Rechte Parolen Wie geht die Party-Szene in Sachsen-Anhalt mit "L'Amour toujours" um?
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29. Mai 2024, 17:33 Uhr
Nachdem zu "L'Amour toujours" von Gigi D'Agostino rechte Parolen gegrölt wurden, verzichten einige DJs aus Sachsen-Anhalt auf den Partyhit. Auch Clubs machen sich Sorgen, dass ausländerfeindliches Gedankengut auf ihre Tanzflächen kommt. Andere Clubbesitzer widerum wollen den Song nicht einfach der rechten Szene überlassen. Die Party-Szene rund um Halle und Magdeburg ist sich uneinig.
- Bereits Mitte letzten Jahres soll die Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" in einem Club aus Magdeburg gesungen worden sein.
- Einige DJs aus Sachsen-Anhalt boykottieren den Song von Gigi D'Agostino, damit er nicht für volksverhetzende Parolen missbraucht werden kann.
- Ein Clubbesitzer aus Halle will den Song nicht einfach der rechten Szene überlassen.
"Man kann einfach nicht beeinflussen, was die Leute darauf singen", sagt Florian Ende. Unter dem Künstlernamen "Florence" spielt der DJ aus Halle House- und Charts-Musik. Mittlerweile spielt er "L'Amour toujours" von Gigi D'Agostino gar nicht mehr. "Das Risiko ist mir einfach zu groß."
Ähnlich wie Ende, verzichten derzeit einige DJs aus Sachsen-Anhalt auf den 90er-Hit. Auch Clubs haben Sorge, das rechtes Gedankengut auf ihre Tanzflächen kommt. Ein Clubbesitzer aus Magdeburg rät seinen DJs davon ab, das Lied zu spielen, ein anderer Club aus Halle hat den Song verboten – und das nicht erst seit dem Vorfall auf Sylt, den Olaf Scholz auf X als "eklig" bezeichnete.
Innenministerium zählt sieben Vorfälle seit November 2023
In Sachsen-Anhalt werden bereits seit letztem Jahr volksverhetzende Parolen zur Melodie von "L'Amour toujours" gesungen. "In einem Club in Magdeburg haben sie schon Mitte letzten Jahres Nazi-Parolen gegrölt", sagt Marco Wald. Er ist der Betreiber des queerfreundlichen "Boys'n'Beats" Clubs in Magdeburg. Durch einen DJ-Gruppenchat habe er damals erfahren, dass der Partyhit von D'Agostino für Parolen wie "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" missbraucht werde.
Auch Janusz Zimmermann von "Fairsprechen", einer Beratungsstelle gegen Hasskommentare im Netz, kennt die alternativen ausländerfeindlichen Lyrics seit mehreren Monaten. "Die ganze Vereinnahmung durch Rechtsextreme ist mir seit September letzten Jahres aufgefallen. Zimmermann habe schon damals viele Posts auf TikTok dazu gesehen. "Wir reden also schon von einer Zeit vor Sylt", sagt er MDR SACHSEN-ANHALT am Dienstag.
Dem Land Sachsen-Anhalt sind sieben Fälle bekannt, die bis November 2023 zurückreichen. Das teilte das Innenministerium MDR SACHSEN-ANHALT am Montagabend mit. Zuletzt waren die rechten Parolen auf dem traditionellen "Eierbetteln" in Leißling, einem Ortsteil von Weißenfels, zu hören. Daraufhin rief Ministerpräsident Reiner Haseloff zur Zivilcourage auf. MDR SACHSEN-ANHALT sagte er: "Sylt darf nicht multipliziert werden."
Rechte Parolen zu L'Amour toujours: Für die DJ-Welt kein neues Phänomen
"Mich wundert es ehrlich gesagt, dass der Aufschrei erst jetzt kommt", sagt Wald. Der erste Fall, der sich dem Innenministerium zufolge am 15.11.2023 in Magdeburg ereignete, wurde über die sozialen Netzwerke bekannt. "In meiner Arbeitsrealität ist das schon seit über einem halben Jahr ein Problem", sagt Ende, der DJ aus Halle.
Auf 90er- oder 2000er-Partys habe das Lied von D'Agostino eigentlich zu den Klassikern gehört, sagt Ende. Seit dem Vorfall im November 2023 spiele er es aber gar nicht mehr. So auch seine Kollegen und Kolleginnen. Er kenne persönlich kaum noch einen DJ, der oder die das Risiko eingehen, "L'Amour toujours" zu spielen.
Es gebe aber auch DJs, die versuchen, sich den Song zurückzuerobern, vorab eine Ansage machen. Das hat ein DJ, der in House- und Elektroclubs in Sachsen-Anhalt auflegt, letztes Jahr noch versucht. "Musik sollte für alle sein und nicht für politische Meinungen missbraucht werden", sagt er. Da er sich vor Gewalt von Rechts fürchtet, wird sein Namen nicht genannt.
Mit der Ansage wollte er auf den Missbrauch aufmerksam machen. "Ich habe erklärt, wie es um den Song steht und das ich das Lied abbrechen werde, wenn rechte Parolen gesungen werden." In der Stadt habe das gut funktioniert, in Clubs auf dem Land hätten einzelne Clubbesucher trotzdem den ausländerfeindlichen Text gesungen. "Wenn auch nur eine Person von 500 oder 600 Clubbesuchern den falschen Text singt und davon ein Video viral geht, dann haben wir nichts gewonnen", sagt der DJ. Derzeit spielt er den Song von D'Agostino nicht mehr, zumindest solange das Thema so sensibel ist.
Clubs sind sich uneinig, wie sie mit dem L'Amour toujours umgehen sollen
Auch der Clubbetreiber des "Charles Bronson" in Halle, Andreas Riebe, lässt den 90er-Partyhit nicht mehr spielen. "Das war sicher nicht im Sinne des Verfassers", sagt er. Damit hat Riebe Recht. Dem Spiegel sagte D'Agostino: "In meinem Lied geht es um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es ist die Liebe." Für den Clubbesitzer gab es dennoch nur einen logischen Schritt, um ein Zeichen gegen die rechten Parolen zu setzten. "Nachdem ersten Video im November habe ich das Lied untersagt."
Ob ein Verbot die beste Konsequenz ist, dazu äußert sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth gegenüber der Funke-Mediengruppe zurückhaltend. Sie halte es für richtig, dass sich Veranstalter jetzt Gedanken machen, wie Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Nazi-Gegröle bei Volksfesten und anderen Veranstaltungen keinen Platz hätten. Roth sei aber auch wichtig, "dass die verantwortlichen Betreiber für Schulungen und Sensibilisierungen bei ihrem Personal sorgen, professionelle Awareness-Teams einsetzen und insgesamt klarmachen, dass es eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jeglichen rassistischen, menschenfeindlichen und NS-verherrlichenden Äußerungen geben muss."
Wald, der Betreiber des "Boys'n'Beats" Clubs in Magdeburg hat den Song nicht direkt verboten. "Irgendwo ist es ein ganz normales Lied, das die Leute auch einfach gerne hören", sagt er. Zudem geht Wald davon aus, dass die rechte Parolen dann einfach auf ein anders Lied gegrölt werden. "Ob alle meine Entchen oder jetzt das Partylied von D'Agostino, die Leute finden was Neues." Dennoch rate er allen, die in seinem Club Musik auflegen, momentan davon ab, L'Amour toujours zu spielen. "Wir sind ein LGBTQ+-Club, solche Parolen gehören hier einfach nicht hin."
Matthias Golinski wiederum – Clubbesitzer des "Klub Drushba" in Halle – will "L'Amour toujours" nicht der rechten Szene überlassen. "Der Song ist seit über 20 Jahren ein Hit und steht jeden Abend auf der Set-Liste", sagt er. Bisher habe noch niemand die rassistischen Parolen in seinem Club gegrölt. Auch ein Verbot, wie auf dem Oktoberfest, halte Golinski für eine vorrauseilende Selbstzensur. Dulden würde er die volksverhetzenden Parolen aber nicht. Sollte es derartige Vorfälle in der Drushbar geben, werde Golinski von seinem Hausrecht Gebrauch machen. "Das ist verfassungsfeindlich und hat nichts in meinem Club zu suchen".
dpa, MDR (Cynthia Seidel, Roland Jäger, Attila Dabrowski, Jochen Müller)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 27. Mai 2024 | 19:00 Uhr
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