich erfreut über die Entscheidung. Sie kündigten an, wenn nötig rechtliche Schritte zu gehen.

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Der umstrittene Goitzsche-Verkauf von vor zehn Jahren soll rückabgewickelt werden. Das hat der Stadtrat von Bitterfeld-Wolfen entschieden. Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT haben die Stadträtinnen und Stadträte am Montagabend mit deutlicher Mehrheit beschlossen, vom Kaufvertrag mit der zum Merckle-Konzern gehörenden Goitzsche Grundstücksgesellschaft zurückzutreten. Dafür war eigens eine Sondersitzung anberaumt worden. Der Beschluss wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefasst.

Stadträte Bruchmüller, Weise und Ziegler in Bitterfeld-Wolfen erfreut

Stadtrat Kay-Uwe Ziegler (AfD) zeigte sich äußerst erfreut über den Beschluss im Stadtrat. Nach mehr als zehn Jahren sei es endlich möglich gewesen, eine Mehrheit für eine Änderung der Situation zu bekommen. Der Verkauf habe in seinen Augen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen stattgefunden. Das wichtigste sei nun, dass die Goitzsche wieder allen Leuten zugänglich gemacht würde, die hier wohnten.

Stadtrat Uwe Bruchmüller (parteilos), der unter anderem wegen der Ungereimtheiten an der Goitzsche aus der CDU ausgetreten war, begrüßte den Beschluss ebenfalls. Er sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es habe ein jahrelanges Unbehagen um die intransparenten Umstände des Verkaufs der Goitzsche gegeben. Es gehe bei dem Thema um mehr als den Verkauf der Goitzsche. Es ginge auch um Ungereimtheiten, die in der Region passiert seien. Politische Mandate seien in einigen Fällen missbraucht worden. Nun werde einiges auf die Region zukommen.

Der Beschluss sei mit großer Mehrheit getroffen worden. Nun müsse man abwarten, wie die Reaktion des Erwerbers der Goitzsche ausfalle. Je nachdem müsse man weitere rechtliche Schritte in Betracht ziehen oder es gelänge, eine Einigung zu erzielen, die den Menschen in der Region gerecht werde.

Torsten Weiser, Stadtrat für die SPD, sagte: "Das ist eine historische Entscheidung, die über Fraktionsgrenzen hinweg getroffen worden ist, vom Vertrag nach zehn Jahren zurückzutreten." Es habe Verjährung gedroht, deswegen sei auch die Sondersitzung notwendig gewesen. Jetzt gelte es, ob man juristisch in einer Einigung weiterkommt. Ziel sei, wieder das Bestmögliche für Bitterfeld-Wolfen und die Bürger herauszuholen.

Das ist eine historische Entscheidung, die über Fraktionsgrenzen hinweg getroffen worden ist, vom Vertrag nach zehn Jahren zurückzutreten.

Torsten Weiser, SPD-Stadtrat in Bitterfeld-Wolfen

Vertragliche Pflichten sollen bei Verkauf der Goitzsche verletzt worden sein

Die Stadt begründet die Rückgängigmachung des Verkaufs nach MDR-Informationen mit vertraglichen Verpflichtungen, die vom Käufer verletzt worden sein sollen. Dabei soll es um Wald-, Ufer- und Wanderwege auf den verkauften Grundstücken gehen. Dass diese öffentlich zugänglich bleiben, war offenbar Vertragsbedingung. Diese Wegerechte sollen jedoch nicht – wie mit dem Käufer vertraglich vereinbart – ins Grundbuch eingetragen worden sein. Der Anspruch der Stadt auf diese Eintragung verjährt am kommenden Sonntag – dann ist der Verkauf genau zehn Jahre her.

Der Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) sagte, er sei durch den Beschluss des Stadtrats nun damit beauftragt, gegenüber dem Erwerber den Rücktritt vom Verkauf zu erklären. Mit einer Anwaltskanzlei würden entsprechende Schritte eingeleitet. Er stelle sich auf einen längeren Prozess ein. Die Folgen seien noch nicht abschätzbar.

Der Geschäftsführer der Goitzsche Tourismus GmbH, Ingo Jung, wies die Vorwürfe auf Anfrage der DPA zurück. Der Vertrag sei wasserdicht und inhaltlich werde alles erfüllt, sagte er.

Die Goitzsche Grundstücksgesellschaft war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Anwälte prüften Tausende Seiten

Der Beschluss zur Rückabwicklung ist das Ergebnis der rechtlichen Überprüfung des Goitzsche-Verkaufs durch eine Leipziger Kanzlei. Die Anwälte hatten seit Juli rund 3.000 Aktenordner zu prüfen. 2013 waren cirka 1.500 Hektar ehemals kommunaler Ufer- und See-Flächen an der Goitzsche an die Merckle-Tochter verkauft worden – zu relativ geringen Preisen zwischen einem und zehn Euro pro Quadratmeter.

Vorausgegangen waren die Schieflage und Liquidation des kommunalen Unternehmens BQP, das die Flächen zuvor besaß. Ob die Liquidation jedoch überhaupt notwendig war, daran bestehen Zweifel. Im vergangenen Jahr hatte sich daher eine fraktions-übergreifende Arbeitsgruppe im Stadtrat gebildet, um die Vorgänge aufzuarbeiten.

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MDR (Daniel Salpius, Lucas Riemer, Leonard Schubert), dpa | Zuerst veröffentlicht am 4. Dezember 2023.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 05. Dezember 2023 | 19:00 Uhr

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