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Rund 240 Haus- und Facharztstellen in Sachsen-Anhalt sind unbesetzt. Und es werden noch deutlich mehr. Was die Gründe sind, hören Sie im Audio. (Symbolbild) Bildrechte: MDR DATA
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MDR SACHSEN-ANHALT Mi 16.04.2025 05:19Uhr 00:26 min

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Exklusive Prognose Haus- und Fachärztemangel wird sich bis 2030 deutlich verschlimmern

16. April 2025, 05:26 Uhr

Sachsen-Anhalt weist im bundesweiten Vergleich die zweitgeringste Arztdichte auf. Bereits heute sind einige Regionen nicht ausreichend mit Haus- und Fachärzten versorgt. Warum sich der Mangel in den kommenden Jahren noch verschärfen wird und wie das Land versucht, dem Negativtrend entgegenzuwirken.

MDR San Mitarbeiter Manuel Mohr
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In Sachsen-Anhalt sind laut aktueller Bedarfsplanung rund 240 Haus- und Facharztstellen unbesetzt. Bis zum Jahr 2030 soll die Zahl der Stellen im ambulanten Bereich, für die im Land keine Ärztinnen und Ärzte gefunden werden können, auf knapp 520 steigen. Das geht aus einer aktuellen Prognose der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) hervor, die MDR SACHSEN-ANHALT exklusiv vorliegt. Hauptgrund für den erwarteten Anstieg des haus- und fachärztlichen Mangels ist demnach die Altersstruktur der Ärzteschaft in Sachsen-Anhalt.

Laut Prognose werden von den rund 3.370 heute praktizierenden Haus- und Fachärzten etwa 1.180 (35 Prozent) bis zum Jahr 2030 in Rente gehen, davon besonders viele im Bereich HNO und Frauenheilkunde. Im Gegenzug nimmt die KVSA an, dass nur rund 870 junge Ärztinnen und Ärzte nachrücken werden. Grundlage für diese Prognose ist die Anzahl der erfolgreichen Facharztprüfungen vor der Ärztekammer Sachsen-Anhalt der vergangenen zehn Jahre.

Zu wenig Nachwuchs, zu viel Bürokratie

Nimmt man die durchschnittliche Zahl der bestandenen Facharztprüfungen je Arztgruppe aus der Vergangenheit und schreibt diese bis zum Jahr 2030 fort, dann kann die Summe der neuen Nachwuchsmediziner die Zahl der Ruheständler nicht einmal ansatzweise ausgleichen. Die Versorgungslücken, so das Fazit der Prognose, werden in Sachsen-Anhalt folglich immer größer.

EIn Arzt befragt eine ältere Frau
Viele Ruheständler, wenig Nachrücker: Sachsen-Anhalt steuert auf einen immer größeren Ärztemangel zu. Bildrechte: imago images/ocskaymark

Neben zu wenig nachrückenden Medizinerinnen und Mediziner sieht die KVSA auch die steigende Anzahl von Teilzeitbeschäftigungen, die zunehmende Bürokratisierung mit Bindung ärztlicher Arbeitszeit sowie eine schwache Infrastruktur auf dem Land als weitere Gründe dafür, dass immer mehr Haus- und Facharztstellen unbesetzt bleiben.

Altmark besonders vom Ärztemangel betroffen

Denn der Ärztemangel wird nicht erst künftig zum Problem, sondern die medizinische Versorgung ist bereits heute aufgrund von zu wenig Personal in einigen Regionen nicht mehr ausreichend. Das zeigt sich in Sachsen-Anhalt besonders deutlich bei den Hausärztinnen und -ärzten. Um den Bedarf für diese Arztgruppe steuern zu können, ist das Land in 32 Planungsbereiche gegliedert. In 13 dieser Bereiche wurde eine drohende Unterversorgung festgestellt.

Das bedeutet, dass aktuell noch ausreichend Hausarztpraxen existieren, aber aufgrund von anstehenden Renteneintritten angenommen wird, dass sich die Versorgung in den kommenden Jahren verschlechtern wird.

In den Planungsbereichen Salzwedel und Sangerhausen ist dieser Fall bereits eingetreten. Diese Regionen gelten bei der hausärztlichen Versorgung als unterversorgt, es sind also zu wenig Hausärztinnen und -ärzte tätig, um die dortige Bevölkerung angemessen zu versorgen. Auch bei den Facharztgruppen wurden in den ersten Regionen bereits drohende Unterversorgungen festgestellt. Insbesondere davon betroffen ist der Norden des Landes:

Maßnahmen nötig, um ärztliche Versorgung zu gewährleisten

Um künftig noch den Stand der ambulanten Versorgung von heute bieten zu können, sind nach Ansicht von Jörg Böhme, Vorsitzender Vorstand der KVSA, eine ganze Reihe von Maßnahmen nötig. Böhme sagte MDR SACHSEN-ANHALT, dass im Allgemeinen mehr Medizinstudienplätze gebraucht werden und auch mehr Absolventen, die nach ihrem Studium in Sachsen-Anhalt bleiben. Auch werde es unumgänglich sein, dass Ärzte über das Erreichen des Rentenalters hinaus noch weiter praktizieren. Doch damit nicht genug:

Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen Anhalt
Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen Anhalt Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Im Speziellen brauchen Ärzte kurzfristig mehr Zeit für die Behandlung der Patienten durch eine massive Reduktion von Dokumentationspflichten. Wir brauchen eine die Praxen entlastende Digitalisierung und eine Finanzierung der Behandlung, die innovative, arbeitsteilige Praxisstrukturen und die Delegation ärztlicher Leistungen an qualifizierte Praxismitarbeitende abbildet.

Dr. med. Jörg Böhme, Vorsitzender Vorstand der KVSA

Welche Ideen, Ansätze und Förderungen bereits existieren, um dem Ärztemangel in Sachsen-Anhalt – besonders auf Land – entgegenzuwirken, können Sie hier nachlesen:

Gebühr für versäumte Arzt-Termine stößt auf Zuspruch

Um den Ärztemangel dreht sich auch ein aktuelles Meinungsbild von MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland. Dabei stößt die zuletzt von der kassenärztlichen Bundesvereinigung geforderte Gebühr für versäumte Arzt-Termine bei vielen Menschen in Sachsen-Anhalt auf Zuspruch. In der aktuellen Befragung halten knapp drei Viertel (74 Prozent) der Befragten aus Sachsen-Anhalt es für angemessen, wenn Patienten eine Ausfallgebühr für verpasste und nicht rechtzeitig abgesagte Arzt-Termine zahlen müssten. Die Befragung ist nicht repräsentativ, die Ergebnisse aber nach statistischen Merkmalen gewichtet.

In den Kommentaren begründen die Befragten ihren Zuspruch oftmals damit, dass eine fristgerechte Absage von Arzt-Terminen anderen Patienten helfen könnte, die auf einen Termin warten. Andere zweifeln hingegen an der Umsetzbarkeit eines solchen Vorschlags. Vor allem die telefonische Erreichbarkeit der Praxen und die Zeiträume, in denen Arzt-Termine noch fristgerecht abgesagt werden könnten, werden eher kritisch betrachtet.

Nachrichten

Ein Hausarzt untersucht ein Mädchen mit Video
Bei Beschwerden direkt zum Ohrenarzt gehen: Das soll nicht mehr möglich sein. Diese aktuellen Pläne kommen in der MDRfragt-Gemeinschaft mäßig gut an. Bildrechte: picture alliance/dpa-tmn|Benjamin Nolte / MDR

Im jüngst präsentierten Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD unter anderem auf die Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems geeinigt. Nach diesem könnten fast alle Fachärzte künftig nur mit einer Überweisung vom Hausarzt aufgesucht werden. Der Knappheit von Facharzt-Terminen soll dadurch entgegengewirkt werden. Die Mehrheit (54 Prozent) der Befragten in Sachsen-Anhalt befürwortet ein solches Primärarztsystem, bei gut 42 Prozent stößt es hingegen auf Ablehnung.

Viele der Befürworter meinen, dass dadurch unnötige Facharztbesuche vermieden und Fachärzte insgesamt entlastet werden könnten. Kritiker argumentieren hingegen, dass Hausärzte dadurch wiederum zu sehr belastet werden und es an diesen bereits mangelt.

Dieses Thema bei FAKT IST!

Weite Wege, volle Wartezimmer, langes Warten auf einen Termin, vor allem bei Fachärzten: Ärztinnen und Ärzte sind vielerorts Mangelware, besonders auf dem Land. Wie groß ist der Ärztemangel wirklich – und wie kann das Schlimmste verhindert werden? Was passiert, wenn das nicht gelingt? Darüber diskutieren die Gäste bei "FAKT IST!" am 16. April, ab 20:15 Uhr, im MDR FERNSEHEN. Im Chat können Sie bereits ab 19 Uhr live mitdiskutieren.

Mehr zum Ärztemangel in Sachsen-Anhalt

MDR (Manuel Mohr, Max Schörm)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 16. April 2025 | 19:00 Uhr

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